Der Kinematograph (December 1909)

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No. 154 Oer Klnematograph — Düsseidort. Nicht nur Pädagogen finden wir auf diesem Gebiete tätig, sondern auch Techniker. Chemiker. Politiker, Ge¬ schichtsforscher und — Strafrechtslehr-r Dass auch hierbei nach dem Erfinder der Kinemato¬ graphie geforscht wurde., ist selbstverständlich. So hat Helm holz in seinem Handbuch 1er physiologischen Optik ..Das Taumotrop " als die Uridee Jer Kinematographie hingestellt, die Wolf-Czapeck i» seinen» Werk ..Die Kinematographie". Dresden 1908 in seinem Entwicklungs¬ gang trefflich schildert. Es gibt wohl keinen Schrift¬ steller von Bedeutung, der mit wärmeren Worten für diese eintritt als der Genannte. Er bezeichnet den Professor M a r e y als denjenigen. ..der den kräftigsten Anstoss zu der Entwicklung der Kinematographie gegeben habe, und nicht mit Unrecht als der Vater derselben bezeichnet werden müsste, wenn nicht noch heute alle Vaterschaft ungewiss wäre“. Wolf-Czapeck übt auch eine sehr scharfe Kritik au den ortspolizeilichen Vorschriften. Er will die Wanderunternehmungen kleinen Umfanges und besonders die gelegentlichen Vorführungen in Kursen und Vereinen vor ..sinnloser Schikanierung“ und hirtgesetzter ..Knebelung der Kinematographie” behütet sehen. Fritz Hansen in der Schweiz, der den Kinemato- graphen, soweit derselbe wissenschaftliche Zwecke verfolgt, das Urheberrecht unerörtert lässt, beschäftigt sich damit, denjenigen zu ermitteln, der den Kinematographen zuerst als Schaustellung öffentlich vorgeführt hat.» Er kommt zu dem Ergebnis, dass weder Edison noch Lu miere, sondern Karl Skladanowsky in Berlin derjenige gewesen ist. der bereits im Juli 1895 im Wintergarten daselbst mit eigenst konstruiertem Apparat und Originalbildern Vor¬ stellungen gegeben hat. • Wolf-Czapeck nimmt dies auch als feststehend an. Er schildert treffend im Kinematographen etwa ..keine Vorrichtung zur optischen Verschmelzung wirklicher Bilder" sondern sieht darin ..eine Theorie der Träume“, die L u - creti Cari in seinem Werk ..De rerum natura libri“ ..ein Verschmelzen einer Reihe rasch nacheinander vor¬ geführter Bilder“ nennt. Tadelnd spr eht Wolf-Cza¬ peck über den vorhandenen Ballast von Bildern, den er absurd nennt. Auch über medizinische Films spricht er ein abfallendes Urteil aus, soweit chirurgische Aufnahmen in Frage kommen, die er imter allen Umständen als .Schau¬ bilder ausgeschaltet sehen will. Dagegen schreibt er dem Kinematographen eine grosse Einwirkung auf Malerei und Kunsterziehung zu, di<* Anregungen zu Studien gäben. Die Dauer des Lichteindrucks im Auge behandelt Professor Dr. <! a u 1 e . den dieser liei einer Licht¬ stärke von 1 auf 0,2873 Sekunden, bei 8 auf 0.1508 bereclinet hat. Prof es : o r Eder liedauert das Fehlen einer Statistik der Kinematographie. Der notorische Gewerbe- fleiss. der hier herrsche, sei leider unkontrollicrbar. Er sagt: Welche Ausdehnung der Umsatz von Films angenommen, zeigt die Tatsache, dass in einer einzigen Woche des Jahres 1909 in New York 80000 Fuss neuer europäischer Films ein¬ getroffen wären, die sofort unter den dortigen Theater¬ besitzern eines organisierten Verliandes verteilt wurden. Diesen Y T erband greift Eder an. ..der einer freien Entwick¬ lung der Kinematographie sicher nicht förderlich sei". Was Eder hier als ungeheuerlich anzunehmen scheint, dass in einer Woche 80 000 Fuss von Europa geliefert werden, ist unbedingt ein Irrtum. 80 000 Fuss wären'nur 2»—27 (MM» Meter, was wollen diese für New York, für Amerika lie- deuten ? Im Lehrbuch für Patentrechte behandelt Köhler das erste französische Patent als einem Vorläufer für den Kinematographen, das den Zweck haben sollte, auf photo- graphischem Wege eine Szene mit allen ihren Veränderungen innerhalb einer bestimmten Zeit aufzunehmen. Ueber diese ngeblich „erste Idee der Kinematographie“ und den Grund der Erfolglosigkeit dieser verfrühten Erfindung gibt er an dass die Empfindlichkeit der nassen Platt» für den beab¬ sichtigten Zweck nicht ausreichend war. Das Strafrecht in der Kinematographie behandelt Reichert . der die strengste Anwendung des § 184 des Strafgesetzbuches verlangt. Er befürwortet die Unbrauch¬ barmachung beschlagnahmter Films, wenn solche zu einer Verurteilung führen. A 1 1 f e 1 d vertritt die Strafbarkeit von Beleidigungen vermittelst der Kinematographie, die er nicht in der Aufnahme der Films sieht, sondern erst durch die Projektion als vollendet betrachtet Auch Köhler will das Strafrecht für „Ideen - angerufen wissen. Nachdem die Berner „Konvention auch im Reichstag angenommen, sind diese nunmehr geschützt. Er begründet dies treffend: ..Ein Kunstwerk kann eine Idee von etwas Wirklichem darstellen, es kann aber nicht selbst Wirklichkeit sein, trotzdem muss demjenigen, der ein Ideenbild durch geistige Initiative gestaltet, auch die Herrschaft über das seinem Geiste ent¬ stammende Gut zukommen". Dieselben Ansichten vertritt Dernburg, beide sind auch darüber einig, dass Re¬ produktionen gegen Entgelt, gewerblich ausgenutzt, straf¬ bare Handlung«*» sind. Köhler geht speziell auf die Kinematographie ein. Er erkennt zwar an. dass die Bilder des Kinematographen. als E nzelbild» r. „Kunstwerke sind". Iiestreitet aller den Kunst wert -Charakter der „durch stän¬ digen Wechsel der Bilder sich entwickelnden Szene“ der in der Bildfolge enthaltenen Dramatik. Er nennt dies di«* Konsequenz seiner ästhetischen These, dass die bildende Kunst nur durch Farbe den Zeitsinn berührt. während ein Geschehnis, das sich im Raum entwickle, kein bildendes Kunstwerk sei. Interessant ist der vom Baseler Gericht auf- gestcllte Gesichtspunkt: Weder in der Berner Konvention noch in» Bundesgesetz (Schweiz) befindet siel» eine aus drückliche Bestimmung, wonach sj»eziell da.- Vorführungs recht bei kinematographischen Bildern geschützt ist. Allein die Annahme eines solchen Rechtsschutzes entspreche dem Sinn und Zweck dieser Rechtsnorm. Denn wie bei drama¬ tischen, musikalischen und dramatisch-musikalischen Werken nicht nur das Vervielfältigungsrecht, sondern auch das Auf¬ führungsrecht geschützt ist. so muss dies auch Ihü kine¬ matographischen Bildern gelten. Aus alledem ist ersichtlich, dass die Kinematographie auch in Gelehrtenkreisen ein reges Interesse hervorgerufen hat. das in den verschiedensten Formen, wie diese knappe Auslese ergibt, zutage tritt. Was aus dieser Stellungnahme der f Jelehrten«eit hervorgeht, ist insofern von grosser Wich¬ tigkeit. als die Kinematographie nicht als etwas „vor¬ übergehendes und beiläufiges -- betrachtet wird, sondern erst als eine in Entwicklung 'befindliche Darstellungskunst betrach¬ tet wird » Von diesen» Standpunkte aus werden diese Aus lassungen zweifellos das Interesse auch unserer Leser er¬ regen. Wenn augenblicklich auch in Fabrikantenkreisen eine Krisis sich bemerkbar macht, so steht diese doch im grellen Gegensatz mit den» ausserordentliche»» Besuch aller Kinematographen-Theater. die durchweg gute Geschäfte machen. Die Klagen, die st» oft laut werden und in den» Gewand einhergehen: Man must die Kinematographie zu heben versuch e n, sind durchaus unberechtigt Was augenblicklich allein Not tut. ist die Hebung der Fahre kation durch Entnahme guter Bilder. So lange das alt' Material dauernd bei den Filmverleihern rouliert. kann dieser Notstand nicht beseitigt werden. A.