Der Kinematograph (May 1924)

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Nummer 901 9et fUnnnatogtapfi Seite 17 Die Kinoreformiagung in der Wiener Urania (15. bis 18. Mai 1924). Von WaltcrGünther, Berlin. E s ist nicht i<anz einfach, über diese Tagung zu schrei¬ ben. Weniger darum, weil das, wai dort ge¬ schehen ist, so schwierig zu fassen wäre, oder etwa darum, weil es sich um Darstellung absolut ungeklärter Lagen handelt, sondern vielmehr darum, weil bereits vor¬ her und während der Tagung von Wien her eine Bericht¬ erstattung cinsetzte, die es erschwert, leidenschaftslos zu berichten. Es geht uns hier durchaus nichts an, welche Absic.‘iten und Pläne in und hinter den Kulissen be¬ sprochen worden sind, und es ist auch für unser Urteil über die Tagung völlig gleichgültig, ob Privatintercssen bei dieser Tagung im Spiel waren oder nicht. Wir glauben vielmehr am besten zu tun, wenn schlicht und einfach der ungefähre Verlauf, der Eindruck und die für möglich ge¬ haltenen Wirkungen der Tagung d.irgestellt werden. Die Wiener haben es verhältnismäßig leichter als wir im Reich, Tagungen über das Kinowesen, bei denen Volks¬ bildungsfragen im Vordergrund stehen, würdig im würdigen Raum und im würdigen Rahmen vor sich gehen zu lassen, weil ihnen das für den Versammlungszweck baulich und technisch prachtvoll eingerichtete Urania- Gebäude ganz zur Verfügung steht. Bei dem Ruf, den die Wiener Urania — nicht nur im Volksbildungswesen Wiens tnd Österreichs, sondern darüber hinaus für alle deutschen Volksbildungskreise — hat. ist es wohl zu ver¬ stehen. daß auch hier in unserem speziellen Falle die Uranialeitung versucht hat, führend in der Filmfrage her¬ vorzutreten. Es kommt dazu, daß auch um die anderer Urania-Institute Österreichs sich tragende Vereine ge¬ bildet haben, die sich soeben zu einem Verband der Urania- Vereine zusammenschlossen, der nicht nur organisalt.risch und ideell, sondern auch wirtschaftlich von ziemlicher Be¬ deutung zu sein scheint. Die Bedeutung des Zusammen¬ schlusses wie die der Urania c-nd auch die Anerkennung der Gemeinnützigkeit dieser Institute geht schließlich auch daraus hervor, daß das österreichische Bundes¬ ministerium für Unterricht der Wiener Urania aus dem Schuldienst beurlaubte Beamte zur Verfügung gestellt hat. so daß eine nicht unbeträchtliche Unterstützung sowohl der Idee wie der Arbeit im einzelnen sich ergibt. Insbesondere hat seit längerem die Wiener Urania den Kulturfilm gepflegt, allerdings, wie mir versichert wird, in der Hauptsache den naturwissenschaftlichen und den geographischen Film. Auf den volksbildnerischen Film im weiteren Sinne (edlere Unterhaltung) hat sie bisher verzichtet, hat also dabei weder als Mentor noch als Reformer des Spielfilmes, noch etwa als Zentral¬ stelle in einem etwaigen Kampfe gegen Kinothc.itcr auftreten können und, wie mir weiter versichert wird, auch nicht auftreten wollen. Durch organisatorischen Zu¬ sammenschluß wie durch freie Vereinbarung haben seit längerem Verbindungen zwischen einer Reihe anderer österreichischer Stellen bestanden, die gleichfalls den Kulturlilm pflegten und die nun die von der Urania als einer Art Sammelstelle angekauften, als Urania-Film be- zeichneten Bildstreifen genau so entleihen, wie man das ja sonst von Filmbesitzern auch zu tun gewöhnt ist. Neben der Urania und ihrer in der Hauptsache natur¬ wissenschaftlich bestimmten Kulturarbeit her haben dann seit ungefähr Jahren selbständig auf Anregung and im Zusammenhang mit der Berliner Lehrerschaft die Wiener Lehrenden ihre Film- und Lichtbildarbeit aufgezogen, und zwar so, daß sie ein Filmseminar zur Ausbildung vorbe¬ reiteten und eine