Der Kinematograph (December 1928)

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Seite 20 Kintmaiogtoplt Nummer 1198 99 serem A. D. - Berichterstatter in Kalkutta. an wird in Deutschland wissen, daß Mr. B. Madan aus Kalkutta augenblicklich in London weilt, wohin er direkt von Amerika reiste. Er wird dort alle festen Abmachungen vornehmen, die die Madanschen Theater in Indien zum Besitzer der „Vitaphone" und ,,Movietone" Systeme ernennen. Diese Neuerungen werden im Januar 1929 in voller Tätigkeit in ganz Indien treten. Die „Kriegsangelegc -theit' ‘ ist in dieser Weise definitiv festgclegt worden: Mr. Frank Chamberlain kam aus Amerika hierher, einerseits um alle „falschen" Gerüchte aufzuklären, andrerse ts um — recht flott in Amerikas Interesse zu arbei¬ ten und die ein- ____ zelnen Büros ein¬ zurichten. Das Hauptge¬ schäft in ganz In¬ dien macht die Metro-Goldwyn - Corporation, de¬ ren „Ben Hur" noch heute zieht. Mr. Chamberlain betonte ausdrück lieh, daß seine Gesellschaft kei¬ neswegs die Ab¬ sicht hat, das in¬ dische Filmwesen an sich zu reißen. Wiederum ist eia Verbot der Vorführung eines Films erlassen worden. Es ist dies der Film „Broken Barriers", ein Me- wolfgang zilzer der kinl tro - Goldwyn - LISSIARNAin. Lcmket . Mayer-Film! Das Komitee der „Bengal Presidency" erklärte den Film als „so niedrig in der Moral", daß er dem großen Publikum nicht vorgeführt werden darf. Indiens Zensur ist heute die strengste der Welt. Weiter hat der „Director of the Calcutta School of Trop.cal Medicine", gestützt auf den „Cinema-Akt" von 1918, die Bedingung erwirkt, daß alle Filme, die hygienisch- aufklärend wirken, kostenfrei dem Publikum vorgeführt werden müssen. Darüber herrscht in indischen Fachkreisen hellste Entrüstung! Solche Filme wurden immer als Bei¬ programm an Stelle der Wochenschau gebracht. Dem Gesetz zufolge aber sollen Kinobesucher zu diesem Film freien Eintritt haben; sie müssen allerdings das Lokal ver¬ lassen, sobald der „weltliche Film" beginnt. Wie soll ein Theater sich damit abgeben, die angeblich volksbildenden Filme zu spielen und dann das Parkett zu räumen! Noch dazu in Indien! Das gäbe Störungen, solch ein Geschimpfe und solch einen Skandal, daß an¬ ständige Menschen überhaupt nicht mehr ins Kino gehen würden! — Die Regierung beschloß daher, daß jedes Kino freie Nachmittage oder Abende bringen müsse, an denen diese hygienischen Filme gänzlich kostenfrei, ohne Zugabe eines weiteren Films, geboten werden müssen. Welches Kinotheater wird darauf eingehen? Das wäre idealer Selbstmord! Soeben erhalte ich auch die Kunde, daß ein weiterer Film mit dem Namen „Pan Ching-Lien, der Vampir", in der ganzen Provinz Pujab verboten wurde, weil er das Gefühl der Mohammedaner verletzen muß. Er darf in Bengalen gebracht werden, wo man mit einer rein hinduisti- schen Bevölkerung rechnen kann; der Punjab aber ist ganz mohammedanisch. — Das wird dem Europäer zeigen, wie schwer das Verleihen von Filmen in Indien ist. wo die Religionen ausschlaggebend sind. Die Regierung hat mehr auf religiöse Dinge zu sehen als auf sittliche oder poli¬ tische, denn in Indien ist die Politik der Eingeborenen eben die jeweilige Religion. In den entlegenen Provinzen, in denen die Theater¬ besitzer das Monopol haben, sind ein paar unlautere Ele¬ mente am Werk, um Dinge zu be¬ treiben, die man nicht anders als Bauernfängerei nennen kann. Man wagt es nämlich, alte abgespielte Filme unter neuem Titel laufen zu lassen. Das große Pu¬ blikum hat die Ge¬ legenheit benutzt, einen abscheuli¬ chen „Trick" die¬ ses Kinos an die große Glocke zu hängen! Das Vor¬ kommnis kann nur Schwindel ge¬ nannt werden! So z. B. wurde ein Film sehr lange und überall ge- ch einen Autounfall erlitt, mit bracht, bis keine e I. Witwe" Phot. Satim.al-U arnrr Zuschauer mehr kamen. Sagen wir. der Titel war: „Liebe ohne Geld". — Nach vier Monaten annoncierte man einen anderen Film, betitelt: „Macht Reichtum glücklich?" — Man strömte herbei, und siehe da — es war der zuerst genannte Film unter neuem Namen! Große Entrüstung der Besucher, aber die meisten hatten eben das Kino besucht und dessen Kasse gefüllt. Dann wartete man 5 bis 7 Monate, und nun erschien ein Film „Die schöne Enttäuschte". — Man rannte ins Kitlo — und dieser Film war derselbe wie die zwei vorher genannten! Solch eine Unverschämtheit ist zugleich dumm 1 Lukrativ aber muß sie sein, denn ich sah verschiedene Harold Lloyd-Filme und Jackie Coogan-Filme, die ich alle schon unter ganz anderem Titel gesehen hatte. Die Kinos redeten sich damit aus, daß der erstere und auch der zweite Titel nicht so recht passend sei, deswegen hätten sie ihn verändert! Was ist dagegen in einem Land wie Indien zu machen? Man fällt eben rein! — Diesem Schwindel kommt der Umstand zu Hilfe, daß sehr rege Kinobesucher, die kunterbunt alles sehen wollen und wöchentlich mindestens fünfmal ein Kino besuchen, sich der Titel gar nicht mehr erinnern. Erkennt man dann das Stück sogleich, dann heißt es wohl: „Ach, wie schade, das habe ich schon ein- oder zweimal gesehen, ich er¬ innerte mich nicht mehr, wie der Film hieß!" — Man spricht eben nur von einem Film mit der Pickford, mit John Gilbert, Chaplin, Harold Lloyd, Fairbanks usw., aber nicht von dem Namen des Films.