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Nummer 1 Clnöro*£fpref< Seite 3 Eine sensationelle Versteigerung. Im Juni 1917 fand eine V ersteigerung in München statt, die wohl als eine der sensationellsten gelten kann, die München jemals erlebt hat. Zweimal war sie bereits angekün¬ digt worden. Zweimal wurde sie wie¬ der — jedesmal ganz kurz vor der Ausführung — inhibiert. Es war die Versteigerung des Besitzes der Prin¬ zessin Luise von Belgien, früheren Gemahlin des Prinzen Philipp von Sachsen-Coburg-Gotha. Ein Gläubiger halte eine Forderung von 82 000 Mark an die Prinzessin eingeklagt. Er selbst hatte allerdings dieses Gut¬ haben bereits für 72 000 Mark abge¬ treten. Der Erlös der Versteigerung belief sich auf über 80 000 Mark, wobei allein — Kriegszustände — 100 Paar Schuhe und sämtliche Woll- und Flanellsachen von den einschlägigen Behörden einbehallcn wurden um später versteigert oder abgelöst zu werden. Schon „100 Paar Schuhe" charak¬ terisieren diese Versteigerung. Mün¬ chen war auf den Beinen. Das Kreuz¬ bräu sah einen vollen Saal und dicht¬ besetzte Galerien bereits um -8 Uhr, am 4. Juni 1917, wo unter Leitung des Gerichtsvollziehers Weber die ange¬ kündigten „Besitztümer aus hoch¬ herrschaftlichem Besitz" unter den Hammer kommen sollten. Die Sensation des ersten Tages waren zwei spitzenbesetzte Doppel- bettdccken. die eine ging zum Preis von 650, die andere für 510 Mark weg. Es folgten zahlreiche Teppiche, die von 75 bis 425 Mark gesteigert wurden. Eine Riesenzahl Blusen er¬ hielt Preise von 70 bis 90 Mark per Stück, Dutzende von Hüten gingen von 8 bis 103 Mark weg. Ein Hut mit acht Reihern erzielte 350 Mark. — Herrliche Pelzsachen, Stolen. Pelzjackcn usw. erregten so lebhafte Kauflust, daß der Versteigerer mehr¬ mals dringend um Ruhe bitten mußte. ((Jbrigcns waren mehrere Schutz¬ leute unter dem Befehl eines Wacht¬ meisters zur Aufrechterhaltung der Ordnung anwesend!) Ins Gebiet der „atemraubenden Spannung" fällt dabei die Geschichte mit einem Pelzmantel. Derselbe war für 2000 Mark angeboten worden. Der Preis schien aber zu hoch zu liegen, denn es erfolgte nur ein Gebot. Zweifel an der Echtheit des Stückes waren laut geworden und wurden immer noch lau¬ ter. Da wurde die Versteigerung unterbrochen, um ein sachverstän¬ diges Gutachten einzuhoien. — Unter lautloser Stille wurde dies prompt gelieferte Gutachten verlesen. Es lautete: das Stück besteht zum Teil aus gefärbtem Feh. zum Teil aus in¬ dischem Iltis. Wert 1500—1800 Mark. — Große Nachfrage fanden auch — Batisthemden, die halbdutzendwcise für 40—200 Mark weggingen. Pracht¬ volle Geschmeide und Edelmetall- wertsachcn gingen fast für den Me¬ tallwert in fremde Hände über. Be¬ zeichnend ist. daß der Erlös der Ob¬ jekte sich ungefähr folgendermaßen stellte: Pelze 8900 Mark. Kleider 14 280 Mark. Wäsche 6775 Mark, Hemden 4000 Mark. Schleier (200 Stück!) 