Der Kinematograph (December 1909)

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No. 1B7. Der Kinematograph — Düsseldorf. Aus dem Reiche der Töne Wie eine Grammophonplatte entsteht. Reminiszenzen an Caruso. — Ein Fülif-M in Uten-Zauber. — Schlafende Töne. Im AllerheiligsU n der Ingenieure. Vorstellungen ohne Zuhörer. Die llörmaschine. Vor dem Aufnahmetrich er. An demselben Tage, da Caruso vor dem Polizeirichter in New York über seine ..Affäre“ im Tiergarten Auskunft geben musste, trafen in Wien eine Anzahl von .Stimmen¬ aufnahmen dieses Sängers ein, die st» vorzüglich gelungen waren, dass sie ihm die Antipathien selbst der prüdesten und strengsten Sittenrichter mit einem Schlage wieder zerstreuen halfen. Das war zu einer Zeit, da die Sprech- inusrhinen noch lange nicht so populär waren wie heute und der Besitz eines Grammophons nur den bevorzugten Gesellschaftsklassen möglich war. Das war al>er auch eine Platte! Wie von Geisterhand gerührt, spielt ein unsicht¬ bares Klavier ein paar Takte. Dar.n setzt der weiche, prachtvolle Tenor ein. Man schliesst die Augen und träumt sieh in die Zeit zurück, da der grosse Sänger vor uns stand. Und man meint ihn wieder vor sieh zu haben, in der ganzen Schönheit und Grösse seiner Künstlerschaft. Ein leises Surren — der Fünf-Minuten-Zauber ist vorbei. Wir stehen vor dem Grammophone und Caruso ist weiss Gott wie viele Meilen von uns entfernt. Und doch hat der kleine Apparat da vor uns mit seiner rätselhaften Schall¬ platte. in der all die herrlichen Töne ihren Dornröschen¬ schlaf schlafen, uns über Raum und Zeit hinweggeholfen. Heute sind dergleichen Aufnahmen keine Seltenheit mehr. Die Meisterwerke der internationalen Musik sind fast durchweg auf Schallplatten aufgenommen und es wird wenig Sänger und Virtuosen mehr geben, von denen eine Probe ihrer Kunst nicht durch die Sprechmaschine erhältlich wäre. Wie alter entsteht so eine Platte ? Auf die denkbar einfachste und dabei doch technisch höchst komplizierte Weise. Der Sänger — nehmen wir an, es handle sich um einen solchen — wird gegen entsprechendes Honorar von einer Plattenfabrik engagiert, bekommt seine Piece, die er zu singen hat und studiert sie zu Hause. Denn es ist keineswegs gleichgültig, ob man vor dem !*ublikum oder vor dem Aufnahmeapparat singt. Endlich muss die Piece so bemessen werden,'dass sie ,,auf eine Platte geht“, wie man zu sagen pflegt, das heisst, sie darf nicht länger sein als zwei, drei oder fünf Minuten (je nach der Gröase der Platte): zweitens muss manches in der Instrumentierung geändert werden, denn nicht alle Töne, nicht alle Instrumente kommen vor dem Aufnahmetrichter gleich schön heraus. Ist die Partie einmal einstudiert und durchprobiert, so 1 jegibt sich der Sänger in den Aufnahmeraum, ein Lokal, das genügend gross ist, um nötigenfalls ein ganzes Orchester darin spielen lassen zu können. An der Front desselben ist der Aufnahmeappart aufgestellt. Der Künstler sieht davon jedoch nur den Schalltrichter. Der eigentliche Appa¬ rat ist durch vorgehängte Tücher allen indiskreten Blicken entzogen. Denn auch hier gibt es Geschäftsgeheimnisse, die man vor allen Sterblichen ängstlich zu wahren bemüht ist. Nun beginnt‘die Vorstellung,’bei der der Aufnahme- Apparat das fehlende Publikum ersetzt. Hinter dem Vor¬ hang erscheint der geheimnisvolle Künstler, der die* Platte technisch fertigstellt, der Aufnahmeingenieur, und setzt den Apparat in Bewegung. Auf sein Zeichen beginnt auch das Orchester zu spielen und der Sänger setzt ein. Soll die Aufnahme gut gelingen, so muss er sich