Der Kinematograph (February 1910)

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No. 16 i» Der Kincmalouraoh — Düsseldorf. Viele Besucher tler Kimitheater Herden durch <lie Ueber- setzungen »1er Namen und der ganzen Titelbilder irre- gefiihri und wissen nun nicht, warum Frau Lelunann ihr Söhnelien auf beide Wangen küsst. warum »lics»-s einen Kittel mit einem Gürtel trägt* sic finden es merkwürdig und halten es für einen Witz, dass Lehmanns Brote in Gestalt von meterlangen Knüppeln essen usw. Wir haben im Kinotheater immer Cielegenheit, »li«‘ Sitten und Ge¬ bräuche a n d e r e r Kulturvölker kennen zu lernen, ohne gerade ülier diesen Gegenstand direkt belehrt zu wer¬ den. Man sieht auch oft freimle Strassen bi hier von grossem Beiz oder eigenartiger Wirkung, ohne »lureh den Film selbst zu erfahren, »lass diese oder jene gefällige Art Villen zu bauen Vorgärten anzulegen, dem englischen oder ameri¬ kanischen Geschmack entspricht, .fedenfalls würden die Vorführungen durch den einfachen Aufdruck ..Französischer Film". Italienischer Film” et»-, an Verständlichkeit ge- h innen. Aber auch oRhe dies verschafft uns die Kinemato¬ graphie manchen tieferen Hinblick in »las Leben und Treiben fremder Völker. Sie verwischt die Grenzen und lässt uns iilier Berge und Oeeane hinweg erkenn«'», dass das Streben na»-h «lern Besseren in unserem eigenen Sinne bei allen Völkern vorhanden ist, dass es taus»-iid grosse Gedanken und Gefühle gibt, die sieh iilier politische Zänkereien er- heben und die Menschheit auf diesem Planeten zu einein einzigen grossen Publikum: zum Publikum der Kinotheater machen. Betreten wir ein solches Theater, so dürfen wir uns als Weltbürger fühlen. Wir sin»! nicht mehr in Vohwinkel oder in Kleinstädten, sondern an einem Orte, an dem die Nationen ihre Gedanken und Gefühle austausehe». an dem in der Zukunft tler grosse Strom der Kunst und der Musik v«n iilierfliessen wir«!. Di«- bedeutendste Kunst wächst auf nationalem Buden, um sieh die Anerkennung der ganzen Welt zu erobern. Die Kim-matographie ist auf eine solche Ki nst angewiesen. Sie stellt immer mehr eine neue Verlan¬ dung zwischen den Nationen dar, sie bietet täglich neue .Möglichkeiten gegenseitigen Verstehens. Welche Rolle sie zu Kriegszeiten spielen wird, ist noch nicht klar vor¬ auszusehen. Daran alter »liirfte keiner zweifeln, dass sie zu jeder Zeit in höherem Masse als die Presse und mit grösserer Wirkungskraft als diese das Ziel des Weltfriedens v»*rf«ilgen wird. Londoner Brief. Von Otto Schulte. ln den letzten Monaten ist die Zahl der Kinotheater, w ie au«-h die derjenigen Gesellschaften, die diese zu betreiben si»-h zur Aufgabe machen, ganz bedeutend gesti»-gen und \v«-r durch »lie Strassen einer grösseren englischen Stadt geht, begegnet fortgesetzt noch nicht vollendeten Neu¬ bauten mit der Aufschrift ..Kinotheater. Eröffnung in Heuigen Wochen' 1 . Vor einigen Monaten schien es. als wenn die Beliebtheit «1er Kim« durch die ebenfalls überall aus dem Boden sehiessenden R«illschuhbahnen beeinträchtigt werden würde. Diese Besorgnis, die die Gründer veranlasst«, sieh Zurückhaltung aufzuerlegen, hat sich jedoch bereits als unbegründet erwiesen, denn der Rollschuhrum mel lässt erheblich nach und die Finanzgenics desselben greifen zu den bedenklichsten Mitteln, um für ihre Aktien Abnehmer zu finden, ehe es zum Krach kommt. Diese Erkenntnis zeigt zugleich, dass der Kino die Rollschuhbahn überleb«! wird, dass »1er Kino, was man früher hier und da wohl noch bezweifelte, die grossen Massen auf die Dauer zu fesseln vermag. Aller nicht nur in der Zahl d«*r Kinos, sondern auch in deren Aufmachung hat sieh seit etwa einem Jahre ein einschneidender Wandel vollzogen. Statt der primitiven Theater, die vereinzelt nur noch im Ostend von London Vorkommen, begegnen wii selbst in den ärmeren Vorstädten luxuriös ausgestatteten Palästen, deren meist weisser