We use Optical Character Recognition (OCR) during our scanning and processing workflow to make the content of each page searchable. You can view the automatically generated text below as well as copy and paste individual pieces of text to quote in your own work.
Text recognition is never 100% accurate. Many parts of the scanned page may not be reflected in the OCR text output, including: images, page layout, certain fonts or handwriting.
Seite 10 Oer Rinematoorapft Nummer 911 Französischer Kampf gegen amerikanische Filme D er amerikanische Film all) ehw gemein¬ same schwere Sorge der Pariser Filmindustrie. Man ist sich klar darüber, daß endlich etwas geschehen misse, um der schier unangreifbaren Diktatur der Amerikaner zu entraten. Aber bei aller konservativen Langsamkeit der hiesigen Geschäftspraktik hat man doch begr.ffen, daß zu einer Aktion gegen die amerikanische Übermacht mehr gehören als die geheime Wut und gute Vorsätze Es fehlt aber schon an den Voraussetzungen zu einem solchen Unternehmen: an einer konkurrenzfähigen ran- zösischen Produktion. Sic hat sich ja im Verhältnis zu den knapp nach dem Krieg erzeugten Filmen im all¬ gemeinen sehr verbessert, aber wie es wirklich darum steht, könnte man — trotz der Höflichkeit der Par ser Filmkritiker gegenüber heimatlichen Erzeugnissen — am besten in den Kaufmannsherzen der hiesigen Filmerzcugv lesen. So weit dringt man gar nicht, schon deshalb nicht, weil es zum guten Ton gehört, über solche Dinge licht zu reden. Geschieht das aber zuweilen doch, so sagt z. B. das „Cinemaganzine" so nebenher, anläßlich einer Aufzählung kommender amerikanischer Filme, daß ..un¬ glücklicherweise die französische Produktion durch die amerikanische gerade jetzt verdrießlich gehandicapt sei". Aus dieser Aufzählung (die übrigens die bezeichnende Überschrift: „Die Sturmflut" trägt) erfülltt man. daß für die kommende Saison Paramount mit 8 Großfilmen ..Auf¬ fahrt". Universal. ..durchaus nicht entmutigt", mit 24 Filmen droht, die MacLaemle sich entschlossen hat, tls „Über¬ hauptwerk'.-" zu bezeichnen, und daß Fox „etwas be¬ scheidener" den Franzosen „nur 17 Schlager reserviert" hat. Am Schluß dieser Ankündigung fordert die Zeit¬ schrift ziemlich kleinlaut die französischen Häuser auf, endlich mutig gegen diese Überschwemmung anzukämpfen Ähnliches, in schärferer oder schwächerer Form, findet man in allen Zeitschriften und in den Filmrubriken der gioßen Blätter. Aber gegenüber der eisernen Organisation der Amerikaner, gegenüber ihrer vollkommenen Beherr- sihung des hiesigen Marktes sind diese Mahnungen in den Wind geschrieben. Und schließlich: das Publikum macht bei aer Kampagne nicht mit. Es weiß nicht, daß die amerikanischen Filme der französischen Branche mi߬ fallen, oder es schert sich nicht darum. Ihm gefallen sie eben, und die Kinos sind immer voll. Man kennt auch hier alle Stars von Universal-City, und fast jeder Bezirk von Paris hat seine Lieblinge. Merkwürdig ist dabei, da'J von den Pariser Kinos doch nahezu Dreiviertel im Besitz der großen Häuser Pathe. Aubert und Caumont sind, sic also die Möglichkeit hätten, strategisch zu arbeiten. Warum tun sie es also nicht, wenn es einmal Kampf geben soll? Na — ich glaube, sie werden eben ihre Gründe hauen; und noch mehr bin ich davon überzeugt, daß die Heraus¬ geber der verschiedenen Filmblättcr diese Gründe kennen und genau wissen, wie sehr platonisch ihre Ratschläge sind. Es fehlt nicht nur an konkurrenzfähiger eigener Pro¬ duktion. es gibt auch heute noch keine Möglichkeiten, eine solche zu erzeugen. Denn da fehlt es wieder nicht nur an den technischen Mitteln, sondern auch an jener absolut modernen Ateliergeneration, trainiert vom Regisseur bis zum letzten Operateurgehilfen. Die Ateliers sind eine große Misere; die Praktiken, unter denen h er ein Film entsteht, provinziell: das Zutrauen der unterstützenden Finanz miserabel; (es hat hier alles seine eigene Historie, für Filmsachverständige des Studiums wert!) der Durch¬ schnitt der hiesigen Kinoschauspieler durch allzugroße „Sachkenntnis" befangen, kurz und gut: der beste Wille allein genügt nicht, und sollte man — was ja auch möglich wäre, aber nicht in Frankreich — die Sache erzwingen, aus dem Boden stumpfen, dann wären die Preise, die die Amerikaner hier herauspressen, noch Bagatellen im Ver¬ gleich zu den Lehrgeldern, die man bei solchen Gelegen- heiter. zahlen muß. Den anempfohlenen, angedrohten, viel diskutierten Kampf gegen den amerikanischen Film wird man hier also anders ausfechter müssen. Zuerst einmal langsamer, als es dem Geschmack aller Verärgerten en'spricht. Boykott kommt, wie gesagt, nicht nur aus politischen Gründen nicht in Frage. Und mit anderer Länder Produktion gleichwertigen Ersatz bieten wollen, etwa mit der teuren deutschen, hieße für die Franzosen, den Teufel mit Beelze¬ bub austreiben wollen. So bleibt eben auch hier nur als das beste Mittel das anständigste, die gute eigene Pro¬ duktion. Das kann aber erst nach und nach kommen, das muß wachsen, und zwar aus eigenen Kräften, ob zuerst auf der künstlerischen Seite oder auf der materiell organi¬ satorischen. ist da beinahe gleichgültig. Deshalb wäre es verfehlt, wenn sie sich etwa ein paar Kanonen von drüben verschreiben würden, die das Ding drehen sollten. Es wird also noch viel Wasser in der Seine fließen, bevor die dickhäutigen Amerikaner auch nur beunruhigt werden. Vorläufig zucken sie mit den Achseln und nehmen die Stimmung nicht zur Kenntnis und disporieren unbeirrt weiter ... Paul Medina.