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Seite 6 Der Äitwmotogropfi Nummer 911 kommen, weil wir nicht wissen, was wir wollen. Zuerst nach Kriegsende machten wir „in amerikanis:hcm Ge¬ schmack". ohne Amerika und den Film zu kennen Dann wollten wir die „nationale, eigene und doch internationale Note“, die uns Leute machen sollten, die weder Jen Sinn für das Nationale noch für das Eigene hatten. Jetzt importieren wir aus Amerika. Wahllo*. ziellos, zum Teil den Abfall, experimentieren, wahren! unsere groBen Konkurrenten erobern. Uns begleitet auf den Triberger Wanderungen ein füh¬ render süddeutscher Theaterbesitzer, der eines Abends in der Bar des Schwarzwaldhotels den Kern des Problems beleuchtete. Er weist mit Recht darauf hin. daß der Kampf gegen Amerika und für Europa nur mit dem Theaterbcsitzer zu führen ist. daß die Entscheidung in der Einfuhr nach und nach in der Hauptsache bei Verleiher und Ki¬ noinhaber liegt, weil auch die beste Verschleic- '-ungspolitik dem Reichs wirtschaf ts- mir.isU rium nicht verbergen kann, daß i ine Fabri¬ kation nicht mehr schutzbedürftig ist, die gerade un¬ ter dem Schutz zurückgeht und nur noch vom „Schutz" (Kon¬ tingent) aber nicht mehr von der „Fabrikation'Mebt. Laßt mich schweigen über das. was dieser Fachmann im ein¬ zelnen zum The¬ ma Kontingent sagt. Er hat sich für die Tagung Auszüge aus den Zensurlisten gemacht, die Bände sprechen. Man wird sie an dieser Stelle finden, wenn ich in Berlin nachgeprüft haben werde. Aber sie könnten schon heute hier Platz finden, weil ich selbst vor kurzem die seltsame Tatsache ieststellte, daß ein Verleiher, der nur in einem Bezirk arbeitet, vier oder fünf Teile eines ausländischen Films von mehr als siebentausend Meter Länge zensieren konnte Andere Großfirmen haben kaum die Hälfte dieses Kon¬ tingents. Man wird die Zensurlisten im August oder Sep¬ tember, einmal nach Firmen und Metern geordnet, neben¬ einanderstellen müssen. Wir glauben, daß das eine rette Überraschung gibt. Vielleicht auch eine Basis zu einer Unterhaltung mit Herrn Kuhnert, der dann unter Umständen das erkennt, was alle anderen Leute in der Industrie schon lange wissen. Diesmal wird die Sache nicht so einfach sein, denn eine große, maßgebende Partei des Reichstags fängt an, sich für das Problem zu interessieren. Die Auseinander¬ setzungen können nicht cn petit comitec stattfinden, son¬ dern werden in die Öffentlichkeit getragen. Die Bärenjäger, die bisher das Fell in der Stille teilten, ehe sic pro forma die Jagd freigaben, werden diesmal zumindest starke Anstrengungen machen müssen, um über¬ haupt zum Schuß zu kommen — denn die Zeiten sind schwerer und die Jagdgenossen schlaJer geworden. Es wird überhaupt mit Wandlungcr in den Machtposi¬ tionen zu rechnen sein. Filmpolitik unter Ausschluß der Öffentlichkeit wird aulhören. Die Tagespresse in ihrer ' Gesamtheit wird mehr Anteil neh¬ men an den wirt¬ schaftlichen Pro¬ blemen unserer Industrie, das ist eine Folge der Bevormundungs- Versuche der Herr¬ schaften um Mumm und Dransfeld, die das Böse wollen und vielleicht in unserm Sinn das Gute schaffen. Vielleicht wird auch das wieder absichtlich oder unabsichtlich falsch verstanden, obwohl kein Zwei¬ fel darüber be¬ stehen kann, daß wir Gegner all dieser kinofeind¬ lichen Anträge ohne Einschrän¬ kung sind. Was wir immer wieder betonen, ist die Tatsache, daß cs sich um eine persönliche Aktion einzelner Abgeordneter handelt, daß die betreffenden Par¬ teien noch abso¬ lut nicht festlie¬ gen und daß man sie deshalb aufklären, aber nicht angreifen muß. Daß cs immer noch weite Kreise gibt, die dem Kino mit großer Verständnislosigkeit gcgcnübcrstchcn, obgleich ihnen nicht einmal die elementarsten Kenntnisse der Materie eigen, erlebten wir jüngst schaudernd auf der Karlsruher Tagung des Deutschen Werkbundes, wo dem Film vom hohen Kothurn herab jede künstlerische Eignung abgesprochen wurde. Diese Herrschaften haben immer noch nicht cinsehen gelernt, welches große Wirtschafts¬ problem hinter der Filmindustrie steckt, und wie diese mehr, als man im großen Publikum glaubt, mit anderen Industrien vcrschwistcrt ist — nicht allein mit der Möbcl- branche. Die Frage ist brennend geworden — und wenn das Haus brennt, soll man solche Schildbürgerstreiche doch endlich einmal unterlassen! Aber was soll mir hier im Frieden des Waldes, tausend Meter hoch im Schwarzwald, die Politik. Sie sei ver¬ bannt bis zur Rückkehr — bis die Arbeit neu beginnt.