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- -r VERLAG SCHERL * BERLIN S W 68 Wh 24. Jahrgang Berlin, den 31. Mirz 1930 Nummer 76 Schrei nach der Qualität WILLIAM C. DE MILLE bei einer Vorlesung im Seminer lür K in e m ■ < o »r a ph i. nn der Uaieersity of Sontbern, Knlilornien Der deutsche Tonfilm hat in einem glücklichen Anlauf in einzelnen seiner Erschei¬ nungen einen unerwarteten, glänzenden Qualitäts-Stan¬ dard erreicht, der vom Aus¬ land nicht mehr zu über¬ bieten ist. Wer den neuen Jannings- film bereits gesehen hat, stellte fest, daß hier ge¬ schäftliche Zugkraft, künstle¬ rische Vollendung in Spiel und Technik sich in einem so hohen Maße vereinigen, wie wir das selbst in ausländi¬ schen Filmen kaum gesehen und kaum geahnt haben. Gleichzeitig aber muß mit aller Deutlichkeit und Ehr¬ lichkeit auf eine Tonfilm¬ erscheinung hingewiesen wer¬ den, die angetan ist, das glänzende Tonfilmgeschäft erheblich zu erschüttern und zu beschränken. Es laufen zur Zeit in Ber¬ lin und liefen ein paar Filme, die im Augenblick noch ihre Anziehungskraft bewahren und bewähren, die man aber unter gar keinen Umständen als richtunggebend für die Zukunft ansehen darf. Da erzählt man stolz von einem tönenden Bild, das in zwölf oder dreizehn Tagen hergestellt sei. Von anderen Schlagern hört man freudestrahlend, daß sie mit dreihunderttau¬ send Mark gemacht worden sind. Man erzählt das nicht etwa ®ur im engsten Kreis, son¬ dern die Spatzen der Fried¬ richstraße und rund um die Gedächtniskirche pfeifen diese Tatsache von den Dächern. Wundert sich da jemand, wenn die Theaterbesitzer er¬ klären, daß sie für derartige Filme keine 40 oder 35 Pro¬ zent zahlen wollen. Kann man es einem Thea¬ terleiter verdenken, wenn er für Filme, die nicht viel mehr gekostet haben wie die frühe¬ ren stummen Bilder, auch keine höhere Leihmiete be¬ willigen möchte? Die Leidtragenden sind zu¬ nächst die Firmen, die Quali¬ tät fabrizieren. Die fünfhun¬ derttausend Mark und mehr in ein tönendes Bild hinein- stecken, das von vornherein in erster Linie auf Deutsch¬ land gestellt ist. Sie müssen die höhere Leihgebühr haben, weil sie hohe Beträge in¬ vestieren. Die Schnellfabrikanten und Improvisatoren aber graben dem deutschen Filmverleih erneut das Grab, in das uns der stumme Film schon zu 75 oder 80 Prozent hinein¬ gebracht hatte. Ein Telegramm aus Lon¬ don, auch wenn es von einem großen prominenten Theater¬ besitzer stammt, macht noch keinen Erfolg in Deutsch¬ land. Und ein Geschäft im Westen Berlins ist bestimmt noch nicht ausschlaggebend für das übrige Deutschland. Es gibt Momente, die viel¬ leicht in einem Schauspieler, vielleicht in einem ganz be¬ stimmten Sujet liegen, die sich in Berlin hundertmal so stark auswirken wie in der Überall entscheidet, selbst' wenn am Kurfürstendamm einmal ein Film abgelehnt wird, die Qualität, der Wert des Sujets, die Ausstattung und die Leistung der Schau¬ spieler. Das alles zusammen kann man aber nur bei ruhiger, systematischer, wohlüberleg¬ ter Arbeit erreichen. Die. wie sich das in vielen Fällen ge¬ zeigt hat, meist auch den Er¬ folg bringt. Wir wollen im Augenblick davon absehen. Filme bei Namen zu nennen, müssen aber deswegen auch mit allem Nachdruck darauf hin- weisen. daß es auch unter den billigen Filmen einmal einen Treffer gibt, genau so, wie eine bünde Henne auch einmal ein Korn findet. Aber schließlich kann man eine Industrie, die von so vielen Mil ionen Menschen abhängig ist, wie das Kino, nicht auf das blinde Glück stellen. Wir müssen auf der einen Seite die Herstellung ratio¬ nalisieren, müssen überall sparen, wo wir sparen kön- Aber das geht nur bis zu einer ganz gewissen Grenze. Wir haben in einer Reihe von Filmen gesehen, daß Geld, das richtig in einen Film hin¬ eingesteckt ist, auch irgend¬ wo wieder herauskommt. Und wir sehen andererseits, daß wir die Höhe der Leihsätze nur erhalten können, wenn sich die Einnahmen der Theater steigern. Eines ohne das andere geht nicht und führt nur dazu, daß bald wieder die Zustände einreißen, die wir glücklich glaubten überwunden zu haben. Die nächste Zeit bringt uns eine ganze Reihe neuer Filme. Man wird dann sehen, wer von ihnen den Standard hält, der uns vom „Liebeswalzer" bis zum „Blauen Engel“ vor¬ gezeichnet ist. Nur diese Filme haben An¬ spruch auf die 40 Prozent, Während zweifellos kleinere Tonfilme sich auch mit klei¬ neren Preisen werden begnü¬ gen müssen.