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FILM FACH BUTT tS VERLAG SCHERL* BERLIN SW68 IC'» Berlin, den 2. Juni 193C Das Publikum gegen Experimente Im Berliner Theatcrleben sch. nt die Radaulust eines <ew 'Sen Teiles des Publi¬ kums, der sich in der letztep Zeit zurückhielt, wieder ge¬ wachsen zu sein. Die Szenen, welche sich bei der Auffüh- ni^.. des allerdings an sich nnbt deutenden Revuefilms »Paris” ereigneten, sind noch «nv.rgessen — und nun ist am Sonnabend der Lotte- Rein iger-Film ..Die Jagd ■ach dem Glück” zum Gegen- *tanJ eines Skandals gewor¬ den. der scharfe Zurückwei¬ sung fordert. Gleichzeitig er¬ lebte das Lcssingtheatcr mit der Pirandello-Premiere den frnülen Skandal seiner Ge- I schichte. 1 Von dem Reiniger-Film v »r an dieser Stelle gesagt worden, daß es ihm leider sicht gelangen sei, übeiw den Eindruck des interessanten Experiments hinwegzukom- ®*n. Aber „Caligari" war auch einmal ein Experiment, 0n d bei seiner Premiere *“ßte noch niemand, in wie froßern Maße dieser Film für Entwicklung der Licht- •Pielkunst entscheidend wer¬ den würde. Das ist zwar t0 ® dem Reiniger-Film nicht erwarten, denn er zeigt ^deutende Schwächen, und vorwiegend solche ^hnischer Art, die sich bei cm augenblicklichen Stande * tr Kinematographie hätten ** riCe 'den lassen. * u ch „Paris" war trotz ,|* ln cr Mißlungenheit ein ge- ■sses Experiment, nämlich ersuch, einen in eng- Sprache aufgcnommc- 7® Tonfilm dadurch zu ret- J*- daß man Dialoge nicht . 1 Summen. sondern nur Wt >se synchronisierte und teilweise durch Titel wieder- gab. In beiden Fällen hat das Publikum gezeigt, daß es für eine derartige Fassung des Tonfilms nicht zu haben ist. Das Publikum verlangt Stil¬ reinheit. Es verlangt einen Tonfilm, der von vornherein als ein solcher angelegt und als ein solcher vorgeführt wird. Dies sagt nichts gegen den Umstand, daß auch ein fremdsprachlicher Film als deutscher Tonfilm bei uns laufen kann. „Der große Gabbo", der sich erst lang¬ sam durchsetzt und dessen tonliche Untermalung außer¬ ordentlich geschickt nach¬ synchronisiert worden ist, beweist, daß unsere Zu¬ schauer auch Schlagertexte in englischer Sprache hin¬ nehmen, wenn diese nur als gewisse Einlagen erscheinen, während der Haupttcxl in englischer Sprache erscheint. Die „rhythmographische Nachschrift" des Reiniger- Films versagte vollkommen, und für die Musik von Theo Mackeb’n, die eine atonale und zum Teil hypermoderne Handschrift zeigt, besteht wenig Vorliebe. Die Zu¬ schauer wollen, wie diese Fälle beweisen, vielleicht das Experiment, aber sie wollen nur das geglückte Ex- Die Skandale sind der beste Beweis für diejenigen Kritiker, die von vornherein den Standpunkt vertreten haben, daß der deutsche Film im Augenblick sich Experi¬ mente nicht leisten könne. Denn niemand kann Voraus¬ sagen, wann ein Experiment glückt und wann es von den Zuschauern abgelchnt wird. Es ist kein Wunder, daß sich die sehr reiche amerika¬ nische Filmindustrie in jedem Jahr vielleicht ein Experi¬ ment leistet und das nur tun kann, weil ihre allgemeine Produktion so zugeschnitten ist. daß sie zu den Zu¬ schauern in aller Welt spre¬ chen kann, ohne an Voraus¬ setzungen geknüpft zu sein, die nur bei einem kleinen Teil des Publikums zutref¬ fen. Gewiß führt das Experi¬ ment weiter, aber es kann auch, wie in dem Falle Rei¬ niger, in eine Sackgasse füh¬ ren. Muß namentlich dann dahin führen, wenn die Mit¬ tel. die zur Verfügung stehen, nicht überreich, sondern be¬ schränkt sind. Gewisse Filmkritiker, cie von fachlicher Kenntnis nicht angekränkelt sind, verfangen von jedem deutschen Film, daß er ein Experiment sei. Nach Lage der Dinge ist das unmöglich. Die gcschi r c’l:hc Grundlage muß gewehrt wer¬ den, weil sich anders der Film als Industrie nicht ent¬ wickeln kann und weil die Theaterbesitzer keine Expe¬ rimentierbühne führe- Die Sprechbühne nimmt in den Spielplan des Abends auch nur Stücke, bei denen sich im allgemeinen Voraus¬ sagen läßt, daß sie den Zu¬ schauern in diesem oder jenem Sinne gefallen werden. Für die Experimente, für den Fortschritt, für junge, un- erprobte Talente gibt es die Studiobühne, die Matinee, mit der allerdings in der letzten Zeit sehr viel Schwin¬ del getrieben wurde. Der Experimentierfiim kann bei uns nur dann in die Erscheinung treten, sobald sich ihm ein Studio öffnet. Die deutsche Filmindustrie ist nach Lage der Dinge nicht im Stande. Experimente im großen aus sich heraus zu leisten. Aber wie sich der Staat zum Film verhält, sehen wir im Falle Emelka, wo er die anderswo geübte Gelegenheit, als Mäzen auf- zutretzn, nicht für notwendig hielt. r u ch guteKinomusiker finden Sie durch „Kleine Anzeigen" im, 1 Kinematograph“