An¬ strich ein Gefühl von Behaglichkeit und Sauberkeit erweckt. Di«- inneren Einrichtungen sind in London in »1er R»*gel ebenso prunkvoll, wie die äusseren. Nur in den Provinzen begegnet inan hier und <la feuchten, ungeheizten Räumlich¬ keiten, doch geht di«- Zahl derselben ständig zurück, und das ist im Interesse «1er Achtung und Aufmerksamkeit, ciie auch das gebildete und vornehme englische Publikum dem Kinematographen zo'lt, durchaus wünschenswert. Auch in d«-r Wahl der Is>ka itäti-n hat sieh ein erfreulicher Wandel vollzogen. Während «li<- Kimis früher nur in den Nebenstrassen, wo die Mieten billig sind, anzutreffen waren begegnet man ihnen jetzt in den vornehmsten Geschäft» v ierteln. Leb« ein Dutzend schöner Kino, befinden sieh allein in den lebhaftesten Geschäft sstrassen Londons, wie Oxford Stritt, Regent Street, Pieeadillv und Strand uml fast ebensoviel© werden innerhalb weniger Monate in diesen Strassen in Betrieb genommen. ist Oxford Street allein werden drei Neubauten vorgenommen. Der Betrieb der Londoner Kinos weicht wenig von «lern der deutschen Theater ab. Die Programme weisen w oehentags gewöhnlich tt und S mntag 6 Nummern auf. Der Zudrang ist namentlich Sonntags ein ganz enormer und daraus erklärt es sieh, dass »ich die Inhalier der Verord- ming, S«mntags zu sehliessen. nicht recht fügen wollen. Jedem Theater ist ein Exemplar des neuen Gesetzes, weichet« den Sonntagsbetrieb untersagt, zugegangen. alter trotzdem arbeiten die meisten in London ungestört weiter, was zu gleich zeigt, wie wenig man sich hierzuland«- aus Ix-hördliehen Verfügungen macht. Früher «»der später wird ja »tie Sonn¬ tagsruhe wohl eingeführt werden, genau so, wie dieses im Theater- und Varietebetrieb schon seit Menselu-ngt denken der Fall ist. Aber vorläufig suchen «Jie lnhalx-r Sonntag» noch ihr Geschäft zu machen und wer winl ihnen dieses verdenken, wenn die Behörde untätig zusieht Die Laxheit, die die Behörde den Kinos gegenülier bekundet, zeigen die letzteren in Bezug auf die Eintritts¬ preise. Gewöhnlich haben die .Theater 2 Preis«* und zwar « ine Mark und fünfzig I*fennige. Wenn man aber glaubt, man bekäme für eine Mark «-inen besseren Sitz als für eine hallx- Mark, dann irrt man sieh. Die guten Plätze sin«! von den weniger guten nicht getrennt; jedermann setzt sieh d«irthin. wo es ihm am besten behagt und wer sieh in den Londoro-r Etablissements einigerniassen auskennt, bezahlt nur 50 Pfg. Wer eine Mark an der Kasse zahlt, tut dies nur einmal, denn er überzeugt sich liald, dass er hereingelegt worden ist. Es gibt natürlich Lokale, in denen ein Platzunterschied gemacht wird, aber sie zählen, wenigstens im Westend Londons, entschieden zur Minderheit. Per wöchentlich zweimalige ProgrammWechsel hat sich gut eingebürgert. Nur wäre es wünschen»wert. dass die nahe zusammengelegenen Theater auf die Verschieden¬ heit der Films mehr Gewicht legen wollten. Besucht man heute ein Etablissement und motgen ein anderes, so sieht man gewöhnlich die Hälfte de» Films zweimal, was sich doch vermeiden lassen sollte und zwar um so leichter, als viele unter einer Regie stehen. Interessant sind auch die Mittelchen, durch die mau das Publikum anzulocken sucht. In den Vorstädten ls»n- don» ist «las System der Preisvergünstigungen beliebt. In den Warengt*sohäft«-n werden den Kunden Kupons gegeben, die an der Kass? zu einem Penny «xler darüber in Zahlung genommen werden. Es kommt auch vtir. dass die Zeitungen Kupons ausgegeben, die zum freien Eintritt berechtigen, allerdings nur an solchen Tagen, an denen der Besuch erfahrungsgeinäss zu wünschen übrig lässt. Ein Kin«> in Shaftesbury Avenue (London) bewirtet seine Gäste nachmittags mit Tee und abends mit Kaffee, beides natür¬ lich gratis und hunderte von Kunden kommen täglich nur der Erfrischung halber. In «len Provinzstädten pflegt«- inan wöchentlich Prämien auszulosen, doch ist dieses aus