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No. 118 . Der Kinematograph — Düsseldorf. Aus dem Reiche der Töne 21 Ein Konzertabend von Eugen d'Albert, Ferruccio Busoni und Theresa Carreno im Kinotheater. Von Max Olitzki. I. Programm. 1. Rigoletto-Paraphrase.Verdi-Liszt. — Ferruccio Busoni. — 2. a) Sonate, op. 53 (Waldstein) . . » b) Rondo Capriccio, op. 129 . . f L. v. Beethoven, c; Ballade, op. 47 (As-dur) .... Chopin. — Eugen d’Albert. — 3. a) Impromptu, op. 90 No. 3 . . . Franz Schubert, b) Spanischer Tanz, eine Improvisation Carreno. — Theresa Carreno. — .So übergebe ich denn den Filmfabrikanten wie Kinobesitzern die erste Auswahl der Künstler und Piecen, die beiden einen weiteren Gewinn bringen werden und ihnen die Chance bieten das Gebiet der Kinematographie ethischer auszubauen und sich einen unauslöschlichen Namen in der Kulturgeschichte zu machen. Natürlich wird sich dieses Verdienst nur der erwerben, der zuerst die Kombination der Aufnahme des Reproduktionsklavieres mit der der Films geschaffen hat. Wie mir von massgeber.der Hüte erzählt wird, schweben bereits Verhandlungen zwischen diesbezüglichen Fabriken und ist es erfreulich, dass es zwei der grössten sind, die nun durch die Herstellung des neuen V -rfahrens ein noch grösseres Absatzgebiet ihrer Fabrikate gefunden haben werden. Recht so! Aber nicht nur den Dank der Händler werden sie einstreichen, sie werden den Kinotheaterbesitzern eine Sensation zu¬ führen, die diesen wiederum volle Häuser sichern, denn darüber bin ich mir vollständig im klaren, und kann es — ohne optimistisch zu denken —- bereits mit ruhigster Ueber- zeugung aussprechen, dass meine Behauptung nicht über¬ trieben ist. Bei einer Rundfrage bei den ersten Klavier¬ künstlern und den fleissigsten Konzert besuchern konnte ich überall die günstigste Antwort hören, überall die Aus¬ rufevernehmen: ..Ist denn das möglich?“! „Das wäre ja fabelhaft!“ „Ich habe noch nie ein solches Theater besucht, aber in diesem Falle wäre man ja gezwungen, oft hinein¬ zugehen.'' »„Was sagen Sie! d’Albert im „Kintopp“?! Grossartig''! ..Glauben Sie denn wirklich, dass die Filnr- fabrikanten diese Wichtigkeit einsehen werden!" „Das Kinotheater, das zuerst Namen eines d’Albert.. Busoni oder gar Carreno wird annoncieren, müsste doch bestürmt werden!“ „Warum denn nicht“, schreibt mir eine kom- E tonte. feingeistige Persönlichkeit, „warum soll denn die nematographie in ihrer Technik Zurückbleiben! Eis ist sogar ihre Pflicht die Musikgrössen festzuhalten, um sie der Nachwelt überliefern zu können. Nur meine ich sie sollte sich beeilen, denn die lebenden Berühmtheiten • werden älter und — Sie wissen doch — die ziehen sich ur¬ plötzlich von ihrer Tätigkeit zurück.“ — Diese wenigen Aeusserungen dürften zur Genüge dartun, mit welchem Interesse man den neuen Aufnahmen entgegensieht und wie berechtigt meine Anregung gewesen ist. Und schliesslich werden alle Beteiligten dem ..Kinematograph“ zu Dank ■verpflichtet sein, dass er ihnen den Weg gezeigt hat ihr Ge¬ schäft lukrativer zu gestalten und ihre Geschäftsbasis künstlerisch zu heben. — (, Wenige Worte über die angeführten Künstler seien mir gestattet, um den Lesern ein Bild zu geben, warum deren Namen auf das musikliebende Publikum magnetisch wirken und es somit erklärlich erscheint, wenn ich zu¬ nächst sie herausgreife. Da ist in meinem Programm als erster Ferruccio Busoni genannt. Dieser Pianist, ein geborener Italiener, lebt seit 12 Jahren in Berlin und hat seit dieser Zeit