Der Kinematograph (July 1929)

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Auflage : 4900 DAS FITESTE FILM-FACH BUBTT VERLAG SCHERL« BERLIN SW68 Berlin, den 9. Juli 1929 Der Kampf um das Würfelspiel Heute abend läuft itn Ti¬ tania-Palast ,,Das letzte Fort", ein Film, der nach schweren und harten Prüfun¬ gen an die Öffentlichkeit ge¬ langt Fünfmal haben Zensoren über ihn zu Gericht gesessen. Zweimal gab die Filmprüf- stellc ihr Votum ab und drei¬ mal mußte sich die oberste Instanz bemühen, und das alles - genau gesehen — wegen einer einzigen Würfel- Die Gesrhichte ist so in¬ teressant und prinzipiell nach verschiedener Richtung hin so beachtlich. daB man sie etwas genauer verlolgen muß ■m Oktober 1928 kam • Las letzte Fort ' zuerst zjr \ orlagt. Der Jugendliche, der an der Filmprüfung teil¬ nahm, erklärte nach dem Protokoll: ..Wenn ich auch wegen einer Szene gewisse Bedenken habe, so glaube ich doch nicht, daß der Bild¬ streifen den Jugendlichen schaden kann" Der Film werde genehmigt, aber für Jugendliche verboten. Damit waren zwei Beisitzer nicht einverstanden, die Be¬ sch» erde einlegten, weil sic der Meinung waren, daB ein derartiger Bildstreifen unbe¬ dingt für Jugendliche freige- geben werden müsse. Sie be- merkten, daß in dem Film bewußt die Sexualität so ernst und so mit wirklich künstlerischen Mitteln be¬ handelt sei, daß ihm eine Durchaus erzieherische Wir- kung innewohne. Sie waren der Ansicht. a B in dem Film eine heroi¬ sche männliche Lebensauf¬ lassung glorifiziert sei, und der künstlerische Grad leses Films, der Emst und die Delikatesse, mit der die bestellten Probleme behan- Exzellenz Bisi h Aus Koni kommt die Nach¬ richt, daB der Präsident der Lucc, der Abgeordnete Bisi, seine Demission cingcrcicht hat. die auch angenommen st. Der Grund dafür ist in der Verhaf¬ tung zweier Funktionäre des italienischen Filmivsti'uts zu Tonfilmpremiere Das Terra - Tonfi.m - Theater ..Mozartsaal ' lädt zur Frentiere von „Hochzeitsuiarsch" .;in. Es handelt sich um einen Parufamctfilm. den Erich von Stroheim inszenierte, mit Fay it demissionier! suchen, die der Wirischafts- minister veranlaßt ital. Es handelt sich um Verfehlungen beim Erwerb des neuen Ter¬ rains in der Via Casaliini, auf dem die geplante römische Film¬ stadt errichtet wird im Mozartsaal \Xray in der Hauptrolle. Die Vorführung geschieht auf We- slern-EIcktric Im Beiprogramm läuft ein Warner-Film „Hawaische Nächte". dclt würden, von so begrü¬ ßenswerter und nach¬ ahmungswürdiger Bedettung sei, daß die gemachten Ein- wändc in keinem Verhältnis zu der ethischen, moralischen und künstlerischen Qualität dieses Films ständen. Sie beantragten deswegen Nachprüfung bei der Obcr- prülstcllc und Freigabe des Bildes für Jugendliche. Die Folge war nicht nur die Aulrcchterhaltung des Jugendlichenverbots, sondern auch zwei Ausschnitte. Ein¬ mal eine Szene, wo ein Leut¬ nant die Wäsche eines Ge¬ fangenen „liebkost“, und zum anderen eine Würfelszcnc zwischcn zwei Soldaten, die durch das Los entscheiden wollen, wer eine Frau vor der Hinrichtung besitzen soll. Die Wäscheszene hätte man gern lallen lassen. Aber die Angelegenheit mit dem Würfeln schien Regisseur und Hersteller so entschei¬ dend, daß der Film ein zwei¬ tes Mal vor die Filmprüf- stellc gebracht wurde. Selbstverständlich wurde darauf aufmerksam gemacht, daß diese Szene von der Obcrprüfstelle schon einmal verboten war, aber genau so selbstverständlich gab die Filmprüfstelle diesen Teil des Bildstreifens zur öffent¬ lichen Vorführung frei. Daraufhin pflichtgemäß Beschwerde des Vorsitzen¬ den, wobei das Wort „pflichtgemäß" im Be- schwerdcantrag ausdrücklich erwähnt wurde. Erneutes Verbot der Film- oberprüfstelle, und zum drit¬ tenmal Genehmigung durch die erste Instanz, deren An¬ rufung schon deswegen noch einmal notwendig war. weil die Verleihfirma einige kleine Änderungen durchgcführf hatte. Selbstverständlich geneh¬ migte die zuständige Prüf¬ stelle die umstrittene Wiir- felszene, was erneute Be¬ schwerde des Vorsitzenden — selbstverständlich wieder pflichtgemäß — zur Folge hatte. Jetzt rollt also „Das letzte Fort" erneut vor der Ohcr- prüfstclle, und cs ergibt sich aus dem Protokoll, daß einer der Beisitzer vor die¬ ser höchsten Instanz sich an¬ scheinend stark für die Frei¬ gabe des Würfelspiels einge¬ setzt hat. Aber nun kommt das We¬ sentlich.- und Wichtige: Die Fi nroberprüfstclle, die zu¬ nächst ganz richtig feslstellt, da J es nach den gesetzlichen Vorschriften jedem Filmher¬ steller unbenommen sei. sei¬ ner- Film so oft zur Prüfung vorzulcgen, wie er es für richtig hält, erklärt wörtlich, daß cs mit der Würde und dem Ansehen der Prüfstelle nicht zu vereinbaren sei, Filmszenen, die zweimal ver¬ boten würden, beim dritten Mal zu erlauben. Gegen eine derartige Be¬ gründung muß man auf das nacndiücklichste und ener¬ gischste protestieren. Schlie߬ lich machen wir ja unsere Filire nicht zum Vergnügen und investieren in dem Bild- stre len ein erhebliches und großes Kapital. Wir haben also das Recht, für die Resultate unseres Schaffens so olt und so viel zu kämpfen, wie wir das für nütlzich und notwendig halten. Vergleiche mit dem Straf- und Zivilrecht, die in jener Entscheidung gezogen wer¬ den, erscheinen uns schon von Haus aus verkehrt, denn bei dem B. G. B. und bei dem Strafgesetzbuch handelt cs sich letzten Endes doch um Recht und Unrecht, um Ver¬ gehen oder Unterlassungen. Ganz abgesehen davon, daß wir bisher noch nicht gewußt haben, daß die Film- obcrprüfstelle eine gericht¬ liche Instanz ist, sondern vielmehr immc- der Meinung waren, es handele sich um eine Prüfstelle, die in vielen und wichtigen Fällen mehr nach dem Gefühl als nach festumrissenen Paragraphen entscheidet.