We use Optical Character Recognition (OCR) during our scanning and processing workflow to make the content of each page searchable. You can view the automatically generated text below as well as copy and paste individual pieces of text to quote in your own work.
Text recognition is never 100% accurate. Many parts of the scanned page may not be reflected in the OCR text output, including: images, page layout, certain fonts or handwriting.
Seite 6 Ott Aincmatogcapft Nummer 881 Polen und ein Teil der Randstaaten hat freien Markt, aber es sind dort gewisse SchwierigKeiten zu überwinden, sobald es sich um deutsche Firmen handelt. Schwierig¬ keiten, die sich aus den Folgen de^ Weltkrieges und aus dem unmöglichen Versailler Vertrag ergeben. Rußland kann heute nur auf dem Wege des Monopols und des Lizenzvertrages bearbeitet werden. Die bis¬ herigen Verhandlungen — darüber oart man nicht im un¬ klaren sein — haben wenig prakt sehe Ergebnisse ge¬ zeitigt. Das ist bedauerlich, aber auch erklärlich. Bedauerlich, weil es von einer gewissen Kurzsichtigkeit der Sowjetleutc zeugt, die alles Interesse daran haben müssen, gerade mit deutschen Gruppen zu arbeiten, weil in bezug auf die Projektionstechnik, in bezug auf den wissenschaftlichen und kulturellen Film unser Land heute unzweifelhaft an der Spitze marschiert. Allerdings kann man der russischen Regierung derartige Verbindungen nur zurauten, wenn die Kontrahenten auf deutscher Seite jede Gewähr dafür bieten, die große Aufgabe, die sie über¬ nehmen wollen, auch durchzuführen. Man wird also Abschlüsse in erster Linie mit kapita¬ listisch starken Gruppen zu machen haben, bei denen allerdings neben dem Geld auch die organisatorische und fachliche Befähigung vorhanden sein muß. Man spricht davon, daß in der letzten Zeit der rus¬ sischen R -gierung positive Vorschläge von einer deutsch¬ russischen Gruppe gemacht worden sind, denen ein deut¬ scher Schwerindustrieiler von Weltruf nahesteht. Wir können uns vorstellen, daß ein derartiges Projekt ernsthafte Aussichten auf Realisation hat, weil die Per¬ sönlichkeiten, die in diesem speziellen Fall die notwen¬ digen Garantien übernehmen, genügende Garantien bieten. Monopole haben ja nun immerhin gewisse grundsätz¬ liche Bedenken, aber sie sind — in diesem besonderen Fall gesehen — das kleinere Übel, und zwar aus dem Grunde, weil die Einführung des offenen Marktes, des absoluten Freihandels, den Grundprinzipien der russischen Wirtschaft zurzeit durchaus widerspricht. Nehmen wir an, daß die Verhandlungen einen Weg nehmen, der zu einem Resultat führt. Was hat Rußland dann von Deutschland, was haben wir vom Osten zu er¬ warten? N Für uns Deutsche ergibt sich eine bessere Erschließung eines Absatzgebietes, das bis zu einem gewissen Grade heute schon vorhanden ist und für das Lizenzpreise er¬ zielt werden, die an sich zufriedenstellend sind. Berlin — wir nehmen an. daß die deutsche Zentrale dieser geplanten Gründung in des Deutschen Reiches Hauptstadt bleibt — würde seine Position als Zentrale für den europäischen Markt verstärken, eine Position, die vor allem durch die Entwicklung der Kopierlöhne etwas ins Wanken gekommen ist, die durch die Inflation bedroht, aber heute schon wieder gefestigt ist. Rußland würde dagegen die engste Verbindung mit einem Lande haben, das ihm in erster Linie vorbildliche Apparatur liefert, vor allem in den Spezialmodellen, die man drüben braucht, wo man heute stärker als in irgend¬ einem anderen Lande den Film in den Dienst des Unter¬ richts und der Volksbildung stellt. Man würde gerade nach dieser Richtung hin auch reiches Filmmaterial erhalten. Material, das in seiner Systematik und in seinem pädagogischen Wert in der Welt heute unerreicht dasteht. Man würde die Organisatoren bekommen, die drüben den Kinobetrieb wieder in Gang bringen und für seine Durchführung auf modernster Grundlage sorgen können. Es würde eine