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AUS DEN KINDERJAHREN DES KINEMATOGRAPH W tin ic einsame Insel verschla¬ gen werden, dann — behaup¬ tet man — gründen sie einen Verein. Und kommt später ein Dritter hinzu, dann wird eine Zeitung gegründet. Die¬ ser Gesellungsinstinkt, der nicht ganz falsch beobachtet ist, hat anscheinend den er¬ sten Pionieren der Kinemato¬ graphie gründlich gefehlt, denn mindestens 6 bis 7 Jahre waren schon ins Land gegan¬ gen und Tausende waren schon im Dienst der weißen Leinwand tätig, als das erste deutsche Film-Fachblatt zu¬ tage trat. Nach außen hin mag der 9. Dezember 190b der Geburtstag des ..Kinemato¬ graph' sein, denn an diesem Tage war der Nummer 1139 des Fachblalls „Der Artist" (das ebenfalls als erstes sei¬ ner Art im Jahre 1883 in Düsseldorf das Licht der pa- pie-nen Welt erblickte) ein vierseitiges Quartblatt beige¬ fügt. Betitelt „Probenunmer der Kinematograph" mit der Ankündigung: Nummer 1 er¬ scheint am 6. Januar. Es enthielt „Geleitworte” von Redaktion und Verlag, kleine Proben der verschiedenen, für das neue Fachblatt vor¬ gesehenen Rubriken und eine Aufforderung „Mitarbeiter gesucht für den redaktionel¬ len Teil gegen gutes Hono¬ rar" sowie zwei Seiten An¬ zeigen. Natürlich ging diese Probe¬ nummer auch in vielen hun¬ derten Exemplaren gesondert in die Welt. Die eigentliche ideelle Ge¬ burtsstunde ist einige Monate früher anzusetzen und war das Resultat einer Bespre¬ chung mit dem Thema „Er¬ weiterung des „Artist" um eine regelmäßige umfang¬ reiche Sonderrubrik für die Kinematographie, die im Hin- Von ADOLF ZD blick auf das immer stärker werdende Eindringen von Fil¬ men in die Programme der Varietes und auf das Uber¬ handnehmen von Anzeigen kinematographischer Firmen im „Artist" notwendig schien. Noch sehe ich das liebe, weißbärtige Gesicht von „Papa Lintz" vor mir, wie e r nach Anhören unseres Vor¬ trags das weiche blaue Auge nachdenklich auf uns richtet und ganz gegen seine sonstige stille Art impulsiv in die Worte ausbricht: „Warum eine Rubrik, warum nicht ein eigenes Blatt? Da hätte ich Mumm darauf.“ Hier zeigte sich der Instinkt des Verlegers (Ed. Lintz ent¬ stammte einem Trierer Ge¬ schlecht, das in mehreren Generationen tüchtige Buch¬ drucker und Verleger hervor¬ brachte), der sofort erkannt hatte, daß hier roch jung¬ fräuliches Feld urbar zu machen war. In Emil Perlmanns Auge aber blitzte unverhohlene Freude darüber auf, daß der Sieg so leicht und so groß war, und sofort setzte seine aktive Pioniertätigkeit ein, wobei der große Bruder, der „Artist", für die äußere Ge¬ staltung das Vorbilc sein mochte. Damit wäre eigentlich der historische Ablauf der Grün¬ dung des „Kinematograph", soweit er heute noch inter¬ essieren kann, ausreichend geschildert, denn nun begann die Arbeit. Gar bald erkannte Perl¬ mann die großen Schwierig¬ keiten für eine von der Tech¬ nik bedingte, von der Befrie¬ digung reiner Schaulust zum Künstlerischen vortappende Berufsgruppe ohne jegliches Vorbild ein „Fach"blatt auf¬ zubauen. Was wußte er damals von der Technik der Kinematogra¬ phie? Wo waren Mitarbeiter in dieser damals noch nicht allzu stark mit Bildungsele¬ menten durchsetzten Brarche zu finden? Welche Wege gab RNDORFER es überhaupt, an die ganzen verstreuten Elemente der Ki¬ nematographie heranz j- kommen? Noch viele ähnliche Fra¬ gen tauchten hemmend und doch anfeuernd auf. die in ihren Anfängen mindestens überwunden werden mußten, bis zu jenem 6. Januar 1907, an welchem die Nummer 1 des „Kinematograph". 