Der Kinematograph (September 1925)

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Seite 28 Nummer 971 ihre liebevolle Darstellung ein jede: weinen macht und läßt sie besser verstehen die Größe der mütterlichen Liebe. Das Szenario versteht unter einem gut abge¬ paßten (t) Drama das schönste und beste Glück.'* (!!) Oder, bezüg ich Albertinis „Teufelsfclsen": ,,Eine weich¬ herzige Liebesgeschichte inmitten eines großen Akro¬ batenfilms ohne Furcht.** Neben ccm in Superlativen schwelgenden bombastischen Anzeigenstil macht sich oft auch die Sucht nach grotesken, an Schundromane er¬ innernden Titelüberschriften geltend, auf die hier weiter nicht cingegangen sei. Die Straßburger Kinos machen sich eine arge Kon¬ kurrenz, und da heißt es, den Film richtig aufziehen, will man die größtmögliche Zahl von Besuchern anlocken. In dieser Beziehung ist gegen früher (d. i. gegen die ersten Jahre nach Waffenstillstand) schon ein merklicher Fort¬ schritt zu verzeichnen: unsere Theaterbesitzer haben wirklich etwas gelernt: Künstlerische Fassadenaus¬ schmückung. Lichtreklame, farbige Untermalung, gro߬ zügige Lancierung durch Annoncen, Flugblätter, Hinweise in Tagesblättern u. a. m. tragen dazu bei. die Programme schmackhaft zu machen. Das Publikum ist heute schon arg verwöhnt, namentlich in den größeren Städten, so daß man sich tatsächlich anstrengen muß, um es an sich zu ziehen und dauernd festzuhalten. Das Elsaß ist als Schauplatz von Filmhandlungen bisher noch nicht übermäßig stark herangezoger« worden (was angesichts seiner landschaftlichen Reize eigentlich ver¬ wunderlich ist!). Daß natürlich Filme nach Werken el- sässischer Autoren, wie z. B. Erckmann-Chatrians ..Rantzau" und „Freund Fritz \ im Elsaß gekurbelt wur¬ den, war eine Selbstverständlichkeit. Neuerdings ist auch ein gefühlvoller Spielfilm „L'Omiere" (Der Straßen¬ Die echten Typen Von Himasu Rai, dem Hauptdarsteller des Buddha- Films, wird uns geschrieben: Wenn D. W. Griffith in seinen Filmen spezielle Typen benötigt, wie z. B. alte Leute, häßlich oder abschreckend aussehend, so begibt er sich, wie es heißt, in die 9traßen und Spelunken New Yorks, Chicagos oder Philadelphias, um sich die betreffenden Typen nach Wahl auszusuchen. Er glaubt nicht an die Maskierungskunst und behauptet, daß die Verwendung eines jungen Schauspielers für die Rolle eines siebzigjährigen Mannes vollkommen unkünst¬ lerisch wirke. Dies st jedoch, vom bühnenkünstlerischen Standpunkt aus gesehen, ein strittiger Punkt, und ich denke, daß der größte Teil des Publikums mit Griffith nicht einig geht. Die ßühnenkunst ist eben in der Auf¬ machung und Maskierung zu suchen. Auf der Bühne wollen wir nicht gerne die wirklichen Typen, sondern wir möchten vielmehr die künstlerische Darstellung derselben sehen. Wir ziehen die Verkörperung einer alten Hexe durch ein junges, hübsches Mädchen einer Hexe, die sich selbst spielt, vor; denn das erste ist wirkliche, das letztere aber gar keine Kunst Wir benötigten die Dienste einer großen Anzahl Männer und Frauen, sämtlich alt und siech, darunter auch solcher, die an der Pestseuche erkrankt sind. Und anstatt Be¬ rufsschauspieler dafür zu nehmen, gingen wir hinaus auf die indischen Bazars, um die Typen auszuwählen. Es war allerdings ein sehr gewagtes Unternehmen, jedoch das Resultat war höchst befriedigend. Die alten Leute, die in diesem Film mitwirkten, sind wirklich alt, die abschrek- kend häßlichen alten Frauen und die an der Pestseuche erkrankten Männer, Frauen und Kinder spielten alle sich selbst. Wir waren über deren