Der Kinematograph (February 1909)

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No. 110. Der Kinematograph — Düsseldorf menten einer Bewegung darstellen, und der B«*sehauer emp¬ fängt den Eindruck eine» einzigen lebenden Bi des. Die l»e- kanntest > Form des Lebensrades ist die Wundert ronnnel, die schon 1833 von den» Engländer Homer genau beschrieben wurde, aber erst Ende der «Oer Jahre Von Amerika aus zur Ein¬ führung gelangte, nachdem sie dort Lincoln 11 -u erfunden hatte. Die Anwendung d«*s Lebensrades im Pr«»icktions- Apparat erfolgte zuerst 1845 durch den österreichischen Offizier Uchatius. Anfangs der 5t»er Jahre konstruierte dieser einen leistungsfähigeren Apparat, der r.»it Kalklicht betriel>en wurde Die Bildscheibe «ar dabei fest angeordnet, und vor jedem Bild befand sich ein Objektiv : hinter der Scheda* kreiste die l.am|M* mit der Beleucht ungslinse und warf die Bilder so rasch nacheinander auf die Projek¬ tionswand. dass sie sieh zu einem einzigen lebenden Lieht- bilde mischten. Um ' .»e Zeit fing man auch an, die Photo¬ graphie zur Herstellung der Bewegungsbilder heranzuziehen, nachdem man zuvor auf Zeichnungen angewitsen gewesen. Herr Liesegang zeigte ein«* etwa 40 Jahre alte photographi¬ sche Bilderreihe, die eine Kaffee trinkende Dame in neun ..Momenten” darstellte, und wies darauf hin. dass jedes einzelne Bildchen für sich sorgfältig vorbereitet und durch eine Zeitbelichtung gewonnen wurde. Eine natürliche Wie- dergals* der Bewegung k«>nnte bei solch ..gestellten” Mo¬ mentbildern allerdings nicht zustande* kommen. Es f«*hlte nun nicht an Versuchen. Kameras zu konstruieren, die ein<* wirkliche Bewegung in einer Reihe von Momenten f«*sthalten sollten: aU*r die Lichtempfindlichkeit der photographischen Platten war zu gering, als dass man hinn*i<*hen«l rasch damit hätte arbeiten können. Erst «lern Amerikaner Muy- bridge gelang es En«le «l«*r 70er Jahre unter Aufbietung gewaltiger Hilfsmittel, richtige Reihenaufnahmen laufender Tier«* zu machen. Dt*r Vortragende erklärte an Hand von Lichtbild«*rn das von Muybridge eingeschlagene Ver¬ fahren und zeigte eine seiner Aufnahmen. Die von dem Ame¬ rikaner <*rzieltcn Resultate wurdt*n bald überboten durch Anschütz, den Altmeister der Moment Photographie. dess«»n Reihenaufnahmen so scharf und detailreich waren, dass sie zur Verwendung in Anschütz’ Schnellueher vergriissert werden konnten. Dank dem Entgegenkommen d«-. Firma Anschütz in B«*rlin war Herr Liesegang in der Lage, ausser einigen Lichtbildern und einem Schnellseher auch den historisch bedeutungsvollen „elektrischen Schnellseher" von Anschütz vorzuführen. Viele, die di«*sen Apparat noch nicht g«*sehen hatten, waren überrascht von der ausgezeichneten Wirkung dieses Instrumentes, dessen Er¬ findung doch fast 20 Jahre zurücklicgt Der Vortragende ging clann zur Tätigkeit des Pariser IVofessors Marey über, der 1882 zu Reihenaufnahmen des Vogelflugs seine „photographische Flinte" konstruierte und dann systema¬ tisch weitere Verfahren ausarbeitete, bis er endlich zur Verwendung von Negativpapierbändern überging und 188S als erst«*r praktisch einen Apparat ausführte. der uns»*n*r heutigen kincmatographischcn Kamera entspricht. Nach einigen weiteren Ausführungen besohl«»«» der Redn«*r den g<*sehiehtliehen Ueberbliek und legte nun anschaulich die Wirkungsweise dt«« kinematographis«*hen Aufnahme- und Projektionsapparates dar. Eine eingehende expe¬ rimentell«* Behandlung fanden die Erscheinung des „Flim¬ mern*" und «Iw*» zur Verminderung dieses Uebels dienende Verfahr«*n, «las l»es«ui«h*re Anordnungen an den Bewegungs- meehanismus stellt. Darauf folgte an Hand weiterer Licht¬ bilder die Erklärung der hauptsächlichen Konstruktions forme«i und einiger l»«*sonders interessanter Anordnungen. Die Bilder sitzen auf einem langen. 