We use Optical Character Recognition (OCR) during our scanning and processing workflow to make the content of each page searchable. You can view the automatically generated text below as well as copy and paste individual pieces of text to quote in your own work.
Text recognition is never 100% accurate. Many parts of the scanned page may not be reflected in the OCR text output, including: images, page layout, certain fonts or handwriting.
Seite 20 yfrremQtogtflpQ Nummer 1135 „entfesselten Kamera"), wie etwa aus der Großaufnahme umgekehrt eine Nahaufnahme werden kann. Ebensooft geht heute auch die Nahaufnahme in eine Gesamtaufnahme über, oder aus der Großaufnahme geht die Einstellung zurück in die nähere Aufnahme oder (wie der Wiener sagt) in den „Sekundärplan' : als Erweiterung des „Premierplan"! Kurzum, in der Prixis verschwimmen die drei Gruppen ineinander, theoretisch bleiben sie nach wie vor bestehen. Eine Untersuchung der Schematas und ihrer Abarten bringt uns nun die verschiedenen .Methoden des Film¬ schnittes näher. Nehmen wir eine Länge von 26 Meter, sagen wir eine Szene aus Lubitschs ,,Flamme": Die Dirne ordnet den Tisch, weil sie den Geliebten er¬ wartet und er nicht merken soll, daß sie eine Straßen¬ dirne ist. Das Schema zeigt aus der Gesamteinstellung (auch Totale genannt) 4 Meter, in denen Pola Negri erregt den Tisch und die Bilder an der Wand ordnet oder wegnimmt, um sie zu verstecken, darauf 3 Meter, in denen man sie näher sieht, also genau ihre Erregtheit erkennt. Da sie jetzt ein Geräusch hört und herumfährt, ob es der Ge¬ liebte ist, kommt eine 8 Meter lange Großaufnahme, in der Pola aufgeregt zur Türe sieht und enttäuscht sich wieder zum Tisch herumdreht. Es folgt eine Nahauf¬ nahme von 6 Meter, in der sie den Tisch weiter deckt, die Blumen in der Vase ordnet und w'ieder zur Türe herumfährt, weil jetzt deutlich Tritte zu hören waren, dann mit einem Jubelschrei vorläuft, noch einmal vor freudigem Schreck zögert und dann zur Tire stürzt. Nun folgt 5 Meter Gesamtaufnahme des Zinuners, wie sie die Türe öffnet und gerade zu ihrer grenzenlosen Ent¬ täuschung ein Fremder vorbeigeh'. Wir beobachteten also eine Kurve, die von der Gesamtaufnahme über Nah- zur Großaufnahme und zurück ging. Dieses ist das Grundschema des Filmschnit¬ tes. Die 26 Meter werden im Atelier nicht alle wirklich gedreht, sondern nur die Ge¬ samteinstellung. manchmal auch sie nur teilweise. Sparsamkeitsgründen. Nur bei den heute modernen sprechenden Filmen dreht man die Gesamtaufnahme ge¬ wissermaßen als Gerüst ganz durch, da die anderen Sze¬ nen ja wegen der Musikauf- zeichniingen haargenau pas¬ sen müssen. In dcj- Praxis der Spielfilme werden also etwa von der Nahaufnahme 4 bis 5 .Meter gedreht, von der Großaufnahme 12 bis 15 .Meter (heute macht man allerdings die Großaufnahmen nicht mehr gar so lang, wie Lubitsch sie drehen ließ), so daß man sie dementsprechend kürzer schneiden muß, ehe man sie zusammenklebt. Da¬ neben existiert noch eine Erweiterung des Grund¬ schemas; man sieht neben der Großaufnahme einen zweiten Streifen laufen, der logischerweise ein anderes Bild trägt, nämlich das eines Mannes, der die Stufen empor¬ steigt. Dieses kurze Bild von 2 Meter erscheint, kurz be¬ vor Pola sich umdreht, da sie Schritte hörte, ihm folgt dann 2 Meter Nahaufnahme, wo Pola freudig zur Türe eilt, um den Geliebten zu empfangen und ihre Ent¬ täuschung auf 5 Meter Gesamtaufnahme. Hier sahen wir also ein fremdes Bild einspringen, das gleichzeitig spielte; man findet es oft, wenn ein Klingelzeichen, ein vorüber¬ fahrendes Auto, ein in den Briefkasten fallender Brief usw. usw. gezeigt werden soll. Weiter ausgebaut findet man diese kurzen Zwischencufnahmen. z. B. bei Verfol¬ gungen: in längeren Bildern der Räuber erscheint kurz ein Bild der Rächer, die ihnen nachjagen, oder z. B. ein Mädchen wird bedrängt und der zu Hilfe eilende Bruder erscheint kurz dazwischen, wie er den Eingang zum ver¬ riegelten Haus sucht. Durch Übergänge verlängern sich häufig diese kurzen Szenen, und dafür werden die ersten Szenen ganz kurz. Man sieht etwa ein Gesamtbild von 4 Meter, in der ein junges Mädchen vor einem Spiegel steht und sich zur Trauung schmückt, dann 2 Meter Nahaufnahme, wo ihr Bräutigam blutend hereinstürmt, sich zu ihren Füßen niederwirft, darauf 5 Meter Näher (zwischen Nah und Groß!), nochmals 3 Meter Nah und wieder 6 Meter Ge¬ samt. wo sic instinktiv die Türen schließt, damit kein Zeuge kommen kann. Daneben aber sicht man eine 20 Meter lange Großa jfnahme des Mädchens, die diese Vision erlebt, bemerkt in der Vision also selber keine Großautnahme. Ob nun die technische Ausführung durch Doppelbelichtung oder Doppelkopieren erfolgt, tut hier nichts zur Sache, jedenfalls sahen wir eine Großaufnahme zusammen mit einer Szene, die zu anderer Zeit und an anderem Orte spielte, nämlich die Vision davon. Von dieser Methode gibt es eine Abart, die nämlich die Vision zwischen die Großaufnahme klebt, dafür aber die Vision als solche durch weiche, verschwommene Photo¬ graphie oder auch Schleicrvorsetzer kenntlich macht. Aus diesen drei Schemata ist be¬ reits ein ganzer Film zusam- menzuscizen, zu „schneiden", alles übrige zeigt sich als Variante eines dieser drei Schnittmethoden. Selbstver¬ ständlich kommt es sehr auf die Länge der einzelnen Szenen an. Im guten Film sind sie gerade so lang, daß verstanden werden, nicht einen Zentimeter länger! In ihrer Beziehung zum Drehbuch bestehen in ver¬ schiedenen Filmmetropolcn sehr entscheidende Unter¬ schiede. Während in Ru߬ land jede Szene im Drehbuch, dem sog ,,Stahlmanuskript", genau in Metern vorgeschrie- ben ist (also die meisten Übergänge auch vom Kamera¬ mann schon überblendet wer¬ den können, statt zu schnei¬ den!), kennt man in Deutsch¬ land, Frankreich und Ame¬ rika diese Begrenzung nicht. Schon vor längerer Zeit habe ich im Idealdreh¬ buch diese Längenangabe ge¬ fordert, aber die Regisseure vor allem wollten sich nicht in ihrer halbgottähnlichen Stellung beschneiden lassen, wollten nicht nur „Übersetzer" sein, sondern Selbstschöpfer. KINOMASCHINE TRIUNPHATOR > «rsatzl Vorderblend« hiihR d Meuertig« Filmlü Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft