Der Kinematograph (Sep 1907)

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Na 36. Der mit — der Mensch hat das Bcdiiniiis. mal recht sehr xu ladien — ab«r hüclist bedcnklicli werden doch die „Vor- stelhineeii". w enn sie lediglich der elendesten. Seii- satioiisiiiaclK dienen, hie vielen BiMcr von Käubcr- k'esi.liitliten ii;ilien bei der .lii;:end und tlcn Halbw iich- siiien durchsclila^ieiiden lirioln. Hier eine Niislcse soiclier Bilder: „Der Meloneniresscr" (Neife' ciuin rjie^cliiclitc aus Afrika, natürlich Prügelei und I >()ichgel-raucii), ..I >ie schützende Melone'* — ähnlichen Inhalts. „Mucht und Tod des Räuberhauptmanns*' — Revolverschiessercl — Ii» Räuber usw.. „Eisenbaiinattentat - erstochener \\eicliensteller Zuijentkileisiinß. ,.KmJcrinord". ,,Kin- derraub", ..Nick Carter ", ..IJonibLii.iiUiitat in Peters- burg" usw. usw. Ohne Üulch, Revolver, Boniben geht s nicht! Natürlich, das Verbrecherleben wird auch v«r- tiefiihrt. lUi sieiit man eine ..h'alsclin iinzerw erkstatt" mit alkii l:iiiriclitimi;en. eine ..h'alschn ilii/.criiande bei der Arbe.f. die ,,J"liiciit eines \ erbreeiiers" • über hüuser und li(>den, ,,Vater und Solin ais \ erbreciicr". ..Einbrecher bei der Arbeit", dazu eine Kr<)sse Reihe der plattesten Albembeiten, wie die „leb^iiide Matratze", das ..behexte Motel" und viele andere Lächerlichkeiten. Si v;;ir jiistitssine Bilder werden siehthar. l^u- \ <iriiili- rungen uns dem \ erbreclieriebeii sine vom pädagogi- schen Standpunkt ans entschieden /u verurteilen. Derlei ..Vorstellungen" übertretfeu nocli bei weitem die gei- stigen und sittlichen Verheerungen, welche seinerzeit die liK!i:nieisehniüker und ilhnlielie literi.riseiie Sv.!iiiiiJ- crzcuKiiisse fiir die Jiijieiid iiervorrieiei'. Mie Iki der .lugend •<LMr lebhafte l^i;antasie wird xer.i ite'. iiikI un- saubere \ orstellungen erfüllen den (Jeist. Man täusche sich nicht and meine, das Wörde bald wieder vergessen. Die Kinder beobachten gerade verbotene Dinge sehr scharf. Man frage einmal die Kleinen, und man wird »TStaunt sLiii. V. ic ■. erbliiiieiul sieiiaii sie er/älilen kön- nen, was SIC gesehen haben. Müssen denn immer Mord- und Totschlag- und Räubergeschichten, \ erbrecher- kunststficke und Aehnliches vorgcAUirt werden? (ie.it es nicht anders? Phantasie und Willenskraft hängen auf's innigste, besonders bei de- .luvend, /iisammeii. Und so ist denn oft bei Natiirei;. di_e \ erbreelierlsehi. Neignnvteii haben, der Sehritt /um Verbrechen nieht allzu gross, iiaciidem die Phantasie und Vorstellungs- welt vergiftet sind. Mir ist ein Fall bekannt, dass ein Knabe zum gewiegten Spitzbuben geworden ist. Wie sich herausstellte, hatte er täglich den Kinematograpiiei! Iiesiieht und Mmiderte von Bildern aus deif \ erbreclier- iebeii viesebeii. .ledenfalls würde es später fiir die Kri- minalistik eine interessante Aufgabe sein, die Bezieliim- gen zwisclieu Kinematograph und Jugeiidverbreclien aufzudecken. Zweitens: Wieviel Groschen werden ganz unnütz ausgegeben! Man frage die Kinder, sonderlich Jungen. wie oft sie wohl schon den Kinemalouraplien besncl;; haben. ..Schfm sehr, sehr oft ' wird man häufig hören. Wohl auch, dass ethche tägliche ( laste des ..Kinos" sind. Viele Kinder w erden geradezu zur Vergeudung und Nicht- achtung des OeMes erz(«en! Freilich ist die Versudiung gross. „Von unerreicht w issenschaftlichem Wert" sol- len die Vorstellungen sein. .la. es wird behauptet, dass solche ..unerreichten" \Orstellungen von Rektoren und Lehrern bestens empfohlen würden. Das dürite denn doch nicht stimmen! ..Vortrag und Künstlerkonzerte" werden verbeissen. Solches Inhaltes sind