bei den hohen Tönen etwas zurückbeugen, bei den tiefen dagegen mehr vomeigen. Der kleine Stift auf der Schalldose schreibt die Töne in zarten Rillen auf eine Wachsplatte genau so, wie die Schalldose sie „hört“. Ist das Lied beendet, so kann man die aufgcnomn.cn» n Töne von der Wachsplatte sofort zu neuem Leben erwecken, das eben Gesungene also wieder erklingen lassen. Das Ganze ist also keine Zauberei. Es sieht nur danach aus. Der Aufnahmcapparat arbeitet rein mechanisch, er zeichnet lediglich das auf, w'as er gehört hat. Wie das möglich ist, darüber ein anderes Mal! Freilich ist die \\ achsplatte, die vom Sänger direkt besungen worden ist. noch weit von dem entfernt, was man gewöhnlich als Grammophonplatte bezeichnet. Sie ist vor allem nicht haltbar, sodann ja nur in einem einzigen Exem¬ plar vorhanden. Würde man sie abspielen, so wäre sie bald verdorben. Um dies zu vermeiden, müssen die in das Wachs aufgenommenen Töne auf ein härteres, widerstandsfähigeres Material übertragen werden. Von der Originalaufnahme auf Wachs werden deshalb negative Abdrücke gemacht, indem man dieselbe mit Graphitpulver überzieht und in ein galvanisches Bat! legt. Bald schlägt sich eine feine Kupferschicht nieder, die. abgelöst, einen genauen Abdruck der Originalaufnahme ergibt. Diese Kupferplatte wird nun auf ein geeignetes Material aufgelötet und vernickelt. Mit dieser ..Matrize“ kann man nun durch eine Maschine, di»» einer Münzenpräg- raaschine sehr ähnlich ist, Platten in beliebiger Anzahl aus Hartgummi etc. pressen. Doppelseitige Platten er¬ fordern natürlich zwei Matrizen.Wird eine aus irgendwelchem Grunde unbrauchbar, sei es, dass sie zerspringt, verkratzt oder sonst beschädigt wird, so kann man die Platte nur mehr mit einer anderen Matrize kombinieren. So erklärt sich der obligate Vorbehalt, der in fast allen Grammophon¬ plattenkatalogen zu lesen ist, auf ganz natürliche Weise. N. W. Journal. Notizen. Deutsche Vitaskope-Gesellschaft in. b. 11., Berlin S. W. 48. Mignon. I. Akt. Personen- Verzeichnis: Philine. . Frl. Gaetes Lotharin.Herr Neudamm Mignon.Frl. Wiggraf (Mitglieder der Kgl. Hof»>|jcr) Kgl. Hofopem-( 'hör, Kgl. Ballett. Schon die Erstaufführung der Oj»er Mignon im Jahre 1 866 zu Paris errang einen bedeutenden Erfolg, der diesem Werk bis heute treu blieb. Der Komponist Antbroise Thomas (geb. 1811, gest. 1898) schuf damit sein Bestes; obwohl das Libretto gerade nicht zu den glücklichsten gehört, ver- half ihm die Musik doch zu einer nachhaltigen Wirkung. Bekanntlich entstand das Textbuch aus Goethes ..Wilhelm Meisters Lehrjahren" Wir bringen den ersten Akt, der in einem Wirtshaus spielt. Dort sind Schauspieler und Bürger vergnügt beisammen. Auch Wilhelm Meister ist dort ein¬ gekehrt. In diese lustige Gesellschaft kommt auch der greise Sänger Lothario. um seine Kunst zu zeigen. Unter der Schauspieltruppe trifft man Mignon, ein junges blühendes Mädchen. Sie wird von ihrem Direktor Jarno aufgefordert den Eiertanz vorzuführen, jedoch weigert sie sich hierzu. Aber der brutale Jarno will sie mit Gewalt zum Tanze zwingen und erhebt bereits die Hand um auf sie einzu¬ schlagen, da legt sich Wilhelm Meister für sie ins Zeug und kauft das reizende Mädchen dem Lei* r der Schauspieltruppe gegen einen Zins los. Hiermit schbe -it unser Bild, das von denselben Künstlern dargestellt und gesungen wurde. Photographische Schärfe gibt alle Phasen der interessanten lebhaften Szene deutlich wieder und bildet das Ganze wegen seiner grossen historischen Treue, vortrefflichen Regie, eine ausserordentliche Anziehungskraft.