Der Kinematograph (February 1924)

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Nummer 887 Oer Rtncmnlogropft Seite 10 Australische Filmperspektive A ustralien ist, als jüngster Weltteil, nicht weniger film- >• freudig als das ja immerhin ein paar Jahrhunderte altere Amerika — älter und jünger hier im Sinne der euro¬ päischen F.ntdeckungsgeschichte. Dieser Erdteil, dessen Städte noch kein Jahrhundert all sind und dessen Bevöl¬ kerung doch zum Teil von „Ansiedlern" abstammt, die höchst unfreiwillig ..einwanderten", ist das puritanischste der Erde, trotzdem die Prohibition noch nicht ein¬ geführt werden konnte. Aber das allgemeine Ver¬ gnügen hat nicht darunter gelitten und auch dem Kino hat der Puritanismus nichts geschadet. Film-Australien ist eine Nebenausgabe von Film-Amerika. Beide ver¬ bindet das stärkste Band, das Band einer gemeinsamen Sprache, so daß in den etwa 500 Kinos, die Australien aufweisen kann, fast nur amerikanische Filme zur Vor¬ führung gelangen. Aber diese Filme können mit den¬ selben Titeln laufen wie in Amerika, dieselben Plakate können das Publikum anlockcn, wenn die Zensur ihre Vorführung erlaubt. Die Zensur ist, wie in allen Kolonial¬ ländern, außerordentlich streng. Sie erstreckt sich in Australien aber nicht nur auf sexuelle Dinge — denn die öffentliche Moral würde bei gewagten Sujets sofort ein- greifen und die Bestrafung des Vorführers erzwingen —, sondern auch auf kriminelle Gebiet. Der Zensor kann eben immer noch nicht vergessen, daß seine Bevölkerung zum Teil den europäischen Elementen ihren Ursprung verdankt, die zuerst in das Land zogen. Die Krimina¬ lität war in Australien immer erschreckend hoch! Sidnev galt seit jeher als eine der unsichersten Städte der Welt. Kein Wunder, daß der Zensor deshalb den kriminellen Begebenheiten besondere Aufmerksamkeit schenkt. Morde und schwere Gewalttätigkeiten fallen der Schere co ipso zum Opfer, aber auch kleinere Vergehen werden, je nach Laune des Zensors, entfernt, ln Melbourne, wo ein besonders moralischer Zensor sitzt, dürfen Küsse höchstens dreiviertcl Filmmetcr lang sein, was darüber ist, fällt unter den Tisch. Am liebsten sind den Behörden jene süßlichen Geschichten, die Amerika für den Bedarf im Lande herstellt und die kaum nach Europa gelangen, weil sie dort als zu albern abgelehnt werden würden. Denn während Europa fast nur die amerikanische Spitzenproduktion kennen lernt, wird nach Australien der ganze Wust der mittleren und unterschichtigen Pro¬ duktion abgeiaden. die in einem Lande, das keine eigene Produktion hat und dem der Vergleich der sonst gen Welt- m.arktprodukiion fehlt, mit Interesse betrachtet werden. Sidney. Melbourne und Adelaide haben .-ichtspiel- liäuser amerikanischer Gepräges, die sogar schon Film- i-rgcln eingeführt haben, denen die Begleitmusik :;u den Bildern anvertraut wird. Die Plätze sind etwas teurer als in europäischen Kinos, aber in Australien ist das Leben an sich teurer als <n einem anderen Lande der Welt. Die Einführung der Filme wird zumeis. von den Amerikanern besorgt, die in den Hafenstäcten Zweig- uuternehmungen besitzen, oder von Verleihern, die eine Anzahl kleinerer Firmen vertreten. Deutsche Filme sind in Australien nicht vorgeführt worden; bei der Antipathie, die gegen Deutchiand herrscht, wäre es auch nicht möglich. Eine interessante Zensurentscheidung V on der Filmprüfungsstelle war ein Film, der die Nieder¬ werfung eines Kommunistenaufstandes zum Gegenstand hatte, im Reichsgebiet zur Vorführung zugelassen worden. Später wurde bis auf weiteres die Vorführung dieses Films verboten, da