3 l i, Zentimeter breiten Filmband. Di«* Zahl der Aufnahmen, die in der Sekunde darauf gemacht werden, beträgt 15 bis 20. Jedes Bildchen ist ung«*fähr 2 Zentimeter hoch, so das« auf die Minute rund 20 Meter Film kommen und zur Darstellung einer 5 Minuten dau«*rnden Szene 100 Meter Film gehören. Der Vortragende erläuterte, wie der Photograph seinen Apparat handhabt und nahm als Beispiel die bei der ersten Ausreise des Bremer Schnelldampfers „Kronprinzessin Uecilie“ ge¬ machte kincmatographischc Aufnahme. Der Northieutsehe Lloyd hatte durch s«*inen Vertreter. Herrn Emil Meyer, den etwa 350 Met«*r langen Film freundliehst zur Wrfügung gestellt, und so konnte sowohl diese Aufnahme, die inter- essante Szenen von d**r Abfahrt in Bremerhaven bis zur Ankunft in New- York darstellt«*, vorgeführt werden als auch ein dazu passendes Bild, das H«*rr Lic*segang bei dieser Gelegenheit genommen und da« den Photographen mit seiner Kamera b«*i der Arbeit zeigte. Besonderes In¬ teresse fand die Erklärung der sogen. Trickaufnahmen. Da gibt es z. B. ein Stück, worin ein Mann die Wänd«* heraufkriecht und an d«*r Decke hin läuft. Die Lösung ist einfach. Bei d *r Aufnahme werden auf den Boden dt*s Ateliers abwechselnd Dekorationen gelegt, welche die Wand «»der di.- Decke eines Zimmers darstellen: der Mann kriecht oder läuft darüber und wird von oben her phot«»graphiert. Ebenso leicht ist z. B. die Verwandlung von Personen; man braucht dazu nur an der b«*treffenden Stelle die A»jf- nahme zu unt«*i bn»ch«*n. Schwierigi*r ist «*s. Figuren all¬ mählich ers«*heinen und verschwinden zu lassen. Wie mit Hilfe von Bildern gezeigt wurde, muss «1er Film «lazu zwei Belichtungen übereinander erhalten. Der R«*«ln«*r behandelte dann noch kurz die verschiedenen Anwendungsgebiete d«*r Kinematographie und wie: auf die ausge»t«*llten Apparate hin. in denen die verschi«*d«*nen Konstruktionsformen verkörpert waren. Zum Schluss des Vortrages. d«r mit grossem B«‘ifall aufgenommen wurde, führte Herr Li«*segang mit Hilf«* des Kinematograph einen von H«*rrn Dr. Kieser freundlichst zur Verfügung gestellten ('ellitfilm vor: «las erste bedruckte Exemplar eines Film aus di«*sem wichtigen, unverbrennharen Material. In der naehf«>lgen<l«*n Bespre¬ chung erklärte der Vortragende auf Anfrag«* die Erscheinung der schleifenden und rückwärtslaufenden Rä«l«*r. wie man sie bei kincmatographischcn Vorführungen häufig wahr- nimmt. und legte «len Stand der Kinematographie in natürlichen Farben dar. Die kulturgeschichtliche Bedeutung der Lichtbühnen. Vortrag, gehalten im Verein kinemat« »graphischer Ange¬ stellten und Berufsgenos«en. Köln. Unter den neuzeitlichen Erscheinungen ist der Kine- matograph unstreitig eine der b<*deutendsten und interes- sant«*sten. Der Ruf seiner Leistungsfähigkeit ist bereits durch alle Länder und Völker der Erde gedrungen, und von seiner Lebens- und Existenzfähigkeit sind alle Schichten des Publikums überzeugt. Längst hat er seine Kinderschuhe ausgezogen, auch seine Lehr- und Wanderjahre überstanden Des unstäten Reisens müde ist er bereits ansässig geworden, und seine vornehm und prachtvoll auf tretend«* n Etablisse¬ ments erregen den Neid der ältesten Schau- und Vergnügungs- häuscr. Sicher und selbstbewusst stehen sie in den Haupt¬ strassen d«*r Städte, verschwenderisch von elektrischem Licht überflutet. Und die Menschen, die vorüber gehen, bleiben stehen, studieren das Programm und treten — wenn sie Zeit und Geld dazu halten — ein. Diese Anzicluuigskraft der Liehtbühne ist immer die gleiche; sie ist es, welche unter¬ nehmenden Geschäftsleuten den Mut gibt, ein Kino nach dem andern einzurichten. Ob vornehm «Hier gering, arm «»der reich, jung «»der alt. gebildet oder ungebildet — sie alle treten in froher Erwartung ein, und dies«* Erwartung wird auch selten getäuscht. Wie im Traume ziehen an ihren Augen die Bilder vorüber, bis sie endlich am Schlüsse des Programms befriedigt das Theater verlassen. So hat der Kinematograph ein Stück Welt «*robert und einen Teil d«*r Menschheit vor sein Plateau gefesselt, so schreitet er fort auf seinem Sieg«*szuge, immer weitere Kreis«* an sich ziehend. Und es sind nicht etwa die schlechten und minderwertigen Kreise der menschlichen Gesellschaft, sondern in der Regel intelligente Leute, die nicht nur Unterhaltung s«»ndern auch Belehrung suchen. Aber so imponierend der Kinemati>graph heute auch auftritt, so wenig wird er indes richtig gewürdigt.