We use Optical Character Recognition (OCR) during our scanning and processing workflow to make the content of each page searchable. You can view the automatically generated text below as well as copy and paste individual pieces of text to quote in your own work.
Text recognition is never 100% accurate. Many parts of the scanned page may not be reflected in the OCR text output, including: images, page layout, certain fonts or handwriting.
Seite 8 Rmcmotograpf) Nummer 101 aber seine Freude an dem so schön gelungenen Film nicht im mindesten trübt. In diesem Ausspruch kann man den schönen Idealismus Lehars erkennen, der. unbeeinflußt von materiellen Interessen, stets njr für die Kunst und in der Kunst lebt! Herr Lehar weiß von seinem Berliner Aufenthalt her sehr viel Lobendes über die Wertschätzung der Filmkunst seitens des Berliner Publikums zu erzählen, die sich in der Art, wie man dort, z. B. in dem prächtigen Ufa- Palast. Premieren herausbringt, ausdrückt. Was das Filmorchester speziell in der deutschen Haupt¬ stadt anbelangt, spendet Herr Lehar ganz besonders der hohen Musikalität Ernö Rapees. den er dort zu hören Gelegenheit hatte, warme Beifallsworte. Die Musik¬ produktionen dieses Künstlers haben sich stets sehr ge¬ schmackvoll und geistreich dem zu begleitenden Film angeschmiegt. Lehar freut sich sehr über den Erfolg seines „Paganini" in Berlin und glaubt, daß diese jüngste seiner Operetten ganz ge¬ wiß große filmische Mög¬ lichkeiten geben würde, obzwar es ja bereits einen Film mit „Paganini' als Titelhelden gegeben hätte, bei welchem er die „meisterhafte Kunst Kon- rad Veidts" bewundern konnte. Die Hauptfigur seiner Operette sei aber nicht die düstere, ge¬ spenstische Gestalt des Veidtschen „Paganini", sondern der abenteuer¬ lustige Künstler, der |a der große Virtuose auch war. der Fraueneroberer, von dessen romantischem Le¬ hensgang, der voll von Liebesaffären war, die Historiker bis heute noch nicht den letzten Schleier ge¬ hoben haben. So könnte dieser interessante Geiger dem Publikum im Film von einer ganz anderen, neuen Seite als in dem bereits existierenden, gezeigt werden, dessen düsterer Stoff das Publikum in einer unerfreulichen Stim¬ mung entließ. — Jüngst fuhr hier Seine Majestät Kaiser Franz Josef, begleitet von seinem Flügeladjutantcn Graf Paar durch die Mariahilferstraße. Die Hofcquipagc, die mit zwei stolzen Lippizancrhcngsten bespannt war lenkte sein lang jähriger Leibkutschcr, der siebzigjährige Josef Walter. — mit allen seinen Auszeichnungen behängen — in seiner Paradelivree. Das Volk, das die gewohnte Erscheinung des greisen Kaisers erblickt hatte, lief herbei, bildete Spalier, stand stramm und salutierte, die leutseligen Grüße Franz Josefs mit erfreuter Anhänglichkeit erwidernd. Es stand wie im Traum da und glaubte nicht anders, als daß der alte Kaiser durch irgendein Wunder wieder auferstanden war und seinen Wienern neu geschenkt wurde. Die freudige Erregung der Bevölkerung erreichte aber ihren Höhe¬ punkt, als Seine Majestät plötzlich halten ließ, herab¬ lassend grüßend, durch die Reihen seiner Getreuen zu dem Portal eines Schneiderladens schritt, wo er sich höchstselbst einen Knopf, der von seinem Uniformrock gesprungen war, annähen ließ. Beim Surren des bereitgestellten Aufnahmeapparates, bei welchem Gustav Ucicky seines Amtes waltete, ward cs aber erst den Zuschauern klar, daß cs sich nur um eine Filmaufnahme handle, die die Berliner „Domo-Film- gesellschaft" mit Spira als Kaiser Franz Josef und Jensen als Graf Paar hier vornehmen ließ. Nur die Equipage, die Lippizaner, die Livree und der — alte Kutscher waren echt. Der vom Bock enthronte, arme Seppl Walter aber konnte sich, in der Erinnerung an die einstige Herrlich keit, wohl kaum einer schmerzlichen Wehmut erwehren. Die Herablassung aber, mit der sich Kaiser Franz Josef von einem schlichten Schneider der Mariahilferstraße den Uniformknopf annäben ließ, war eine Improvisation Re¬ gisseur Wilhelms, dir angesichts der überraschend heiz- lichen Anteilnahme seitens der bevölkerung in einem plötzlichen Regieeinfall diese Szene cinlcgtc. Oder war es doch kein Traum? Aus der Hofburg mar¬ schiert ja mit klingendem Spiel die Burgmusik, ge¬ folgt von den Deutsch¬ meistern in ihren, ach, so populären Uniformen. Sie ziehen über die Ringstraße und marschieren in ihre Kaserne ein. Das Volk jubelt ihnen zu und ruft bewegt: „ßleibt's gleich so ar.'zog'n, es wird ja eh bald wieder amal so kom¬ men!" Aber beim Drehen gehfs cafür lustig zu. Bei einem Standei werden für die behalten worden sind. Sträußeln 'erkauft. Wachmänner ir der wohlbekannten ehe¬ maligen Uniform sorger für die „Aufrechterhaltung der Ordnung". Ein glücklicher Vater empfängt seinen Sohn aus Freude darüber, daß fer tauglich befunden worden ist, mit einem schallenden Kuß und führt ihn stolz zu einem hlumcngeschmückten, feschen Zeugei, das sie beide in den Nobelprater bringen soll. Ist das auch nur eine Halluzination? Mitten im frohen Trubel erschallt mit Stentorstimme das Kommando: „Auf- naaaahmeü!" Es ist Rudolf Walter - Fein, der beim Drehen eine Szene zu dem Film kurbelt: „Wien, wie cs weint und lacht!“ Der Beschwerde der „Österreichischen Arbeiterhilfe" an den Verwaltungsgerichtshof, betreffs des Verbotes des Films „Sein Mahnruf" in Niederösterreich, sowie des Jugendverbotes für den Film „Die Wunde des Soldaten Iwan" ist nun stattgegebe:i worden. Unter dem Vorsitze des Vizepräsidenten, Hofrat Menzel, hat der Verfassungsgerichtshof am 26. Juni I. J. Ausge¬ sprochen: „daß im Sinne des Beschlusses der National¬ versammlung vom 30. Oktober 1918. welcher nqch § 149 Bundesgesetz geworden ist, jede Zensur, daher auch die Kinozensur, aufgehoben ist. Der Bescheid der n. ö. Lan¬ desregierung, durch den die Vorführung des Films ver¬ boten und von dem Gutachten der Zensurkommission ge¬ sprochen wird, stellt daher eine Verletzung des ver¬ fassungsmäßigen Gesetzes der Zensurfreiheit dar." Diese Entscheidung hat für das österreichische Kino¬ wesen eine große Bedeutung, insbesondere für einige Pa¬ ragraphen des neuen Kinogesetzes, Filmverbote und Jugendverbote anlangend, gegen die, gestützt auf diese Entscheidung, ein erfolgversprechender Einspruch wird erhoben werden können. HAROLD LLOYD und JOBINA RALSTON in „The Frc*hm*n“. Phot. Paramount.