12 Quartseiten stark, wirklich in die Welt hinausging. In dankbarer Anerkennung sei hier eingeschaltet, daß in diesen Anfängen und auch späterhin Herr F. Paul Liese- gang, der wissenschaftliche Führer der bekannten Firma Ed. Liesegang in Düseldorf, dem Schriftleiter des „Kine¬ matograph" als technischer und wissenschaftlicher Bera¬ ter uneigennützig mit voller Hingabe zur Seite stand. Ein Blick in diese Num¬ mer 1 zwingt zu der Fest¬ stellung. daß im Gegensatz zu dem „dringenden Bedürf¬ nis' , das in der Regel für die Gründung überflüssiger Zeit¬ schriften vorgeschützt wird, eine schon sehr stark ent¬ wickelte große Branche min¬ destens einige Jahre lang des notwendigen journalisti¬ schen Geleits entbehrt hatte. Als Groß-Inserenten der ersten Nummer erscheinen Pathe Freres, Eclipse und Urban Trading Co., Ed. Lie- segang-Düsseldorf, Ant. Nög- geraths Royal-Bioscop-Am- sterdam, Drägerwerk-Lübeck, die damals in Berlin füh¬ rende „Internationale Kine- matographen- und Licht¬ effekt G. m. b. H.". außer¬ dem Willy Hagedorn-Berlin. Ferner für Bestuhlung u. dgl. Gustav Bayerthal - Worms. Emil Gobbers, einer der eisten redaktionellen Mit¬ arbeiter. bietet seine wissen¬ schaftlichen Projektionen an. Unter den schon ziemlich zahlreichen kleinen Anzeigen werden von Wien aus „hoch- pikante Herrenfilme" ange- boten. Soweit der Anzeigen¬ teil. Der redaktionelle Teil wird mit den Geleitworten der Probenummer eröffnet. in welchen ausdrücklich fest- gestellt wurde, „daß cs als fühlbare Lücke empfunden werde, daß bei dem bedeu¬ tenden Aufschwung dieser neuen, für die Volksbildung und Volksunterhaltung so überaus wichtigen Vcran- schaulichungsmethode noch kein Organ geschaffen wor¬ den” sei. Auch der Titel des neuen Blattes machte einiges Kopf¬ zerbrechen. Das Wort „Film ' war noch nicht die Haupt¬ sache. sondern die Appara¬ tur stand im Vordergrund. Die Fülle der Ausdrücke da¬ für war bei der Sucht des Deutschen nach allem Fremd¬ ländischen griechischen oder lateinischen Ursprungs Ein kleines Beispiel für die baby¬ lonische Verwirrung mag nachstehender kleiner Vers aus Nr. 3 des „Kinemato¬ graph" geben: Hier rufet mich der An j r Eck opho Dann heißt es wieder Photophon, Ein andrer nennt es V i I a s c o p e . Balc lese ich nur Kosmograph, Mit großen Lettern Biograph. Zum B i o r a m a mancher rennt. Der den Elektrograph schon kennt. Im Zentrum wie abseits im Prater Steht auch ein Edisontheater. Wozu nach solchen Worten dürsten? Ist Euch Kinematograph zu wenig. So nennt Euch Kinemato- Den größten: Kinemato k ö n i g’ Ihr habt )a doch dieselben Und jeder will Geschäfte machen. Der redaktionelle Teil der ersten Nummer wurde außer dem Geleitwort von folgen¬ den Beiträgen bestritten: „Künstlerische Regie bei kinematographischen Auf¬ nahmen und Vorführungen", gezeichnet von A. Gbg.