schauspielerische Fähig¬ keiten auf das äußerste erstaunt. Ein Berufsschauspieler graben) im oberelsässichen Kaysersberg gedreht worden, für den dann die elsässischen Theaterdirektoren die etwas geschraubten Titel „Vom Elsässischen Bauernmädchen zum Pariser Straßenmädchen" bzw. „Elsässer Dienstmäd¬ chen und Pariser Apache" zu finden wußten. — Paris im Titel ist überhaupt ein Steckenpferd für die annoncieren¬ den Theater geworden, selbst dann, wenn die Metropole in der Handlung selber kaum zur Geltung kommt. Daß daneben alle in Paris spielenden Drehbücher ihres ständi¬ gen Erfolges auf elsassicht n Bildbühnen sicher sein dür¬ fen, ist bei der Sehnsucht der breiten Massen, Paris wenigstens im lebenden Bild kennen? u lernen, ohne weiteres verständlich, daher Paris-Filme wahre Schlager für die hiesigen Kinos geworden sind. Die Tagespresse, durch reichliche Annoncen geehrt, hat es sich angelegen sein lassen, das Filmbedürfnis des Publikums auch mit ihren materiellen Interessen zu ver¬ binden. So kam es, daß zwei bedeutende Straßburger Organe, die „Straßhurder Neuesten Nachrichten" (in bei¬ den Sprachen) und das „Journal d'Alsace et de Lorraine" seit geraumer Zeit eine allwöchentlich erscheinende Film- Sonderbeilage herausgeben, die gleichzeitig die laufenden Programme der größeren elsässischen Kinos bespricht und daneben auf Kommendes hinweist. Eine Mulhauser illustrierte Wochenschrift „Le Mulhouse IUustre", enthält jeweils eine große, gutredigierte Filnrubnk. Zweifellos werden noch andere Zeitungen und Zeitschriften dieses Beispiel nachahmen. Im übrigen tragen die im Land weit¬ verbreiteten, vielgelesenen populären Filmzeitschriften Irnerfrankreichs dazu bei, das Verständnis des Publikums für alles, was mit dem Kino irgendwie zusammenhängt, aufrechtzuerhalten. Max Iwan. im Buddha-Film weiß nicht und kann es auch nicht nachfühlen, was es bedeutet, vom Aussatz betroffen zu sein, und kein Künst¬ ler, ist solcher auch noch so berühmt, kann sich in die Gefühle eines an einer lebenslänglich unheilbaren Krank¬ heit leidenden Menschen hineinleben. Für un. galt es aber, echte Typen für den Film zu ge¬ winnen. ein Film, der Erfolg zeitigen soll, muß Echtheit in sich bergen. Der Zweck dieses Filmes war, die Natur selbt zu reproduzieren und zwar das Leben mit dessen nackter Häßi.chkeit und idealer Schönheit. Der Film soll nicht allein den die Seele beein¬ flussenden Idealismus, sondern auch die Tiefen der menschlichen Gesellschaft zeigen. !m Buddhafilm gaben wir uns die Mühe, den Kontrast von Schönheit und Hä߬ lichkeit zu schildern. Eines Abends begaben wir uns in ein abgelegenes Dorf, um drei Männer auszusuchen, die die Rolle der Traum¬ deuter zu Übernehmer, hätten. Als wir jedoch in die Hütte der Traumdeuter gelangten, war niemand zugegen. In der Nähe befand sich in einer Tonschale ein verlöschen¬ des Feuer, um das heru^i einige Schädel und Gebeine lagen. Die ganze Umgebung war geradezu unheimlich, und als wir diese menschlichen Schädel und Gebeine sahen, dachten wir unwillkürlich an Geistergeschichten. Um die Zeit zu vertreiben, fingen wir an, über den Spiritismus zu debattieren, als sich plötzlich der Hütte die eigentümliche Gestalt eines Mannes, mit lang herabhängendem Haar und mit einem komischen, fast Furcht einflößenden Gesicht, näherte. Seine Erscheinung ließ uns erschauern, und für einen Augenblick blieben wir wie angewurzelt stehen. Jedoch er begann sich für sein Ausbleiben zu entschul¬ digen. und jener vermeintliche Geist war der Traumdeuter, wegen dem wir sechs Meilen reisen mußten.