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Se-le 4 Per fUncmatogr ap ft Nummer 907 der allem Anschein nach auch eine Peihe von anderen Gründen hat als die gewiß sich katastrophal auswirkende Überflutung aus Amerika. An und für sich ist es selbstverständlich, daß dem deutschen Film die Ausnahmestellung (ewährt wird, die dem Österreicher bei uns bisher schon »ugestander wurde. Aber es gibt in Verträgen mit anderen .ändern so etwas wie eine Meistbegünstigungs - Klausel, die automatisch einer Reihe von Weltländern das zubi ligt. was andere an Vorteilen für sich herausholen. Das kompliziert die Angelegenheit genau so, wie es eine diplomatische Aktion tun würde, die vielleicht versucht wird, wenn eine gemein¬ same europäische Abwehr gegen Amerika auf dem Weg der Einfuhrsperre versucht wird. Hier liegen überhaupt die Schwier gkeiten für die Durchführung des Grundsatzes Film-F uropa den Film- Europäern, der im übrigen — um unsere verehrte Kollegin in der Friedrichstraße über das Priori¬ tätsrecht des ,.Ki- nematograph" zu beruhigen — schon 1914 in einem Leitartikel von Emil Perlmann an¬ geregt wurde, und dessen Durchfüh¬ rung, wie uns Re¬ gierungsrat Pro¬ fessor Dr. Leidig bestätigt, auch schon beim Zu¬ sammenschluß des seligen Schutzver- bandes mit der Fa- brikanten-Vereini¬ gung so etwas wie einen Programm¬ punkt bildete. Europäischer Zusammenschluß und Kontingent hängen eng miteinander zusammen Beide sind theoretisch absolut richtig, aber praktisch genau so schwer zu lösen wie der gordische Knoten. Dieses berühmte Fadenwirrnis ist von e<nem großen Feldherrn durch einen eirzigen Schwerthieb gelöst worden Das Schwert wäre in unserem Falle das Großkapital. Aber wie sollen wir daran denken. Tausende von Dollars auf¬ zubringen. wo uns die notwendigsten Rentenmark fehlen? Wir diskutieren in den Zeitungen öffentlich die Pro¬ bleme für Kongresse, fern von Berlin, ohne zu wissen, ob wir im September überhaupt in der Lage sind, das Reise¬ geld dritter Klasse aufzubringen. Generaldirektoren finden sich wieder auf dem Untergrundbahnnetz zurecht, und namhafte Schauspieler haben erkennen gelernt, daß hun¬ dert Rentenmark pro Tag auch Gagen für Prominente sind Die große allgemeine Ernüchterung kommt. Eine Ernüchterung, die uns hoffentlich Gesundung bringt, und die vor allem dazu führen muß, daß wir zunächst einmal alles daransetzen, für Gesundung im Innern zu sorgen. Wenn der Dichter behauptet, daß im Staate Dänemark etwas faul sei, so zeugt das von einem etwas engen Ge¬ sichtskreis. Wir können diesen klassis«.'.en Satz dahin erweitern, daß sich der gleiche Zustand über ganz Europa und nicht zuletzt auf Deutschland ausgedehnt hat, und daß es hohe Zeit ist. daß man durch eine gründliche, wenn auch schmerzhafte Operation dafür sorgt, daß der Patient gesund wird. Manche Leute legen die Hände in den Schoß und warten genau so auf Regen, wie einst Noah in der Arche auf die Trockenheit. Aber zwischen damals und heute liegen viele tausend Jahre, und die heutige Filmsituation hat. wenn man spaßhaft sein will, zwar äußerlich, aber keines¬ falls innerlich irgendwelche Aehnlichkeiten mit den da¬ maligen Zuständen. Wir glauben vielmehr, daß auch das gute Kinowetter allein noch keine Sanierung bringt, daß dann zwar der Besitzer noch atmen und der Verleiher optimistischer in die Zukunft blicken kann, daß damit aber dem Fabri¬ kanten wenig geholfen sein w.rd. Die deutsche Filmindustrie ist zahlenmäßig wieder um Jahre zurückgeworfen. Sie ist qualitativ sicherlich ungeheuer gestiegen, und sie hat sich in der Spitze un¬ geheueres internationales Terrain erworben. Aber ob sic am Ende der Sta¬ bilisierung vor¬ wärts- oder zu- rückgekommen ist. wird selbst dem begeistert¬ sten Optimalen zumindest zweifel¬ haft sein. Diesem kran¬ ken Patienten, der sich kaum noch auf den Füßen halten kann, wirfl man jetzt von s-.aatswegenKnüp- pcl zwischen die Beine, läßt Kur¬ pfuscher an ihm ihre Künste pro¬ bieren. wo man die bedeutendsten Kapazitäten her- cnziehcn sollte. Wir nehmen an. daß Herr Mumm und Frau Drans¬ feld zunächst nur pro domo sprechen, und daß sich Zentrum und Deutsch¬ nationale überzeugen lassen, daß ihre Mitglieder nicht nur schwarz, sondern auch schief sehen. Wir erinnern das Zentrum immer an die Gefahren, die bei der ersten Be¬ ratung des Lichtspielgesetzes der Abgeordnete Kuckhoff an die Wand malte — Gefahren, die heute viei stärker sind! Wir müssen verlangen, daß sie nicht nur auf Worte hören, sondern sich auch nach Tatsachen richten. Man darf nicht großkulturelle und politische Interessen aufs Spiel setzen, weil man hier und da einmal verärgert gewesen ist. Das Kino soll ein objektiver Spiegel der Zeit sein Es soll die Licht-, aber auch die Schattenseiten zeigen, und da sich Licht und Schatten nach einem ewigen, unum¬ stößlichen Naturgesetz überall gleichmäßig verteilen, so kann auch der Film nicht alles rosenrot malen. Man freut sich, wenn die Ansicht der anderen herab¬ gesetzt ist und drückt in solchen Fällen nicht nur das be¬ rühmte eine, sondern beide Augen zu. Man vergißt dabei, daß das, was dem einen recht, auch dem anderen billig ist. Wobei in Paranthese zu bemerken wäre, daß für manche Gesetzesmacht das Kino nicht nur billig, sondern sogar vogelfrei ist. Ein Standpunkt, der kurzsichtig und be¬ schränkt ist, den sich die Industrie verbittet, der hoffent¬ lich bei den entscheidenden Abstimmungen im Parlament nur von einer verschwindenden Minorität geteilt wird.