Bestellanstalt einrichteten, die nun für die Lehrfilm- und Lichtbildverbraucher das Material teil¬ weise beratend, teilweise vermittelnd bereitstellten. Die Kinoeinrichtungen in den Schulen selbst wurden durchge¬ führt zum großen Teil mit Hilfe der Stadt Wien, zum andern Teil durch Einspringen der Elternvereine. Im übrigen nahmen sich die Stadtschulbehörden dieser Entwicklung an, und nachdem in einer Schule, der die Gattin des Wiener Bürgermeisters als Direktorin vorsteht, gleichfalls ein Schulkino eingerichtet ist, ist der amtliche Wind der Schulkinobewegung noch freundlicher gesinnt. Danehcnher haben gleicherweise im ganzen Lande, zum Teil im Zusammengehen mit den örtlichen Theater¬ besitzern, zum Teil auf eigenem Grund und Boden, V'olks- bildungsvereine, Arbeiterbildungsvereine und sonstige Zu¬ sammenschlüsse sich* regelmäßig de.; Lichtbildes und Filmes bedient, ihn also zu einem festen Best'andteil ihrer regelmäßigen ßildungs- und Aufklärungsarbeit gemacht. Da auch hier wie anderwärts eine der Grt.ndfragen immer geheißen hat: Woher bekomme ich Filme?, ist der Film¬ bestand der Wiener L'rania immer wieder Gegenstand des Interesses und der Fntleihung gewesen. Nun haben sich selbstverständlich Im Nebeneinander der Kreise und im Überschneiden der Arbeitslinien und der Interessen Ge¬ gensätze ergeben, die da spielten zwischen Urania und Schule, zwischen Urania und Volksbildungsvereinen einer¬ seits und zwischen Theaterbesitzern ur.c Urania ander¬ seits. Nach den Besprechungen, die ich mit verschiedenen Theaterbesitzein hatte, und nach den programmatischen Äußerungen des Urania-Präsidenten giaube ich freilich, daß der Widerstreit nicht ewig zu sein braucht, sondern daß noch im Herbst eine Einigung zu c.ncr gewissen Zu¬ sammenarbeit Zustandekommen wird. Freilich habe ich geglaubt, das fördern zu sollen, und ha.je beiden Teilen dabe: zugeredet. Eine Reihe von Theaterbesitzern näm¬ lich ist durchaus bereit, in ihren Kinothentern im Einver¬ nehmen mit der Urania von Zeit zu Zeit Urania-Abende zu veranstalten, d. h. Vorstellungen zu bringen, die mit Urania-Filmen im Geiste der Urania betrieben werden. Vorläufig freilich ist es noch nicht so weit. Noch sind die Interessengegensätze zu klären, und in dieses Gären der Meinungen, der .Absichten und Pläne hinein kommt die Kinoreformtagung. Man hat sich — nicht nur nach Presse¬ äußerungen, sondern auch im Gespräch wie in der Dis¬ kussion -- an dem Wort ..Kinoreform” le.-ihaft gestoßen, und einer der Wiener Theaterbesitzer erklärte — übrigens mit vollem Recht —: ,,Kinoreform ohne Kino heißt offene Türen einrennen." Nun wird ja freilich durch meine bis¬ herigen Darlegungen klar geworden sein, daß die Wiener Urania bzw. die Kreise, die die sogenannte „Kinoreform- Tagung" veranstalteten, gar nicht das Kino reformieren wollten. Ich hatte Gelegenheit, in meinem Referat in der Urania darauf hinzuweisen. Alles das, was vor dem Kriege, ungefähr bis zum Jahre 1912, als Kinoreform be¬ zeichnet wurde: Hebung des Kinos, d. h. des einzelnen Theaters in feuer- und baupolizeilicher Hinsicht, in tech¬ nischer Richtung, dann natürlich im Programm, in der Pro¬ grammgestaltung, im Musikalischen usw.. alles das ist ja längst nicht mehr Gegenstand der „Kinoreform". Alle ernst zu nehmenden Leute, die sich mit Kinoreform be¬ fassen. haben dem Worte längst einen ganz anderen In¬ halt gegeben — wenn sie es überhaupt noch verwenden. Das, was von den Urania-Reformern vom Inhalt der Filme verlangt wurde, das hat ihnen ja inzwischen die Zensurbehörde abgenommen, so daß es unnütz wäre, nun von Dingen zu reden, über die der Privatmann einfach nicht reden kann, weil er die Zusammenhänge im Kini>-