manche ,. I hcaterzetter*. Und darin Hegt eben der Sduiden der Vorführung von derartigen BiMern, dass man aOsnwodg das geistige und sittliche Wohlergehen der Jugend be- denkt! l iid ziehen wir cikIüjIi in nLiriteiit. dass der Auieuthalt ia der dunstigen Atmospb&re des ,4CuK>s" das h'limmern des Lichtes gcsundlieitlich wenig forder- sain sind, dass auch (Jclegenheit zum (ienuss alkoho- lischer Cietränke vorhanden ist. dass auch in manchen Kinematographen schulpflichtige Knaben bis lU oder 11 Uhr abends gebraucht werden, Rollen aufzuwickeln, Koupons abziireissen und zu anderen Diensten, dass dafür ein sehr kärglicher Lohn bezahlt wird — 2 Mk. oder etwas mehr die Woche dass solche Knaben aai nächsten Morgen müde und ^gespannt, meistens ohne Arbeiten zur Schule kommen, so müssen wir behaupten: Sohin^e die KincmalOs'rarhen vorwiegend dem Profit dienen und zuviel Sensationslust in den \OrlührungCtt sieh breit macht, sind sie für unsere Jugend eine schwere Seliädiviiinii. Sie sollen aU wertvolle Hilfsmittel beson- de's liir den l nterricht willkommen sein, sofern sie gute Darbietungen bringen. Aber «JHand weg", sabaM die Jugend Schaden leidet! CtesdunadtsMrtmngeii. Die indusirielk Produktion kiiiLinatoKri')!iisclier Bilder inmnu i:>ulieli zu; in dem Verhältnis, wie sicli der Kinematograph verb'ciiet. muss sich iiaturgemäss auch uer ]i-^ari un zugkräftigen .Aufnahmen steigern. — Wohl wird dem ..Cleschmack" der grossen Massen bei der Auswahl der Sujets Rechiuitig getragen, aber dieser iieschmack ist iliclit immer grade der beste! Wacht man nun diesen gewissen, etwas zweifelhaften (ieschmack auch noch Konzessionen, .indem man ihn gradezu kulti- viert, um Kassenerfolgc zu haben, stat; ihn abzudämpfen und auf ;istlietische (iebiete hinübenruleiten. so w ird der l^rossere. ästlietiseh-empfindende 'icil des PiibüUi.ins iiald den kineiiiatoKraphischen \ orstellungen entfremdet werden. Es gibt Leute, die ihre Ldctüre lediglich iurch Hintertreppen - Romane bestreiten, die von iiliit triefen und l.eicheii auf Leichen tiimien, die die miiielalierlielieii (ireiiel der Tortur de- tailliert schildern und snleiie Selnlderiiii>jeii tunlichst auch noch durch iiilder vcransciiaulichen. die an Krasslieit der Komposition irichts, an rein-technischer .Ausführung vieles, an Antliropomorpliismus, Ethik und Aesthetik aber alles zu w ünschen übrig lassen! — Nicht mit Liirecht wird vcei^en eine derart «e Schundliteratur ("ront gemaeilt. wliI sie geeinnet ist. ganze Bevölke- ningsklasscn moraliseii zu verseuchen. Jenen Elemen- ten unter dem grossen Publikum, dessen Geschmack, wenn auch nicht ganz rein, so doch geläuterter ist. Jenen Elementen, die an der Hintertreppenromantik (lefallen finden, dürfen unter keinen Lmständen Konzessionen ^'emaeiit werden zu unvcnnsteii iler im allgenienien besser und hoher in der (ieselimaeksbilduiiß Veranlagten! Im «rossen und Ki'uzen wird der bessere uinl gute (le- schmack des Publikums auch respektiert. Ich erinnere dabei nur an die Panoptika mit ihren sog. „Schreckens- kammern'. die, von den übrigen Sehenswürdigkeiten getrennt, zu besuchen jedem Liiizelnen überlassen bleibt! Wird aber dem besseren Publikum zugemutet, ab- stossende Szenen mitansehen zu müssen, wie es bei- spielsweise kürzlich in einem ausländischen Theater vor- kam, wo in einem Schauspiel auf offener Szene eine Haut-Transplantation in realistischster Editfieit vorge- führt wurde, so ist es dem Publikum nicht zu verargen, w enn es — w ie es auch dort geschah mit aller Energie :(ej.':en solche Angriffe auf seinen guten Cieseiimack pro- testiert! — Es ganz klar, dass in einem Theater —