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Seile M Rfncmotograpfi Nummer 935 Presse die Betrachtung, daß es also doch nicht stimmen könnte, wenn sich die amerikanischen Filmmagnaten iür überirdische Wesen hielten, die nur ganz allein wissen, wie ein guter Film hcrzustcllcn wäre. In England suht man die Erklärung der amerikanischen Riesenerfolge nicht so sehr in der Tüchtigkeit der Amerikaner als in dem Umstand, den man in Deutschland Glick nennen würde. Wie aber dem sei, es bleibt doch die Tatsache bestehen, daß die Engländer in ihrer Pro¬ duktion nicht einmal das Glück der Amerikaner haben. Gestern hat Sir Oswald Stoll seinen Aktionären die sihr unangenehme Mitteilung zugehen lassen, daß sic im letzten Jahre 36 000 Pfund ,.zugebuttert" haben. A so 720 000 Mark: eine ganz respektable Summe. Die Schuld schiebt Sir Oswald auf seinen Versuch, dem britischen Film auf die Beine zu helfen. Nun ist die Lage des englischen Herstellers in der Tat keine einfache. Er hat ein Publikum von etwa vierzig Millionen, während der Amerikaner ein Publikum von über hundert Millionen hat und mit weiteren Hunderten von Millionen in Europa rechnen kann. Er kann also ganz anders produzieren, ganz andere Gehälter zahlen, enorme Summen für Inserate ausgeben; kurz, kann die Öffentlichkeit in den Glauben hincinhypnotisicren, daß nur der amerikanische Film sehenswert ist. Außerdem kann er seinen englischen Konkurrenten unterbieten. Das sind so die Argumente, die in englischen Kreiset; angeführt werden, um die Niederlage — man kann wirk¬ lich kein geiingeres Wort dafür finden der englischen Filmindustrie zu erklären. Eine Erklärung, die ganz bestimmt nicht Stich halt. Die auch nicht • gut ist. Es wäre doch viel bes- ser. den wahrer Grund einzu¬ gestehen. wenn’s auch schwer fällt, um so vielleicht doch noch das Übel an der Wurzel packen zu können. Denn wenn Ame¬ rika wirklich nur mit seinem großen Kapital siegt, wo bliebe dann zum Beispiel Deutsch¬ land. dessen Überlegenheit über den englischen und amerikani, sehen Film jetzt in England offen anerkannt wird. Der wirk¬ liche Grund der englischen Lage dürfte in einer gewissen Un¬ tüchtigkeit zu suchen sein, die hauptsächlich darin zu finden ist. daß der englische Produ¬ zent in seinem Süßkramstoff stcckengcblicben ist. Untüch¬ tigkeit ist vielleicht nicht e.nmal das richtige Wort; wenn es irgendein Land der Welt gibt, das aus lauter Konservativis¬ mus cs stets schwer findet, eine neue Wendung zu machen, so ist es England. In einem Lande, wo der Premierminister im Par¬ lament noch auf einem Wotlsack .•itzt und der Rechtsanwalt noch eine kurze Perücke und der Richter noch eine lange Perücke trägt und sich Dinge und Sitten erhalten haben durch mehrere hundert Jahre, wird man wohl mit einer technischen Entwick¬ lung mitgehen können, wie zum Beispiel im Falle der drahtlosen Telegraphie oder Tclephonie, aber viel schwerer In Dingen der Kunst und Anschauung. Und der Film ist schließlich doch ein Ausdruck der Kunst und vor allem der Anschauung des betreffenden Volkes. In anderen Worten: Wie kann man erwarten, daß sich England kurzerhand von seinem „Cant" im Film los¬ macht, wenn es sich im öffentlichen Leber und Privat leben von diesem selben „Cant" noch nicl t losgemachl hat. Das ist hier nicht gehässig gemeint; m Gegenteil. Auch der Puritanismus kann unter Umständen etwas Volkstümliches sein, denn er wird doch viel zur Sitten¬ reinheit in einem Volke beitragen. Aber wo Prüderie in Fleisch und Blut übergegangen ist, wie hier, und dann in der Entwicklung des Landes eine große Rolle gespielt hat. da kann sich der Filmproduzent nicht plötzlich völlig umkrempeln und künstlerisch wirken. Daß England die Kunst in dem guten deutschen Film heute überhaupt schon sieht und anerkennt, ist schon ein enormer Fortschritt, der alles Gute für die Zukunft hoffen laß:. Es ist ein Zeichen dafür, daß der Umschwung sich vollzieht; daß er sich im Empfinden des Kritikers bereits vollzogen hat und. was noch wichtiger ist — im Ver ständnis des Volkes. Fehlt nur noch, daß der Produzent sich einen Stoß gibt und den Künstler mitreißt. Das erste und schlimmste Stadium, charakterisiert etwa durch die Tatsache, daß man statt „Damned" nur ..D—" sagt n durfte, scheint ja glücklich überwunden. Indessen dauert der Siegeszug des deutschen Films i London Ich möchte wiederholen, nicht nur zur Freude des Deutschen, sondern auch zur Freude des Engländers, der. wenn er schon selbst den amerikanischen Film nicht schlagen kann, ihn gern von e.nem Deutschen geschlagen sieht. Es werden in dieser Woche Arthur Robinsons ..Peter der Korsar" sowie Karl Grünes „Komödianten” und Dr. Franz Ecksteins „Hcdda Gabler" mit Asta Nielsen gezeigt werden. Eine Fülle von deutschen F 1- mcn. wie sie bisher hier in dieser Menge gleichzeitig noch nicht auftraten. Sam Goldwyn ist in London. Daß er von sich reden macht, ist selbstverständ¬ lich. Geschickt macht er es auch. Oder ist es sein Preßmanager? Hört man ihn reden, so meint man. daß es nur eine Sorge für ihn gäbe: Wo er eine richtige, echte Julia herbekommt Eine Julia von Jugend und Erfahrung; die Nationalität ist gleichgültig.