Der Kinematograph (February 1930)

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^ I VERLAG SCHERL* BERLIN SW68 lb*at ~ Berlin, den 11. Februar 1930 Herr Eisenstein überrascht uns Emelka-Biuff ohne Ende Selten hat ein russischer Film das, was er versprach, so gehalten, wie ..Die Gene¬ rallinie“. Man sprach davon, daß dieses Bild eine der größten Überraschungen sein würde. Ein neuer, starker Beweis für die genia'e Gestaltungskraft des größten Regisseurs der Welt. Wir sind wirklich über¬ rascht. Aber leider nur fünf¬ zigprozentig. V^eil die Über¬ raschung in einer riesen¬ großen Enttäuschung bestand. Was hier abrollt, ist eine glänzend photographierte, gut gesehene propagandisti¬ sche Naturaufnahme. Ein Film, der uns in Deutschland, wenn wir nicht jeden Moskauer Film von Haus aus als Evangelium be¬ trachten. vollständig kalt¬ läßt. Zunächst wirkt die Einlei¬ tung auf uns abstoßend, ist für uns absolut uninteressant und verfehlt auch in Deutsch¬ land jede propagandistische Wirkung. Die Zeiten, wie sie dort in der Einleitung geschildert werden, sind in Deutschland längst vorüber. Unsere Bau¬ ern wohnen in Häusern aus Stein. Sie benutzen Maschi¬ nen, solange es überhaupt Maschinen gibt. Haben ihre Genossenschaft. Arbeiten mit Traktoren, in Molkereige- meinschaften. schon lange ehe man in Rußland über¬ haupt an Kommunismus und Revolution dachte. Deshalb sollte man die Vorführung dieses Films in ländlichen Gegenden nur för¬ dern und unterstützen. Man würde dann gerade dort zei¬ gen. wie wenig uns der Kom¬ munismus eigentlich zu ge¬ ben hat. und daß er in seinen vernünftigen Ideen nichts an¬ deres ist als eine Umsetzung aller sozialer Ideen, die in Deutschland längst vergessen sind, weil aus der Idee schon lange Praxis geworden ist. Sieht man von ein paar Szenen ab, die durch die Bildgestältung interessieren, bleibt Durchschnitt, den heute auch der kleinste Lchrfilm- hersteller schon lange be¬ herrscht. Wir sind sogar überzeugt, daß man bei uns ein derarti¬ ges Problem ganz anders an¬ gefaßt hätte. Sehen in dem Bild die Be¬ stätigung . der hier schon lange vertretenen These, daß sich die russische Gesin¬ nungsfabrikation von selbst totläuft und daß die herr¬ lichen Theorien, die man uns immer wieder auseinander¬ setzt. schöie Worte darstel¬ len. deren Verwirklichung und Realisierung noch in wei¬ ter Ferne schwebt. Wir bedauern das in die- rcm Fall aufrichtig, weil es zeigt, daß die russiche Film¬ politik schl.eßlich dazu führt, daß die großen Begabungen in einen geistigen Leerlauf geraten, der schließlich ihre Fähigkeiten ganz lahmlegt. Das ist nicht nur unsere Meinung, sondern fast aller, die den Film bei der Pre¬ miere sahen. Man vernahm zwar den Beifall der Abkommandicr- ten. Aber es herrschte doch nichts von der Begeisterung, wie sie beim ..Sturm über Asien” oder beim „Potem- kin" zu verzeichnen war. Man versteht jetzt, warum viele Uraufführungstheater diesen Film ablehnten. urd muß in vollem Umfang den Mut des Mozart-Saals aner¬ kennen. der einem berühmten Mann in dankenswerterweise Gelegenheit gehen wollte, seinen Film, den er iür groß hielt, der breiten Öffentlich¬ keit vorzuführen. Dr. Becce schrieb eine aus¬ gezeichnete Musik zu diesem Film, der vielleicht aktuell gewesen wäre, wenn man ihn acht Tage vorher als Er¬ öffnungsbild der Grünen Woche gezeigt hätte.