We use Optical Character Recognition (OCR) during our scanning and processing workflow to make the content of each page searchable. You can view the automatically generated text below as well as copy and paste individual pieces of text to quote in your own work.
Text recognition is never 100% accurate. Many parts of the scanned page may not be reflected in the OCR text output, including: images, page layout, certain fonts or handwriting.
Düsseldorf, 7. Juli 1909. Erscheim jeden Mittwoch. Nachdruck des Inhalts, auch auszugsweise, verboten. Das Eisenbahn-Kino-Theater. Von Ludwig Brauner. Vor ungefähr zwei Jahren, am 1. April, hat ein geist- i<i-her französischer Schriftsteller «1er erstaunten Mitwelt v>«n einem Unternehmen erzählt, das mit dem Keginn der Frühjahrsreisesaison auf der Exnresszugstrecke Paris-Nizza ins lieben getreten sein sollte. In durchaus glaubwürdiger und auch viel geglaubter Form plauderte der gewandte Feuilletonist von der längst als Bedürfnis empfundenen I .ibetriebstellung eines Eisenliahntheaterwagens mit einer riehtigen kleinen Bühne, mit wirklichen Kulissen und echten Miauspielern. Die amüsante Schilderung seiner Eindrücke in diesem mit 80 bis 100 Kilometer Geschwindigkeit pro ''tunde dahinsausenden niedlichen Theaterchen wurde von sehr vielen Blättern nachgedruckt und fand auch in deutschen Zeitungen Eingang, ein Beweis dafür, dass der Gedanke, auf einer langw ierigen Reise einen so angeneh¬ men Zeitvertreib vorzufinden, vielfach als nur zeitgemäss •«•grünst wurde. Den wenigsten Lesern kam es zum Be¬ wusstsein, es handle sieh hier um den harmlosen Seherz eines Journalisten, der sieh gelegentlich einer Fahrt im Leiste die Möglichkeit eines Theatergenusses im Eisen¬ bahnwagen vorstellte. Es schien fast selbstverständlich, dass eine Eisenbahn Verwaltung bei dem Bestreben für weitgehende Bequemlichkeit ihrer Reisenden zu sorgen, endlich auch daran dachte, die Langeweile aus den kom¬ fortablen Eisenbahnzügen durch die Mitnahme eines Eiscn- bahnthcaierwagens zu bannen und neben »len Schlaf¬ end Speisewagen, die bei grösseren Reisen schon längst unentliehrlich geworden sind, auch einen Wagen mitzu¬ führen. in dem gegen besondere Vergütung jedem Reisenden für ein oder zwei Stunden ein bissehen Komödie geboten jDrd. Der ruhige gleichmäßige Gang der bequem und luxuriös ausgestatteten grossen und neuen Wagen, die auf starken und doch elastischen Federn aufgebaut jeden > toss paralisieren. sc hien einem solchen Unternehmen durchaus günstig. Dass aber auch die kleinste Bühne nut den unbedingt erforderlichen Nebenräumlichkeiten für die Schauspielcrgarderohc. Requisiten etc. schon mehr **** di®. Hälfte des Wagens beansprucht und dass sich auch sonstige Schwierigkeiten technischer und konstruktiver Art «lern Unternehmen in den Weg stellen würden, wenn das Repertoire auch nur etwa einviertel Dutzend Stücke (wuli das mindeste) umfassen sollte, wurde vorerst gar nicht in Betracht gezogen, so viel Vertrauen glaubte- man in die Leistungsfähigkeit unserer heutigen Eisenbalui- teehniker setzen zu dürfen. Und doch ist ein Eisenbahntheaterwagen kein Ding der Unmöglichkeit. Freilich lässt er sich nicht in der Weise verwirklichen wie ihn Oer französische Journalist geträumt hat. aller wir liaheu unter den vielen modernen Erfindungen eine, die als Surrogat für eine wirkliche Theatervorstellung sehr wohl in d e Sehranken reten kann Wir meinen selbstverständlich den Kineniatographeii. der sieh von Tag zu Tag als vielseitiger erweist. Das stundenlange Stillsitzeu auf einem Platz ermüdet den Körper ebenso wie den (»eist und jeder Einzelne sucht sieh di« Langeweile der Fahrt nach Möglichkeit zu vertreiben, die meisten dadurch, dass sie es vorziehen, weite Strecken nur des Nachts und nur im Schlafwagen zurückzulegen Hat man, wenn eine Reis«- durchaus am Tage gemacht werden muss, keinen Partner, mit dem die Zeit verplaudert werden kann und bietet auch die Betrachtung d«*r vorüber- huschcnden Landschaft auf die Dauer keine Anregung mehr, sind schliesslich di«- Blätter, mit denen man sich versorgte, vom Leitartikel bis zur letzten Annonce durch- gesehen, so pflegt sich jenes schreckliche (lefühl liemerkbar zu machen, das man Langeweile nennt und die uns umsomehr quält, je nervöser uiui unruhig«*r wir sind. Die Zeit will nicht verstreichen und bis zur Erreichung des Ziels glaubt man vor Ungeduld zu vergehen, ln solchen Augenblicken wäre eine Ablenkung imd Zerstreuung den meisten sicher höchst willkommen und eine Einrichtung, die Kurzweil und Unterhaltung zugleich bietet, dürfte sich wohl «-ines lebhaften Zuspruches erfreuen und damit auch die Frage der Rentabilität lösen. An die Mitführung eines kleinen Theaters mit Bühn«-. Kulissen un«i Schauspielern ist natürlich aus mehrfachen- namentlich räumlichen Gründen nicht zu denken. Einen guten nngemeir. vielseitigen und nie ermüdenden Ersatz finden wir aber mit Leichtigkeit in einer kompletten kim- mat<«graphischen Einrichtung mit Projektionsleinwand.Kino- projektor, mehreren Dutz«*nd Films und einem tüchtigen, den Apparat bedienenden Techniker. Im zwanzig Meter