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Seite 28 Nummer 937 Die Westi wird A.-G. Wie wir aus zuverlässiger Quelle erfahren, steht die Um¬ wandlung der Westi-Film G. m. b. H. in eine Aktienge¬ sellschaft unmittelbar bevor. Diese Transaktion hat rein formale Bedeutung, um künftige Kapitalserhöhungcn schneller und zweckmäßiger durchführen zu können. Wie es heißt, soll von dem bisherigen Vorstand Herr Wengeroff in den Aufsichtsrat übertreten, an dessen Spi'.ze sich Edmund Stinnes persönlich stellen will. Ebenfalls wird man damit rechnen können, daß eine Kombination Wengcroff-Oswald in der allcrnächosten Zeit perfekt wird, die sich mit der Produktion von Filmen be¬ schäftigen wird, die wahrscheinlich von der Westi über¬ nommen werden. Auch hier sind alle Einzelheiten, ins¬ besondere eine eventuelle Beteiligung der Westi, noch voll¬ ständig ungeklärt, so daß man auch hier erst in den näch¬ sten Tagen von endgültigen Dingen reden kann. Dresdener Nachrichten. In den Räumen des früheren Cafes Pollender in Dresden-Neustadt am Albertplatz ist am 9. Januar ein neues Lichtspieltheater „Sächsische Lichtspiele" eröffnet worden. Für die Firma l’rogrcß-Film, Dresden, Robert Knorr in Dresden, wurde dem Disponenten Ernst Christian Gustav Behrens in Hintergersdorf bei Tharandt Prokura erteilt. Anläßlich einer Besichtigung der Dresdener Polizei¬ schule durch den Haushaltausschuß de« sächsischen Landtags wurde ein P o 1 i z e i f i 1 m vorge.ührt, der die Arbeiten der letzteren wesentlich zu fördern geeignet ist. Weiterhin ist ein Film in Vorbereitung, der der Be¬ lehrung über Verkehrs- und verwandte Frager, für die Bevölkerung, insbesondere auch für die fortbildungs¬ pflichtige Jugend, dienstbar gemacht werden soll. Da diese Fragen besonders wichtig und aktuell sind, ist ein solcher Film von Bedeutung. P.S. Joe Powell. Eine kleine Kirche im Norden von Berlin, angefüllt mit Menschen in Trauerklcidung. Die Kerzen flimmern in dem fahlen Licht des nebligen Nachmittags, und vorn vor dem Hochaltar steht ein Sarg, bedeckt mit Kränzen. Man sieht das Grün der Tannenzweige, die Seid? der Schleifen, und dann beginnt die Musik, und wir hören englische Worte, die wir nur zum Teil verstehen, und sehen einen Geistlichen in fremdartiger Tracht und seinen beleibten Gehilfen, der durch ein Kopfnicken andeutet, wenn man aufzustehen hat. Aber was ist das alles gegen den einca Gedanken: Jnter dem Holz des Sarges liegt unser lieber Joe Pow e II, tot und stumm. — Und dann spielt wieder die Orgel, Männer kommen und tragen ihn hinaus, zum letztenmal vorbei an seinen Kollegen und Freunden, die nie ein böses Wort von ihm hörten. Es sind Männer dar¬ unter, die fünfzehn Jahre mit dem prächtigen Menschen, der hinausgetragen wird, zusammen gearbeitet haben und die nicht begreifen können, warum gerade dieser liebe Kerl so früh daran glauben mußte, den alle schätzten, die täglich mit ihm zusammenkamen, der Liftführer, der An- mcldci, die Boten, die Vorführer, die Kollegen und Mit¬ arbeiterinnen und sein Direktor und Fieund, der den lang¬ jährigen bewährten Kampfgenossen und treuen Gehilfen verlor. Er war ein ganzer Mann, und der große Charme seines Wesens lag tief begründet in seinem Volkstum. Er war Engländer durch und durch und verkörperte die besten Eigenschaften dieses Herrcnvolkes, die Eigenschaften, für die keine andere