Der Kinematograph (June 1909)

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Der Kinematograph — Düsseldorf. No. 127. Aus dem Reiche der Töne Kinematograph und Grammophon im Dienste der Kunst. Wie die Photographie gar bald ihre Entwickelung nach der künstlerischen Seite hin nahm, so machte sich auch hei der Kinematographie mehr und mehr das Bestreben geltend. Landschaften und überhaupt Staffage für die dargestellte Handlung mit künstlerisch gebildeten) Auge auszusuchen. Sie hat damit entschieden den Weg gefunden, der ihr für die Zukunft ihre Berechtigung erhält und ihren Stoffkreis erweitert. Weniger klar scheint es der Grammophonindustrio zu sein, was sie fernerhin noch in ihr Gebiet hineinbeziehen kann. Fun glücklicher Gedanke ist es gewesen. Grammo¬ phon und Kinematograph miteinander zu verbinden. Bislang sind aus dieser Vereinigung* eigentlich nur Dar¬ stellungen von Opern-, Operetten- und Varietestücken hervorgegangen. Mir scheint, «lass sich hier noch neue Gebiete erschlossen lassen, die vom Kinematographen (soweit ich das als Laie beurteilen kann) wegen seiner erreichten Vollkommenheit sofort beschritten werden könnten, während das Grammo¬ phon wohl noch verfeinert werden muss. Ich möchte gern rein künstlerische Vorführungen, die auch wirklich mit strengstem Mass¬ stab gemessen werden könnten. Einige Beispiele mögen zeigen, in welcher Weise ich mir di«*se Kunstwerke denke. Ein Maler will uns die Stimmung des Sonnabend abends malen. Er wählt dazu ein Dorfmotiv und kompo¬ niert- ans zusammengetragenen Zügen ein stimmungsvolles Gemälde. Er zeigt uns die Landstrasse mit einer heim¬ kehrenden Schafherde. Er zeigt ein Haus, vo» dem oder auf dessen offenem Flur wir eine Magd mit «len letzten Reinmachearbeiten beschäftigt sehen. An <l«-r Gartentür steh* die Frau und spricht mit «lern Schäfer. Im Hinter¬ grund leuchtet der Kirchturm im letzten Al**ndstrahl Dieses Bild muss nun erst durch unsere Phantasie belebt werden. Wir denken uns hinzu: «las Blöken der Schafe; das Bellen des Schäferhuntles. der ein naschhaftes Schaf von der Gartenh«*cke vertreiht: wir denken »ins ferner hinzu: «las Klappern «ler leeren Milchkannen, welche «lie fleissige Magd vor dem Hause zum Austrocknen auf¬ stellt: nicht minder das Gespräch zwischen «ler Frau und dem Schäfer, das durch die dialektische Sprache durchaus zum Stimmunggehalt beiträgt. Und nicht umsonst steht der Kirchturm da im Al>en«ilicht. Wir müssen durch ihn an das Einläuten des Feiertags erinnert werden. Wird nicht die Poesie diesem Bilde durchaus erhalten bleiben und für solche, welche im Betrachten von Kunst¬ werken ungeübt sind «Hier die auch einfach phantasiearm sind, noch gesteigert werden, wenn das ganze Bild B«*- wegung und gar das Ohr lebendigen Anteil an dem Bilde hat? Das Grammophon müsste rein und wahr die Tier¬ stimmen wi«*dergeben. «las Glockengeläute, das Geklapper beim Reinmachen, vielleicht auch noch von fern herüber¬ klingende Musik einer Harmonika. (Wer in einem nord- «leutschen Dorfe einen Sonnabend abend verbrachte, kennt diese Poesie). Auch das Gespräch des Schäfers mit der Frau (oder dem seine Pfeife schmauchenden Nachbarn) muss hinzukommen. Kurz soll es sein, denn es wird im Vorbei¬ gehen gespnx-hen. Inhalt Hesse sich leicht erdenken: Die Frau fragt