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Piccadiliy - Snapshots Von unserem Londoner Korrespondenten. Immer noch dominiert in Eng¬ land die Einfuhr aus den Ver¬ einigten Staaten. Besonders er¬ folgreich ist nach wie vor Fox. Von dem sensationellen ..Big Trail" (..Der große Zug“) haben wir hier allerdings nur einen schwachen Abglanz zu sehen bekommen, denn dieser Film wurde ursprünglich als Weit¬ film aufgenommen. Die dop¬ pelte Breite des Filmstreifens entspricht auch ganz den Pro¬ duktions-Dimensionen: 2'i Mil¬ lionen Dollar Kosten, 90 Haupt¬ darsteller, einige tausend Fuhr¬ werke und vierbeinige Mitspie¬ lende. Es ist bemerkenswert, dal! weniger als ein Jahr nach der ersten ölfentlichen Vorfüh¬ rung der Breitfilm-Experimente durch William Fox in Holly¬ wood (am 1. März 1930 im Rah¬ men des Films „Happy Davs") schon ein ganzer Spielfilm in Breit-Format erscheint; aller¬ dings genau so wie für England eine verkleinerte Fassung auf Normalfilm gewählt werden mußte, so wird (mit Ausnahme weniger repräsentativer Thea¬ ter in den Vereinigten Staaten) die Masse der Lichtspielhäuser vorerst auch weiterhin dem Breitfilm verschlossen bleiben. Immerhin machte der Film auch in seiner Miniaturfassung einen großen Eindruck. Phantastisch sind auch die Dimensionen des überaus lusti¬ gen Fox-Films „Just Imaginc" („Stellen Sie sich einmal vor“), der im Jahre 1980 spielt und die grotesken Zukunftsphan¬ tasien noch übertrifft. Ein weiterer Volltreffer: „Lighlning" mit Bill Rogers und Louise Dresser, eine sehr amüsante Wild-West-Geschichte mit be¬ sonders packender Außenphoto¬ graphie. Nicht ganz so ge¬ glückt „The Man who came back" („Der Mann, der zurück¬ kam") mit dem bekannten Paar Charles Farrell und Janet Gay- no>, unter der Regie von Raoul Walsh, der allerdings diesmal mit dem recht larmoyanten Manuskript nicht ganz fertig wird. Die Verfilmung von Mol- nars „Liliom" ist vom engli¬ schen Zensor leider verboten worden, weil die himmlischen Belange nicht seriös genug dar¬ gestellt sind. Ein gleiches Schicksal ereilte einen Warner-Film („Oulward Bound", nach dem erfolgreichen Bühnenstück „Überfahrt"), auch hier aus religiösen Gründen. Schade, denn dieser Film wird in der amerikanischen Presse ganz besonders günstig be¬ sprochen. Dafür kann Warner „Kismet" zeigen, eine prunk¬ volle orientalische Geschichte mit Otis Skinnei. die jetzt mit Wladimir Sokoloff deutsch noch einmal gedreht werden soil, und „Viennese Nights" (Wiener Nächte). Zwar haben die ame¬ rikanischen Kollegen anschei¬ nend ein nicht ganz treffendes Bild von W'ien und den Wie¬ nern. aber das gute Spiel, die glänzende Musik und die voll¬ endete W'iedergabe entwaffnen alle Einwände. Schließlich ist der Film ja hauptsächlich für Amerika gemacht, und dort wird er zweifellos ein Kassen- schiagei ersten Ranges sein, ln London war dieser Film aus¬ ersehen, das neueste Kino ein zuweihen (das Leicester Square Theatre, das ursprünglich als Schauspielbühne projektiert war, sich aber im Laufe des Baues, dem Zuge der Zeit fol¬ gend, zum Kino mauserte). Den zweiten glanzvollen Abend dieses neuen Hauses brachte die Trade-Show der englischen Version der „Singenden Stadt". Dieser Erstlingsfilm der Asfi errang einen sensationellen Presseerfolg und die ungeteilte Bewunderung selbst der Kon- konkurrenten. Auch die anderen englischen Produzenten. voran Gaumonl und British International Pic- tures, geben sich die größte Mühe zur Qualität. Duponts ..Cape Forlorn" („Menschen im Käfig") gefiel im Regal nicht minder als Eichbergs „Greifer" (englisch „Nightbird"), Hitch- cocks . Murder” und Sinclair Hills „Greck Street". Beachtlich wird auch die Pro¬ duktion in den Stoll-Studios in Cricklewood mit dem nauen Visalone-System. Der erste Fiim „Such is the Law ‘ („So will es das Gesetz") läuft schon wochenlang in der Alhambra und die nächsten Filme (Ge¬ meinschaftsproduktionen mit dei Londoner P. D. C.