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Nummer 902 9er Äinematograpf) Seite 7 Der konstru ktivisiische Film P)as einschneidendste Erlebnis des Filmes war 'S doch, wie wir nach den Auswirkungen sehen, der Caligari-Film. Er hat nicht allein da« Ansehen der deutschen Filmindustrie bis in die fernsten Länder der Erde getragen, sondern ist Vorbild einer eigenen Kunstrichtung des „Cali- garismus" gewesen, der namentlich in Frankreich zahlreiche Angehörige unter den jüngeren Künst¬ lern gefunden hat. Der „Doktor Caligari'' ist ferner zu einer populären Figur geworden, die nicht nur in französischen und amerika¬ nischen Revuen heimisch wurde, sondern der Film soll (der erste Fall, während es sonst immer umgekehrt war) ir. ein Theater stück umgewandclt werden, daß Werne- Krauß den Doktor Caligari im Hern«-! in New-York spielen wird Rußland, das sich künstlerisch extremer als iedes Land der Erde gebärdete und wo die expressioni¬ stische Kunst mit politischem Revo- luzzertum verquickt wurde, besitzt neben der autochthonen natura¬ listischen Kunst eines Stanis'awsk' auch den „Entfeßl.-r"des Theater, den Regisseur Tairoff. Im Kinc- matographischen war Rußland zurückgeblieben, allein „Poli- kuschka" vermoc te für die Filmkunst .Moskaus zu zeugen, wenngleich dieser Film hinter den euro¬ päischen Erzeugnissen gleicher Provenienz zu riickblieb. Aber „Poli- tuschka" war eben doch der Stamslawkische Na¬ turalismus. den man im Osten übe. winden möchte, um eine neu¬ russische Filmkunst zu erzeugen. Das geschieht nun auf der Weiterv r- folgung von Wegen, die Caliga i wies. Cali¬ gari war expressioni¬ stisch. Aber wie in de Linie des Futurismus und Expressionismus, ja sogar der „Merz¬ kunst" der Konstruk¬ tivismus entstanden war, so soll nun der letzte den Caligarismus im Film überflügeln und Ausdruck einer neuartigen Filmkunst sein. Der architektonisch : Stil, die stilisierte Schau¬ spielkunst eines Werner Krauß brachten in einen öden Schauerkitsch jene Bedeutung, die den Film zu einem Ereignis machte. Man suchte n Moskau, um den Konstruktivis¬ mus motivieren zu können — denn der Aclita Film 'aßt sich eben schwerer „entfesseln" als das Theater — nach ein m Motiv, daß dem S il entsprach und fand dieses in einem Roman \on Alexis Graf Tolstoi, der halb auf der Erde, halb auf dem Mars spielt. Der Mars ist nun filmisch gar kein neues, auch filmisch noc'i unentdecktes Gebiet. Vor ein paar Jahren werde ein pazi¬ fistisch gedachter Marsfihn in allen Kinos ausgelacht, der diese exterritoriale Welt mit öligem Pathos und reckischen Witzchcn schildern wollte. Die Mars¬ menschen als Engelein in Kmderhemdchen mit Balletteusen aus d n Celly deRhcidt- Tänzen. So banal läßt sic'i ein fremder Weltkörper natürlich nicht gestalten, namentlich wenn es n ich der Mars i t, für den die gesamte (und namentlich die literarische) Bevölkerung der Erde eine schwärmerische Vorliebe zeigt. Die Frage, ob der Mais bewohnt sei. hat ja nicht nur dem Astronomen Schioparelli. sondern auch dem letzten Stra lenbahnsc'.affner h reits Kopfschmerz n bereitet. Die Russen nähe.n sich dem Problem von der technisch - k nstruktivistischen Seite. Sic gehen von dem weitverbrei¬ teten Glaub n der höheren Bildung der Marsmenschen aus. Da sie und wahrsch -inÜch auch ihr Autor Tolstoi wissen, daß die Wesen auf dem Mars vermutlich ine andere Gestalt be¬ sitzen als die Geschöpfe der Erde, so versuchen sie dein wenigstens in de' Illusion nahezu¬ kommen. Ist der Mars ein fortgeschrittener Weltk ärper als dicErde. so muß die technische Seite auf ihm bedeutend entwickelter als bei uns Vorwand für eine Reihe von Tncks. d e sich scheinbar leid t in Wirk¬ lichkeit auflösen. „Aelita". wie der Film heißt — auch bereits ein Name, der das Exte ritoriale be¬ tont. versucht nun zu erst, durch das Kostüm den Eindruck des Außerwelt¬ lichen hervorzurufen. Das Technische wird in mathe¬ matische Formeln gebracht, das Gewand kubisch auf¬ gelegt, die Körper der Marsmenschen sind nur noch von Eisenschienen umgeben, man könnte an I Knochenbrüche denken, wenn nicht diesem wohl- J feilen Witz eine be-