Der Kinematograph (September 1925)

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Seite 24 Äincmalogropft Nummer 971 amerikanischen Regisseuren ist jedenfalls der: die Ameri¬ kaner denken nur an die Wirkung, die ihre Arbeit im eigenen Lande ausüben wird. Kein Amerikaner macht Filme, die ,international“ eingestellt sind, denn sein höchster Ehrgeiz wird immer nur sein, Erfolg am New Yorker Broadway zu haben. Ihn kümmert nichts als das eigene Land. Leider sind die deutschen Regisseure in der Regel ande¬ rer Meiuung. Ih¬ nen sitzt ja nun in den meisten Fällen der Fabri¬ kant auf den Nacken, der ver¬ langt, daß sein Film auch im Ausland. wenn es irgendwie an¬ geht, in Amerika gespielt werden soll. Aber eben daraus ergibt sich eine Verzerrung des Problems, eine Verschie¬ bung der finan¬ ziellen Umstände. Ein Film darf nie anders kal¬ kuliert werden, als daß sich seine wirtschaftlichen Möglichkeiten im eigenen Lande erschöpfen. In¬ dem die Verbrei¬ tung ins Ausland hinzugezogen wird, gerät die Absatzmöglich¬ keit auf eine un¬ sichere Basis. Al¬ lein dadurch, daß die ganze Welt als Absatzgebiet einkalkuliert wird, gestattet man den Regis¬ seuren die letz¬ ten Feinheiten der Kinotechnik anzuwenden. Sagen wir es phrasenlos: die Mehrzahl unserer Regisseure arbeitet letzten Endes für den Fachmann, arbeitet infolgedessen viel zu teuer. Wer da meint, das Publikum habe Inter¬ esse für die einzelnen Schattierungen des Lichtes, für die Feinheiten der Photographie, für die Echtheiten der Bauten — der irrt. Der begibt sich eines für die Filmindustrie sehr ver¬ hängnisvollen Irrtums. Der Zuschauer hat andere Inter¬ essen als sich für die letzten Möglichkeiten der Kine¬ matographie zu interessieren. Für ihn ist alles Tech¬ nische nur Beiwerk. Er weiß heute natürlich auch einen schlecht ausgestatteten Film von einem Meisterwerk zu unterscheiden, aber für ihn bleibt doch in erster Linie die Handlung ausschlaggebend. Es ist gewiß betrübend, aber es muß doch festgestellt werden, daß unsere Regisseure ihr Talent nicht selten an Dinge verschwenden, die von den Zuschauern ahnungslos oder zum mindesten ohne stärkere Anteil¬ nahme aufgenommen werden, weil sie die Schwierig¬ keiten, die Geduld und die Findigkeit der Regisseure gar nicht richtig einzuschätzen vermögen. Seien wir ehrlich* wenn der Zuschauer von der Handlung, von den Schauspielern gepackt wird, so kann ihn keine Kulisse stören. Die Forderung des Tages ist daher der Ge¬ schäftsregisseur. Damit soll nun keineswegs ge¬ sagt sein, daß Kitsch Tür und Tor zu öffnen sei. Man darf aber wohl daran er¬ innern, daß es keineswegs fest¬ steht. was eigent¬ lich Kitsch ist. In den meisten Fällen ist dieser Ausdruck eben doch nur e ; ne sehr private Ästhetik, über d?ren Berechti¬ gung man strei¬ ten kann. Nun sind aber durch¬ aus nicht alle populären Emp¬ findungen als Kitsch zu be¬ zeichnen, dagegen sind alle populä¬ ren Gefühle dra¬ matisch wirksam Der Zuschauer sucht in einem Lichtspielhaus, wie schon betont wurde, keines¬ wegs letzte Fi¬ nessen der Pho¬ tographie, son¬ dern eine Hand¬ lung, die ihm ein¬ geht. Er kann aber nur eine solche Handlung schnell aufneh¬ men, die ihm ver¬ traute Elemente bietet, also populäre Gefühle abwandelt. Daher muß der Geschäftsregisseur vor allem Wert auf die Fassung des Manuskriptes legen. Stellen wir fest, daß eine gewisse Dosis Sentimentalität aut alle Menschen wirkt. Sie muß nur richtig vorgetragen werden. Und wenn ihr ein wenig Humor gegenübersteht, so wird jene Stimmung erzeugt, die den Zuschauer zu Beifall und Anerkennung zwingt. Leute mit höherer Bildung wundern sich regelmäßig, aus welchem Grunde die Mehrzahl der Kinofreunde jene Filme bevorzugt, in denen irgendeinem Manne oder einer Frau ein märchenhaft schneller Aufstieg aus kleinsten Verhältnissen zu einem Reichtum glückt, dessen Fülle unwahrscheinlich und dessen Ausdruck banal ist. Gewiß ist das keine Kunst. Aber wir sind in eine Kunstheuchelei geraten, die uns abschreckt, einmal die Wahrheit zu bekennen, daß es gar nicht angeht, in jedem Augenblick von Kunst umgeben zu sein. E. U.