-Filiale) wer¬ den in ganz großem Stile ge¬ macht, da sie auch in Amerika herauskommen sollen. Den größten Erfolg hat P. D. C. zur Zeit mit dem entzückenden Film Paul Steins „Sin takes a Holiday" („Sünde nimmt fr- laub"). Übrigens findet auch ein früherer Tonfilm dieses be¬ gabten Landsmannes (die Ver¬ filmung von Molnars „Schwan mit Lilian Gish), der erst jetzt hier erscheint, großen Anklang. „Sous les Toits de Paris" wurde in der Alhambra und im Regal zwar von Presse und Publikum enthusiastisch aufge- nommen. doch verhalten sich d.e Kinobesitzer in der Pro v nz bemerkenswert kühl. Re¬ kordbrecher ist noch immer der Kriegsfilm „Hells Angels", seit vier Monaten im London Pa¬ villon zu Riesenpreisen die Kassen füllend. Eine Spezial- Apparatur der Western Electric mit vier Maschinen wurde ein¬ gebaut und an der Außenfront (ine Lichtreklame mit vier Meter hohen Buchstaben und Tausenden von Glühlampen ein¬ gerichtet. Leider hat Howard Hughes, der amerikanische Multimillionär, der erst diesen Film zum Privatvergnügen her¬ stellte und sich dann hinterher die United Artists kaufte, um den Film durch sie zu vertrei¬ ben, es nicht lassen können, die in diesem Film vorkommen¬ den Deutschen so unsym¬ pathisch wie möglich zu zeich¬ nen. Zwei englische Damen, die bei der Premiere vor mir saßen und hörten, daß ich mich mit meinem Nachbar deutsch unter¬ hielt, kamen nach Schluß auf mich zu und sagten in ge¬ brochenem Deutsch, sie be dauerten, daß solch dummes Zeug in London gezeigt werde. Der Film soll Mitte Februar von dem amerikanischen Na- tional-Epos „Abraham Lincoln abgelöst werden, das schon bei seiner Trade S'iow im Novem¬ ber außerordentlich gefiel. Auf den neuen Chaplin-Film „City Lights“ wird man wohl leider noch etwas warten müssen, da die Welt-Premiere zuerst nur in New York statt¬ findet und nicht, wie beabsich¬ tigt, gleichzeitig auch In Lon¬ don. Einstweilen gibt es nur einen reizenden neuen Mario- nettcn-Film der Asfi-Wemblcy, der Chaplin glänzend parodiert (Ist es nicht ein lustiger Zufall, daß es ausgerechnet in Wembley eine „Chaplinstiaße gibt?) Doppelte Lustbarkeitssteuer unzulässig Entscheidung des Oberverwa iungsgerichts. Frau P„ welche in ßelgard ein Lichtspieltheater betreibt, war vom Magistrat in Belgard in Pomm. zu 577 RM Vergnügungs¬ steuer herangezogen worden, wovon eir. Teil auf die vom Kreis erhobene Vergnügungssteuer entfiel. Nach fruchtlosem Einspruch erhob Frau P. Klage im Verwaltungsstreitverfahren und beantragte, die Vergnügungssteuer auf 412 RM herabzusetzen. Der Bezirks¬ ausschuß in Köslin setzte die Steuer auf 442 RM herab und be¬ tonte. während für den Kreis Belgard eine Sleuerordnung vom 10. Febiuar 1926 bestehe, habe die Stadt Belgard. welche zu¬ lässigerweise vom Kreis mit der Erhebung der Steuer beauftragt worden sei. keine eigene Vergnugungssteuerordnung erlassen. Nach d(n Reichsratsbestimmungen über Vergnügungssteuer gelte, wenn Länder oder Gemeinden keine besordere Steuerordnung erlassen, die Mustersteuerordnung in Art. II der Reichsratsbestimmungen; letztere gelte aber nicht, sofern eine Steuerordnung erlassen worden sei. Die Au fassung des Magistrats, daß er verpflichtet sei, die Vergnügungssteuer nach An. II der Reichsratsbestim¬ mungen zu erheben, sei unzutreffend; eine konkurrierende selb¬ ständige Besteuerung dtb Gemeinden und Gemeindeverbände sollte durch die Reichsratsbestimmungen keineswegs eingeführt werden. Solange die Steuerordnung eines Gemeindeverbandes gelte, welche die zugelassenen Höchstsätze vorsehe, sei für eine Steuerordnung der Gemeinde kein Raum mehr, da dann die Höchstsätze über¬ schritten würden. Der Anspruch des Magistrats von Belgard ent¬ behre mithin der rechtlichen Grundlage; Freistellung habe nicht erfolgen können, da lediglich eine Herabsetzung der Steuer ge¬ fordert worden sei. Dieses Urteil griff der Magistrat von Belgard durch Revision beim Oberverwaltungsgericht an, welches aber die Vorentscheidung mit der Maßgabe bestätigte, daß die ge¬ forderte Steuer auf 442 RM herabgesetzt wird, und u. a. aus- iührte, die Reichsratsbestimmungen über Vergnügungssteuer gelten nur in denjenigen Gemeinden automatisch, in denen nicht bereits die Vergnügungssteuer seitens eines höheren Gemeindeverbandes erhoben werde. Nach der Absicht des Gesetzgebers solle eine Ver¬ gnügungssteuer erhoben werden, er habe aber nicht beabsichtigt, Gemeinden etc. Einnahmequellen zu verschaffen. Da diese Absicht des Gesetzgebers in Belgard durch Erlaß einer Steuerordnung des Kreises verwirklicht worden sei, so habe die Stadt eine Ver¬ gnügungssteuer nur erheben können, wenn sie eine Steuerordnung beschlossen hätte; dies sei aber nicht der Fall. Dies könne aber von der Stadt jederzeit nachgeholt werden, dann werde ein Ausgleich herbeigeführt werden müssen. Soweit die Stadt dies unterlasse, sei nur der Kreis zur Erhebung einer Steuer befugt. Hätte sich die klagende Kinobesitzerin nicht darauf beschränkt, nur eine Ermäßigung der Steuer zu fordern, so hätte Freistellung von der geforderten Vergnügungssteuer erfolgen müssen. (Akten¬ zeichen: II. C. 31. 30.)