nach dem Befinden des kranken Kind*« vom Schäfer. Dieser, der ja den ganzen Tag vom Hause fort war, ist selbst sehr beunruhigt, denn heute ist die Krise der Krankheit. Da kann der ältere Kuala* des Schäfers herzugesprungen kommen und dem Vater die frohe Bot¬ schaft bringen, dass der Arzt eben gesagt hätte, nun wäre das Schlimmste überstand«*n. Von Freude überwältigt, hebt der Schäfer den Jungen hoch in die Luft, untl gerade jetzt setzt das Feiertagsläuten ein. So hätte dieses Bild, das im ganzen nur ein Idyll be¬ deuten soll, einen kleinen Effekt als Schluss, der aber durchaus nicht gegen künstlerische Forderungen verstöast. Ein solches Bild könnte man durchaus nach künstle¬ rischen Grundsätzen beurteilen, sowohl in der Kompo¬ sition als auch in der Ausführung. Um die Stimmung, die das Bild erzeugen will, vorzubereiten, ist entschieden ein Uebergang von anderen Prngranimnumm<*rn zu diesem nötig. Der lässt sich herst«*llen durch ein Gedicht, welches nach der Ankündigung: Sonnabend abend im Dorfe Ein Idyll auf der Leinwand erscheint. Dieses Poem darf nun beileibe nicht für dieses Bild fabriziert sein, sondern es muss einem «ler besten unserer Lyriker entnommen sein, und braucht nur in der Stimmung übereinstimmen. In diesem Falle könnte ganz gut die erste Strophe des Gedichts von Hoff- nunn v. Fallersleben gewählt werden: Abend wird «*s wieder; Ueber Wald unc Feld Säuselt Frieder, nieder. Und es ruht die Welt. Es ist eine psychologisch durchaus erklärliche Tat¬ sache. dass ein solches verhältnismässig kurzes Bild in s«*iner Wirkung durch die langen Films erdrückt werden würde. Um tliesem Schicksal zu entgehen, muss «*s mit mehreren ähnlichen zusammen gegeben werden. Genau aus den psychologischen Gründen, die dazu führten, mehren Einakter zu einem Zyklus zu verbinden. Man könnte ja als eine Programmnummer bringen: 3 Idillen. 1. Sonnabend abend. 2. L i e b e s f r ü h I i n g. Es Hesse sich da ein glanz- und poesieumwobenes Bild komponieren. Ich denke mir eine waldumkränzte Bucht eines grösseren Sees. Die Bäume leicht bewegt vom Winde, sodass der volle Sonnen¬ schein auf Blättern und Stämmen spielt; ebenso auf dem See leichte Wellen. Und nun will ich das leise Plätschern, möglichst gar das Waldraus«-hen hören, und verschiedene Vogelstimmen. (Das muss sich durch wiederholtes Absetzen der Apparate bei der Aufnahme doch erzielen lassen). Auf einem Gemälde würde uns ein solch poetisches Bild, sogar ohne Bewegung und Schall und Klang zu langem Betrachten fesseln. Warum nicht auf der Leinwand! In diese Umgebung kann nun noch eine Mädchen¬ gestalt hineingestellt w«*rden. die durch Ausdruck und Gebärde wie durch ihre Erscheinung selbst unser Auge befriedigt. Sie schaut sinnend auf den See. Ihr Auge be¬ lebt sich, und wir wissen warum. Wir hören nämlich, wie sie, fernes Plätschern eines Ruders. Der Liebhaber kommt, und das Bild schliesst mit einer stillen Szene voll Liebe, wie sie uns die Maler noch täglich wieder malen, weil sie ewig schön bleibt. Und dann könnte als 3. Bild ein Idyll mit etwas Humor hinzugefügt werden. Ein Morgen auf dem Bauernhof ist den Malern immer ein dankbarer Stoff gewesen. Wieviel mehr muss er unserem Zweck willkommen sein, da er Be¬ wegung und Töne in Fülle bringt, die wiederzugeben dem Maler benommen ist.