er geeignet sei, aufreizend auf die Mitglieder vier einzelnen Bevölkerungskreise einzuwirken. Einige /eit später hatte auch die Oberprüfungsstelle die Zu¬ lassung des Films widerrufen. Das Oberverwaltungsgericht wies schließlich die Klage ab und führte u. a. aus, über die sachliche Begründung des Verbotes könne nicht mehr Jestritten werden, nachdem die Obcrprüfungsstelle die Zu¬ lassung des Films widerrufen hatte. Die Schließung eines Lichtspieltheaters könne auch wegen Feuergefährlichkeit der Anlage erfolgen, die mit dem Inhalt eines Films nichts zu tun habe. Sic könne ferner erfolgen, um zu verhüten, daß die öffentliche Sicherheit und Ordnung gestört werde, ln allen solchen Fällen sei nicht der Inhalt des Films, sondern seien polizeiwidrige Zustände, welche Begleit¬ umstände oder Folgeerscheinungen seiner Vorführung bilden, Grund des polizeilichen Einschreitens. Solange es vich dagegen nur um die Abwendung von Gefahren handle, die als Folgeerscheinungen aus dem Inhalt der Vorfüh¬ rungen besorgt werden, sei die Schließung schon deshalb nicht statthaft, weil sie nicht die nötige Anstalt im Sinne des § 10, II, 17 des Allgemeinen Landrechts darstelle, in¬ dem der mit ihr erstrebte Zweck durch das mildere Mittel des VorführungsVerbots zu erreichen sei. Die Lichtspiel- aufführungen umfassen noch weit mehr als die Theatervor¬ stellungen eine Reihe von Gefahrenquellen für die öffent¬ liche Sicherheit und Ordnung, deren Schutz begrijflich zur Aufgabe der Polizei gehöre. Jede zur Abwehr seiner Ge¬ fahren erforderliche Regelung des Lichtspiclwescns gehöre '«ithin ihrem Wesen nach dem Polizeirechte an, und dem¬ entsprechend war die Angelegenheit auch bei Erlaß der Reichs Verfassung vom !t. August 1919 angeordnet. Die Reichsgesetzgebung ha Ix- das Lichtspielwesen nicht aus dem Rahmen des Polizeirechts herausgelöst, vielmehr eben¬ falls eine Regelung getroffen, die von polizeilichen Ge¬ sichtspunkten beherrscht werde. Die Filmzensur bestand als polizeircchtliche Einrichtung schon früher in den ein¬ zelnen Ländern des Reichs. Sie sei dann in das Rcichs- lichtspielgesetz übernommen. Die Zulassung von Bild¬ streifen und der Widerruf dieser Zulassung sei nicht den ordentlichen Polizeibehörden, sondern besonderen Prü¬ fungsstellen übertragen worden, die in einem besonderen Verfahren zu befinden haben. Die Zulassung eines Bild¬ streifens sei keine gewerbliche Konzession, die dem In¬ haber die Ausübung seines Betriebes bis zu ihrer end¬ gültigen Zurücknahme gewährleistet. Sie sei ihrem Wesen nach nichts anderes als die behördliche Erklärung, daß der Vorführung des Films keine polizeilichen Bedcrken hin¬ sichtlich seines Inhalts entgegenstehen. Die Zulassung sei zwar keine polizeiliche Verfügung im Sinne des landes¬ rechtlichen Verfahrensrechts, wohl aber eine Verfügung polizeilichen Inhalts. Damit stimme überein, daß sie jederzeit widerrufen werden könne, wenn die Voraus¬ setzungen für ihre Versagung nach Erteilung der Zu¬ lassung hervortreten. Wenn ein von der Filmprüfungs- stellc zugelassener Film sich in der Folgezeit als polizei¬ widrig erweise, könne die Polizei bis zur Durchführung des Widerrufsverlahrens vor der Oberprüfungsstelle gemäß § 4 des Reichslichtspielgesetzes für ihren Bezirk und aus Gründen, die in diesem Bezirk hervortreten, die Vorfüh¬ rung des Films untersagen. Die polizeiliche Verfügung habe nur einen einstweiligen Charakter. Sie werde bei der Durchführung des Widerrufsverfahrens durch de« Spruch der Oberprüfungsstclle ersetzt, verliere aber mit der den Widerruf ablehnenden Entscheidung ihre Geltung.