Der Kinematograph (February 1928)

Record Details:

Something wrong or inaccurate about this page? Let us Know!

Thanks for helping us continually improve the quality of the Lantern search engine for all of our users! We have millions of scanned pages, so user reports are incredibly helpful for us to identify places where we can improve and update the metadata.

Please describe the issue below, and click "Submit" to send your comments to our team! If you'd prefer, you can also send us an email to mhdl@commarts.wisc.edu with your comments.




We use Optical Character Recognition (OCR) during our scanning and processing workflow to make the content of each page searchable. You can view the automatically generated text below as well as copy and paste individual pieces of text to quote in your own work.

Text recognition is never 100% accurate. Many parts of the scanned page may not be reflected in the OCR text output, including: images, page layout, certain fonts or handwriting.

Seite 8 Nummer 1095 man alle einheitlich mit dem gleichen Steuersatz belegen. Alle bieten ..Lustbarkeiten ", die dem Kunstgenuß nder der seelischen Entspannung und Erholung dienen. Wer ein Theater betreibt, will ebenso verdienen .vie der Unter¬ nehmer eines Varietes, eines Zirkusses nur eines Licht¬ spieltheaters. Vom Standpunkt des Un ernehtr.ers aus gesehen, sind alle Unternehmer von Lustbarkeilsbetricben Konkurrenten. Man sollte nicht durch verschiedenartige Verteilung von Steuern den einen Betrieb ungünstiger stellen als den anderen. Alle L'nternehmun <cn dieser Art haben das gleiche Recht auf einheitliche Besteuerung. Das wäre die allein gerechte Bosteueruig. wenn man sich nicht entschlicUen kann, die Lustbarkei ssteuern über¬ haupt zu beseitigen. Staattheater und Stadtopern werden häufig vom Staat und von den Städ¬ ten subventioniert Die subventionier¬ ten Theater sind durchweg für ge¬ meinnützig er¬ klärt. Sie zahlen keine Lustbar- kcitsstcuer. Die Filmindu¬ strie behauptet, daß die deut¬ schen Theater und Opern mit jähr¬ lich 60 Millionen Reichsmark sub¬ ventioniert wer¬ den. Diesen Thea- em schenkt man also nicht nur die Lustbarkeits¬ steuer. sondern man schenkt ihnen außerdem 60 Mil¬ lionen Subvention aus Steuermitteln. MARY AN In die deutschen «pull in io P»th Theater gehen nach der Behauptung der Filmindustrie jährlich nöchstens 15 bis 20 Millionen Besucher hinein. Sie sind also ein viel geringerer ßildungs- und Entspannungsfaktor für die brei¬ ten Massen; sic kommen vielmehr fast überall nur einer kleinen Oberschicht zugute. Sic geben höchstens eine Vor¬ stellung täglich und bleiben in den Sommermonaten meistens gänzlich geschlossen. Im Gegensatz dazu werden die Lichthildthcater von mehr als 3C0 Millionen Menschen jährlich besucht. Ihnen kommt also als Bildungs- und Entspannungsfaktor für die breiten Massen ganz erheblich bedeutendere W irkungs- und ßecinflussungsmöglichkeit zu. Die Filmtheater werden durchweg besteuert; kein einziges Filmtheater erhält eine Subvention. Die Theater werden minder besteuert; die gemeinnützigen Theater er¬ halten in ihrer Gesamtheit außer der Steuervergünstigung eine Subvention von insgesamt 60 Millionen Reichsmark. Darin liegt eine unerträgliche Benachteiligung der Film¬ theater. die für das kleine Volk das sind, was Opern und Sprechtheater für eine geringe Oberschicht bedeuten. Die Folgerung, die die Filmindustrie aus diesen Tat¬ sachen zieht ist die: Man streiche die Subvention der ge¬ meinnützigen Theater und lasse dafür die Lustbarkeits¬ steuer wegfallen. Da die Subvention 60 Millionen Reichs¬ mark pro Jahr und für das Reichsgebiet ausmacht, während der Ertrag der Lustbarkeitssteucr im Reich mit ,80 Millionen Reichsmark zu veranschlagen ist, erleidet das Reich keinen gar zu fühlbaren Schaden. Der not¬ leidenden Filmindustrie sei aber ebenso geholfen wie den übrigen Privattheatern. Zirkussen und Varietes. Der Vorschlag sieht sehr plausibel, er sicht sogar bei¬ nahe gerecht aus. Er ist es aber nicht. Wollte man diesem Vorschlag ernstlich nähertreten, so gäbe es in Deutsch¬ land kaum noch eine ständige Oper mit erschwinglichen Eintrittspreisen. Die anscheinende Gerechtigkeit würde höchste Ungerechtigkeit sein. Man würde für das Kultur¬ leben unentbehrliche Kulturstätten zerschlagen, wenn man z. B. die Opern sich selbst überlassen wollte. So uncinsichtigc und so kulturwidrigc Vorschläge sollte die Filmindustrie nicht machen Der Kampf der Film¬ industrie gegen die Lustbarkeitssteucr ist durchaus be¬ rechtigt. Er sollte mit guten Gründen, die reichlich vor¬ handen sind, geführt werden. Er sollte aber nicht zu einem Kampfe ge¬ gen andere Kon¬ kurrenten ausar¬ ten. die |a schlie߬ lich denselben ge rechten Kampf gegen die Lust¬ barkeitssteuer fün- ren. Die Film¬ industrie meint, das Theater habe in weitem Um¬ fange seine Be¬ deutung als Bil¬ dungs- und Erho¬ lungsstätte verlo- Kritik der Dar¬ stellung, beson¬ ders an den klei¬ nen Bühnen, und der Auswahl der Stücke soll hier ganz abgesehen werden. Zu letz- N JACKSON ‘crem ist abcr c-Komndica der Ula ein Blick in den I nseratcnteil über¬ aus belehrend. Schon allein die Preise, selbst an den so¬ genannten gemeinnützigen Bühnen, erlauben nur einer kleinen Oberschicht den Besuch. Die künstlerischen Be¬ dürfnisse der breiten Massen werden längst von den Licht¬ spieltheatern erfüllt, deren Besucherzahl die der Bühnen um etwa das Zwanzigfachc übersteigt Die städti¬ schen Theater dahingegen, gleichgültig, ob sic künst¬ lerisch Hochstehendes bieten oder französische Siitcn- stiieke oder Klassiker in sensationeller Aufmachung zur Darstellung bringen, sind nicF.t nur steuerfrei, sondern er¬ halten auch noch Subventionen in Höhe von jährlich 60 Millionen Reichsmark. Eine solche Kritik, die über das Berechtigte weit hinaus geht, fordert unnötig dazu heraus, Werturteile über das abzugeben, was in den Film¬ theatern vor sich geht. Filmindustrie. Theater, Variete und Zirkusse bieten im allgemeinen, was dem Kunstgenuß, der seelischen Er¬ holung und Entspannung dient. Alle Kategorien haben einen gemeinsamen Anspruch darauf, sobald es angeht, von der Lustbarkeitssteuer freizukommen, die tatsächlich eine Sonderbelastung dieser Gewerbe ist. Gemeinsam haben sie den Anspruch und sollten sie den Anspruch er¬ heben. gleichmäßig mit einem geringeren Steuersatz, als er bisher erhoben wird, bedacht zu werden, solange es die angespannten Finanzverhältnisse der Gemeinden noch nicht gestatten, die Lustbarkeitssteuer in den deutschen Gemeinden abzuschaffen.