die allererste Stellung im Berliner Konzertleben zu behaupten gewusst. Er ist der grösste Lisztepigone, ein Lisztgelehrter, der einzige, der innerlich wie äusserlich dem grossen Meister am nächsten steht. Ein Musiker in vollstem Sinne, ein Dichter am Flügel, ein Improvisator im Gefühlsausdruck, ein Fingertechniker von verblüffendster Wirkung. Rusonis Klavierabende sind Er¬ eignisse für den musikalischen Feinschmecker, für den Musikstudierenden, selbst für die bedeutendsten Pianisten. Man geht in seine Abende, um Musik zu erleben, um sich von seiner geistigenAuffassung überraschen zu lassen, um sich an der selbstverständlichen, souveränen Technik zu er¬ freuen und immer wieder über sie in Erstaunen zu geraten. Man geht aber auch zu ihm, weil man aussergewöhnliche Programme zu hören bekommt, denn Busoni kennt keine Schablone, kennt nichts Alltägliches, das würde seiner genialischen Natur widerstreben. Die liebt Kontraste, Steigerungen, Göttliches. Er ist ein Nietzsche imZerlegen der musikalischen Gedanken, ein Messel in ihren Ausführungen. Im besonderen empfindet man bei ihm. dass ein Musikheiliger an einer grossen lauschenden Gemeinde Wunder verübt. — Eugen d’Albert ist zwar seit zwei Jahren auf dem Konzertpodium ein seltener Gast geworden, da er sich haupt¬ sächlich als Komponist betätigt, dürfte aber gerade deshalb auf der Kinobühne (im Kinokonzertsaal) um so begehrter sein. Breithaupt charakterisiert sein Spiel in richtigen Linien, wenn er sich äussert: „Die Wildheit eines flammen¬ den Temperamentes, gepaart mit leidenschaftlicher Rück¬ sichtslosigkeit und einer oft abstossenden, ja sich bis zur Brutalität steigernden Härt*\ sie hebt ihn turmhoch über unsere nur technisch-kleinlich empfindende lnstrumental- kunst. Dazu kommt ein faustischer Zug in Verbindung mit einer Art grimmigen Humors, der ihn an die Spitze der grossen „kleinen" Armee stellt d’Alberts Spiel trägt jenen seltenen Zug individueller Glut und objektiver Klar¬ heit zur Schau, der nur denkbar ist auf dem Grunde eines vulkanischen Innern und einer genialen musikalischen Einsicht wie überschauenden Blickes und tiefen vergleichen¬ den Studiums.“ Eugen d’Albert« Anhängerschaft ist sc» gross, dass er es sich leisten darf an vier kurzfolgenden Abenden in der Berliner Philharmonie vor ausverkauftem Saale (2600 Personen fassend) zu spielen.—Wenn ich Frau Teresa Carreno als dritte erwähne, so geschieht es nicht aus Unhöflichkeit, sondern die alphabetische Ordnung will es nicht anders. Die Dame bildet von allen weiblichen Klavierist innen eine Gattung für sich, steht unter ihnen einsam da. überragt sie turmhoch. Sie ist ein Leuchtturm im umgekehrten Verhältnis zu dem des Meeres, denn dieser erhellt, während sie die meisten ihrer Rivalinnen durch ihre Kunst in den tiefsten Schatten stellt. Wiederum zitiere ich Breithaupt, der, wie kein anderer, die Eigenart der grossen Carreno treffsicher zeichnete, denn bei ihr ist’« der Ton, den sie erzeugt und der fasziniert. „Keiner hat die volle Kugelung des Tones, keiner ein jeu perle von solch körniger Klarheit und hinreissendem Schmiss. Wohin man hört : immer eine prachtvolle Tonform, ein blendendes Spiel- freier, gelöster, vom Willen gebändigter und be¬ zähmter Kräfte. Den kleinen gedrungenen Händen scheint alles ein müheloses Nicht«. Es hat etwas Berauschendes: diese 4 kraftstrotzende Art, dieser urgesunde Losbruch elementarer Kräfte, dies Einsetzen der ganzen festgefügten, aktionsfähigen Körpermasse, die glänzende Arbeit einer