Der Kinematograph (October 1924)

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Seite 14 Der Rtncmntoflcoiift Nummer 920 optischen und. man möcht • fast sagen seelischen An¬ gelegenheit. Filmisch gesehen, haben wir den Sinr für das richtige Manuskript uns wieder neu geschärft und allmählich das tiefere Wesen des amerikanischen Films erkannt, bei dem es nur auf Tempo und Technik ankomint und beinahe überhaupt nicht auf das Manuskript. Der Regisseur in U. S. A. sucht sich eine interessante Begebenheit und versucht, sie in möglichst vollendeter op¬ tischer Illusion wiederzugeben, wobei ihm Darsteller, Ope¬ rateur und Baumeister gleichwertige Mittler sind, die er nach vorne schiebt, je nach Bedarf. Die er gewissermaßen zu einer kongenialen Harmonie zusamm ^schweißt, aus denen er alles herausholt, was zum Effekt beitragen kann. Es wird ihm nie auf das Spiel oder auf das Bild an sich ankommen, sondern eben auf den Effekt, den er beim Publikum erzielt. Denn je größer der ist, desto größer ist sein Ruhm und auch sein materieller Erfolg. Es scheint wieder so weit zu sein. daß die Spielleiter es nicht als unerhörten Eingriff in ihr Ressort betrach¬ ten, wenn der Fa¬ brikant beim Sujet ernsthaft mit überlegt. Sie werden nicht wet¬ tern, wenn kauf¬ männische Erwä¬ gungen bei der Wahl von Dar¬ stellern und bei dem szenischen Ausbau in die Wagschale ge¬ worfen werden, wenn sie erkannt haben, daß es letzten Endes auch für die Zukunft des Künstlers besser ist, wem man von ihm nicht nur be¬ hauptet, daß er ein großer Könner sei, sondern daß seinc Biider auch das Publikum anziehen, dem Publikum ge¬ fallen, was man letzten Eides unter dem verpönten Aus¬ druck ..gutes Geschäft" versteht. Nachdem wir die Geschäftsfilme haben, und nachdem dem Theaterbesitzer klar geworden ist, daß es für die ex¬ treme literarische Richtung keine Resonanz gibt, wird er auch seinerseits mutiger uno kehrt reumütig zu den Sitten und Gebräuchen früherer Zeiten zurück. Es tauchen im Orchester nach und nach wieder alle jene Geräusche und Radauinstrumente auf, die damals, als Maurice Prince. Tontolini und Knoppchen das Feld beherrschten, der Stolz des Kapellmeisters und die Freude der Zuschauer waren. Natürlich geläutert, verbessert, vorsichtiger und de¬ zenter verwandt; aber sie sind da und tun, wie man auch in den vornehmen Theatern des Berliner Westens fest- stcllen konnte, genau wieder wie in alten Zeiten ihre Schuldigkeit Es läßt sich nicht verheimlichen: Wir werden nie so literarisch und künstlerisch wie die Kammerspiele, wer¬ den nie klassisch im Sinne Schillers und Goethes. Aber ich beleidige keinen deutschen Theaterbesitzer und keinen deutschen Filmfabrikanten, wenn ich behaupte, daß das nie sein Ehrgeiz gewesen ist und sein wird. Wir wollen wenigstens soweit der Spielfilm in Frage kommt — gute Unterhaltung bieten, wollen nicht besser und nicht schlechter sein als Rudolf Herzog, Rudolph Stratz und all die Romanciers, die sich auf gleicher Bahn etwas tiefer oder etwas höher bewegen. Das ist eine Aufgabe, des Schweißes der Edlen wert. Der Film gibt, vom Stand¬ punkt der Kinoreformer und Volksbildner betrachtet, ent¬ schieden mehr als die Operette oder die Revue, was sich leider in manchen Städten dadurch praktisch ausdrückt, daß man die Massenaufgebote wenig ungezogener Frauen mit einem Drittel von dem besteuert, was etwa für „Die zehn Gebote" oder den Bangschen „Michael" zu zahlen ist. Anders liegen natürlich die Dinge beim Kulturfilm. Hier schreiten wir immer weiter und immer vorwärts, weil hier Industrie und Wirtschaft Hand in Hand gehen, und weil es hier gilt, umfassend zu experimentieren, damit Auf¬ nahme- und Wie dergabetechnik auf das höchste Maß der Vollen¬ dung gebracht Der Staat un¬ terstützt diese Be¬ strebungen und hat in Berlin und München eigene Kommissionen eingesetzt. die über der. volks- bildncrischen und künstlerischen Wert einesSchau- spiels Bescheini¬ gungen auszustel¬ len haben, die durch Beseitigung der schweren steuerlichen Be¬ lastung einen Aus¬ gleich schaffen für das erhöhte Ri¬ siko, das jeder in Deutschland noch eingeht, der ein rein kulturelles oder belehrendes Film¬ werk herstellt. Diese löbliche Absicht, die erst vor kurzem wieder in einem Erlaß des zuständigen Ministers in erfreulich deut¬ licher Weise zum Ausdruck kam, wird nun abf wieder durchkreuzt durch das geradezu unverständliche Verhalten der Berliner Stelle, der, wenn wir nicht irren, Herr Pro¬ fessor Lampe vorsteht. Wir waren bis vor kurzem der festen Überzeugung, in dem alten Herrn einen verständnis¬ vollen Förderer der belehrenden und wissenschaftlichen Kinematographie zu sehen, haben uns gefreut über manch vernünftiges Wort in seinen Vorträgen und Schriften. Sind immer vor und hinter den Kulissen vermittelnd eingesprun¬ gen, wenn anstürmende Jugend auch aus pädagogischen Kreisen versuchte, den Mann, der bei Schulen und Be¬ hörden unermüdlich und erfolgreich für den Film gekämpft und gewirkt hat. irgendwie zu hemmen oder zu beschränken. Deshalb stellen wir nur ungern fest, daß einige Entschei¬ dungen der letzten Zeit uns in unserer Meinung irre machen, uns vielmehr die Überzeugung aufdrängen, daß anscheinend Verärgerungen über die immer stärker wer¬ dende Resonanz von Organisationen, in denen jüngere pädagogische Kräfte wirken, zu Kraft- und Machtproben führen, die auf die Dauer von der Industrie aus kauf¬ männischen und vor allem aus Entwicklungsgründen nicht getragen werden können. (Fortsetzung Sit e I6f.