1757 Mark. Federn und Kopf¬ putz ca. 4500 Mark. Schirme und Schirmgriffe (unter welche letzteren sich kostbare Stücke aus Lapislazuli und Schi'dpatt befanden) für 2500 Mark, Spitzen und Schärpen für ca 2000 Mark. Koffer für 3770 Mark. Wertsachen für 8000 Mark, aber — Bücher für 40 Mark und Bilder für 400 Mark. — 200 Schleier, !00 Paar Schuhe, 78 Paar Glacehandschuhe. Dutzende von Seidenhemden. Seiden- unterröcken und zahlreiche Schön¬ heitsmittel — wie der Gerichtsvoll¬ zieher bemerkte — „französischen Ursprungs!" Eine „fürstliche Ver¬ steigerung". die sieben volle Tage in Anspruch nahm. — Trotz allem Auf- wande, trotz allem Luxus hat die unglückliche Prinzessin, die einen der reichsten Monarchen zum Vater hatte, nie glücklich sein können. Ver¬ stoßen und verjagt, von Gläubigern verfolgt, verarmerd und alternd hat sie die Jahre dahingeschleppt, bis der Held ihres Lebern, der Graf Geza Matachich starb und sie noch einige Monate dahindämtr erte. um ihm dann nachzusterben. Da schwiegen end¬ lich Haß und Verleumdung, und der Toten ward die Gerechtigkeit zuteil, die der Lebenden solange versagt gt - blieben war. Man erkannte an. daß sie eine ehrlich-liebcndc. unglückliche Frau gewesen war, und verzieh, wo man gar kein Recht mehr zur Ver¬ zeihung hatte. Das romantisch dramatische Schick¬ sal dieser seltsamsten aller Prinzes¬ sinnen wird wieder lebendig werden in dem Großfilm der Indra-Film Rolf Raffe. „Luise v. Koburg — das Mar¬ tyrium einer Prinzessin." Der unbekannte Bekannte. Wenn ein Erich Kaiser-Titz oder eine Carla Nelsen eder sonst irgendein „Star" durch die Straßen gehen, werden sie sofort von Tausen¬ den von Menschen erkannt. Natür¬ lich. Wenn man ein Gesicht in sound- sovielen Filmen soundsooft sieht, dabei noch zum großen Teile in Gro߬ aufnahmen, so merkt man sich das Gesicht und seine Züge sicherlich. Aber nur allzuleicht geht das Publikum über die Namen derer hin¬ weg, die große, bedeutende Arbeit geleistet haben und die nicht den Vorzug haben, ihr Antlitz selbst auf der flimmernden Leinwand zeigen zu können: Architekt, Photograph und last not least — der Autor. So weilte jüngst einer unserer aller¬ ersten Filmarchitekten in München, aber — man hörte kaum etwas da¬ von. Gar nichts so Ähnliches, wie wenn der „schöne Bruno" da wäre. oder der „goldige Harry Licdtke" usw usw. Und gerade diesem „be¬ kannten Unbekannten" oder „unbe¬ kannten Bekannten" verdankt die deutsche Filmindustrie unendlich viel. Es ist der Lubitscharchitekt: Kurt Richter. Seit 1910 gehört er zur Industrie. Vom Anfang an war er mit Lubitsch zusammen, hat dessen erste Einakter noch mitgebaut: „Fräulein Seifen¬ schaum", „Kraftmeier" und endlich den „großen" Dreiakter „Schuhpalast Pinkus". Auch für den ersten, heute schon fast vergessenen Lubitsch- Spielfilm „Die Augen der Mumie Mah" schuf er den Rahmen. Es war damals ein gewaltiger Erfolg, und filmgeschichtlich deswegen besonders interessant, weil dies der erste Lu- bitsch-Pola-Nogri-Filin war. Dann kamen die bekannten „Kanonen": „Carmen", „Madame Dubarry". „Su- murun", „Das Weib des Pharao". „Anna Boleyn” und endlich — Lu- bitsch's letzter deutscher Film — „Die Flamme". Kurt Richter ist nicht wie Hanns Kräly seinem Freunde nach Amerika gefolgt. Er hat hier weiter gearbeitet In Piels und Jannings letzten Filmen konnte man seine geschmackvollen, absolut auf filmische Wirksamkeit be¬ rechneten und immer hochoriginellen Bauten bewundern. Rolf Raffe hat ihm nun die archi¬ tektonische Ausführung der dies¬ jährigen Indraproduktion übertragen Unzweifelhaft eine glänzende Wahl. Denn Kurt Richter ist eine Potenz. Kurt Richter hat schon 1920 die Amerikaner zur Bewunderung hinge¬ rissen. Wenn seine Architektur der Regie Lubitschs nicht ebenbürtig ge¬ wesen wäre — nimmer wäre „Ma¬ dame Dubarry" damals schon nach Amerika verkauft worden. Lubitsch kannte seine Leute.