Sprache eine gleichwertige Übersetzung gefunden hat: Das Wesen des Gentleman und das Gefühl für fairness. Man mag über England denken, wie man will — und wir haben weiß Gott keine Veranlassung, dies Land zu lieben —, aber der einzelne Engländer ist oft die schönste Verkörperung der Spezies Mann, die man sich denken kann. Und so war unser lieber Joe Powell! Von vornehmster Gesinnung, freundlich gegen jedermann, wechselte er doch sein Benehmen nie dem zuliebe, mit dem er gerade sprach. Er war einer von den leider recht seltenen Menschen, die man als Idealtypen einer wahrhaft liberalen Weltanschauung bezeichnen möchte, Männer, die sich aus Selbstachtung jedem ebenbürtig fühlen und denen die Intrige ebenso fern liegt wie jede Art von Kriecherei. Mit einem Takt, der bei ihm aus dem innersten Herzen kam und der ihm angeboren war, füllte er seine keines¬ wegs leichte Stellung aus, umgeben von Angehörigen eines Volkes, das von England unendlich viel Böses erfahren hatte, und doch hat er nie irgend jemanden verletzt, hat aber auch nie jemandem nach dem Munde geredet Er war Kaufmann von dem Typ, wie ihn die beste Tradition seines Heimatlandes schon zu einer Zeit gezüchtet hatte, als bei uns der Kaufmann noch wenig galt. Und er war Kaufmann mit Hingabe und Leidenschalt, und wenn ihm etwas gelungen war, freute er sich wie ein lieber, großer Junge, der er, wie jeder echte Mann, geblieben war. Ich erinnere mich noch, es war einige Wochen vor seinem Tode, da erzählte er, lebhaft und an¬ geregt wie immer, in seinem Deutsch, dem man den Eng¬ länder stets anhörte, ganz empört von irgendeinem Herrn, der einem Fremden gegenüber zugegeben hätte, daß der oder der Film nicht gerade erster Klasse sei. „Wir haben nur erstklassige Filme, und wer, nach außen hin, kritisiert, schädigt die Firma, die ihn bezahlt i" Das war ganz Joe Powell, fair play für die Firma und immer, auch nach der Arbeitszeit, im Diens'.e seines Geschäfts. Dabei war er eine Frohnatur, ein Mann, der gern lustig war und gern nut guten Freunden beim Glase Wein saß. Dann strahlte sein Gesicht, und die treuen Augen wander- ten munter herum, und die blonde Haartolle, die nie glatt anliegen wollte, wurde immer verwegener. Das war auch typisch für ihn: Er sah nie zurechtgemacht, aber immer gut aus mit der natürlichen Losgelassenheit des gut er¬ zogenen Engländers von internationaler Schulung. Langsam müssen wir uns nun daran gewöhnen, daß ur.scr Joe, unser Mr. Powell, jenseits des Kanals in seiner Heimaterde ruht, daß er nicht mehr eifrig und listig ver¬ gnügt seinen lieben Blondkopf durch die Tür des Direktionszimmers stecken wird, ein Telegramm oder eine Unterschriftsmappe in der Hand. Wir werden ihn vermissen und traurig an ihn denken, denn er war einer unserer Besten, einer von den Menschen, die eine Sache um ihrer selbst willen tun. Und wenn Decla- und Ufa- Leute zusammensitzen, vergnügt und kollegial, wird immer wieder die Erinnerung kommen an Joe Powell, und ein stilles Glas soll jedesmal seinem Andenken ge¬ weiht sein. Es gibt ein altes Lied eines deutschen Dichters, das schließt mit den Worten: „Und sie haben Einen guten Mann begraben. Und mir war er mehr.“ Das gilt für viele von uns, am meisten aber für die alten Freunde des Toten. Möge dem lieben, anständigen, biederen und braven Kameraden die Erde seiner Heimat leicht werden K. v. M.