ausgezeichnete Mischung zwischen deutschem und russischem Filmschaffen auf dem Gebiet des Spielfilms möglich sein: wir liefern die Operateure, die praktischen Baumeister und einen Teil der Schau¬ spieler, während Rußland seine großen Darsteller und architektonischen Künstler dazu gibt. Es würde, kurz gesagt, eine Mischung zwischen deut¬ schen und russischen Vorzügen geben, die gewisse Nach¬ teile — die jedes Land in seiner künstlerischen und film¬ fabrikatorischen Ausführung, an sich betrachtet, aufweist aufheben würde. Wir sind uns klar darüber, daß diese Angelegenheit, so wie die Dinge in Rußland liegen, von den entscheidenden Sowjctstellen auch vom politischen Gesichtspunkt aus be¬ trachtet werden. Wir halten das für verkehrt, ja sogar für gefährlich aus dem sehr einfachen Grunde, weil etne absolute und vollständige Politisierung der Lichtspielhäuser zu einer ungeheueren Gefahr vom kulturellen und auch vom geschäftlichen Standpunkt aus werden würde. Es gibt genügend Mittel und Wege, die einen Staat davor sichern, daß in seinen Kinos keine Politik getrieben wird, die den Grundgedanken der Republik verwischen oder etwa sogar angreifen könnte. Es kann durch Zensur ohne weiteres die Garantie dafür geschaffen werden, daß alles Sowjetfeindliche nicht zur Vorführung gelangt. Aber es scheint uns, als ob manche leitende Köpfe Rußlands verwechseln, daß zwischen politischer und kultureller Propaganda ein himmelweite* Unterschied ist. Die Leute, die von politischer Werbung sprechen, meinen letzten Endes die kulturelle, und die ist nun einmal von der Politik unabhängig, regelt sich nach Grundsätzen, die von der Leistung und nicht von der Gesinnung abhängig sind. Von diesem Gesichtspunkt aus gesehen, würden wir es auch unbedenklich finden, wenn man Monopolabschiiissc mit Gruppen machte, die nicht ausgesprochen kommu¬ nistisch sind, die aber durch ihre -nternationalc Arbeit jenen geschäftlichen Takt besitzen, der überhaupt Voraus¬ setzung für den Welterfolg und für die Möglichkeit o*-s Welthandels überhaupt ist. Unter dem Gesichtswinkel der Kuiturpropaganda be¬ trachtet. könnte Sowjetrußland nichts Besseres tun, als mit Deutschland zusammenzugehen, weil die wirtschaftlichen Interessen, soweit sie von der Politik berührt werden, letzten Endes demselben Ziel zustreben, dessen Erörterung in diesem Blatte nicht angängig ist. Eis ist also sehr wohl möglich, daß die deutsch-russischen Filmwirtschaftsbeziehungen in der nächsten Zeit Formen annchmcn, die eine klare Übersicht zulassen. Die russische Partei darf sich nicht wundern, wenn man bei der Formulierung außerordentlich rigoros ist. Sie darf sich nicht wundern, weil die Erfahrungen, die viele deutsche Filmleute mit Sowjet-Verträgen gemacht haben, nicht die besten sind. Es war auf unserer Seite immer der beste Wille vorhanden und neben dem Willen auch noch das entsprechende Kapital. Man machte Verheißungen, aber ließ auf die Erfüllung warten, begründete das mit Pcrsonal- wechsel oder mit anderen äußerlichen Dingen, beliebte einen Verhandlungsmodus, der gerade das Großkapital nicht mit restlosem Vertrauen erfüllen konnte. Das wird hier besonders nachdrücklich bemerkt, weil man der Sache, die außerordentlich wichtig ist. nur dann dient, wenn man nicht nur ihre Licht-, sondern auch ihre Schattenseiten ohne Beschönigung hervorhebt. Film-Deutschland reicht dem russischen Nachbar die Hand mit ermunternden Worten, hoffen wir. daß man drüben einschlägt. Hand ist eigentlich nicht der richtige Ausdruck Es sind viele Hände, die bereit sind, sich mit dem größten östlichen Staat zu verbrüdern. Wen man letzten Endes auswählt, ist gleichgültig, ist auch Ansichtssache und hängt von Imponderabilien ab, die nicht der Kritik der Fach¬ presse unterstehen. Die Hauptsache ist, daß der Zu¬ sammenschluß bald, vernünftig und gründlich erfolgt. Wir sind überzeugt, daß beide Länder davon nur große Vorteile haben werden.