Der Kinematograph (February 1924)

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Seite 8 $ec fiincmntograpfi Nummer 885 der Beschränktheit, in der sich das Leben nun einmal abspielt, heraus will. Das ist vielleicht literarisch gesehen, dramatisch jedoch außerordentlich wir¬ kungsvoll. Aber schauspielerische Per¬ sönlichkeiten vom Range eines Werner Krauß sind selten, und so ist denn auch die Dämonie des Zirkuslebens seitdem nicht wieder verfilmt worden. Was man auf die Leinwand brachte, waren mehr oder weniger ge¬ lungene Spielfilme, in denen der Zirkus zur Entfesselung einiger Sensationen diente. Das Zirkus¬ leben wurde der bürgerlichen Welt gegenübergestellt, und zum Schluß gab es allemal den Auf¬ stieg des kleinen Zirkusmädels in die Gesellschaft durch Heirat oder Erbschaft. Daher wirkte der Zirkus nur als Durchgangs¬ station. war nicht unbedingt mit dem Thema verknüpft, denn den Aufstieg behandeln auch andere Filme. die keineswegs die Zirkuswelt mit dem Bürgertum kontrastieren. Das Schicksal der „Fahrenden", ihre Unehrlichkeit („nehmt die Wäsche von den Zäunen, die Komödianten kom¬ men"), dieses „Außerhalb- Stehen“. ist bisher noch niemals im Film gezeigt worden. An die Stelle dieses Gefühls trat dick aufgetragenc Sentimentalität, die durchaus nicht immer so auf die Zuschauer wirkte, wie es die Fabrikanten beabsichtigten. Wir entsinnen uns einiger sehr deut¬ licher Ablehnungen, die nur dar auf zurückzuführen waren, daß man das Publikum unterschätzte. Im Zirkusfilm muß heute das Allerbeste geboten werden, dessen die Fabrikation fähig ist. Neue Sensationen auf diesem Gebiete zu erfinden, dürfte nicht leicht fallen, wie denn Regisseuren und Manuskriptschreibern gar keine neuen Sensationstricks mehr ein¬ fallen wollen Man wird also das immer dankbare Thema neu beleben müssen. Zieht man zum Vergleich die amerikanischen Zirkusfilme heran — auch dort ist das Zirkusmilieu außerordent¬ lich beliebt — so fällt vor allen Dingen ein besseres Training des Menschen und Tiermaterials auf. Die Leistungen der vierbeinigen Artisten sind von hoher Voll¬ kommenheit, es gibt nichts an ihnen auszusetzen. Das Pferde¬ material deutscher Zirkusfilme scheint manchmal vom Pferde¬ markt aus Weißensee zu stam¬ men und ist vor allen Dingen quantitativ zu gering. Man kann nicht in einer Manege, die in einer Großstadt stehen soll, ein halbes Dutzend magerer Gäule laufen lassen. Die Amerikaner leisten sich eine ganze Koppel und erzielen durch diese Szene eine gewaltige Steigerung der Handlung. Man kann nicht die Tribünen durch einen gemalten Prospekt ersetzen und nur in den vorderen Logen ein paar Komparsen klatschen lassen. Das Publikum ist weniger kopflos als mancher Reiter, der dann durch die Manege tänzelt. Und zum anderen: ein durchschnittlicher Zirkusfilm ist immer eine artisti¬ sche Angelegenheit. Deshalb spielen bei den Amerikanern nur Artisten oder Sportsleute mit. Bei allem Respekt, den uns manche Schauspieler des deut¬ schen Filmes einflößen, muß doch gesagt werden, daß sie sich im Trikot des Artisten einigermaßen merkwürdig ausnehmc-n und nicht einmal auf einem Rummelplatz Beifall finden würden. Nur im Film wird das Unzulängliche versucht. Wenn wir so die Amerikaner auf diesem Gebiet nicht nur nicht schlagen können, sondern ihnen kaum nahe kommen, so gibt es einen Ausweg, um sie zu er¬ reichen oder ihnen nahezu- kommen: das Liebenswürdige Auf Liebenswürdigkeit ist ja Jatkie Coogans „Zirkuskind" gestellt, das nicht nur dank ihm diesen sensationellen Erfolg er¬ rang, sondern darum so gefiel, weil das Zirkusmilieu einmal nicht nur als Folie krimineller Begebenheiten benutzt wurde. Auf die persönliche Liebens¬ würdigkeit und Beliebtheit der Hauptdarstellerinnen werden zwei Zirkusfilme gestellt sein, die in nächster Zeit über die Leinwand flimmern sollen. Xenia Desni wird sich unter der Regie Johannes Gutcrs, mit dem sic namentlich in der „Prinzessin Suwarin“ große Erfolge erzielte, in dem Zirkusfilm „Der Sprung ins Leben" versuchen, mit dem Guter die Erfolge seines „Zirkus des Lebens" noch zu überbieten gedenkt. Als „Colibri“ wird Ossi Oswalda (nach dem Roman von Paul Frank) vom kleinen Zirkusmädchen zur großen Tänzerin aufflatten. Auch diese beiden Filme behandeln also den Aufstieg, den viele tausend be¬ geisterter Zuschauerinnen heim¬ lich vom gleichen Wunsche bewegt, miterleben werden.