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No. 173. Der Klnematograph — Düsseldorf. Kinematographenrecht. Vortrag des Herrn August Schacht im Zweckrerhand. ln der juristischen Gesellschaft zu Berlin hielt am 12. Juni v. J. ein Herr Professor l>r. Georg Cohn aus Zürich einen Vortrag über das Thema: ..Kinematographenrecht". der sich mit den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen über Kinematographen befasste. So interessant der Vortrag auch an und für sich ist, so vermisst man beim eingehenden Studium doch eins: Herr Professor Cohn tat mit be¬ sonderem Fleiss die bestehenden Gesetze auf die Kinemato¬ graphen anzuwenden versucht, er hat also vom ..Kinemato¬ graphen r e c h t". juristisch gesprochen, gereuet, alter das ..Kinematographen unrecht" hat er nicht in den Kreis seiner Betrachtungen gezogen, er hat vergessen, darzulegen, dass nach den heutigen Gesetzen die Kine natographen eine Stellung einnehmen, die sie der Willkür jeder Polizei- verwaltung. den gesetzgeberischen Massnaunen auch kleinerer Provinzialstadtverwaltungen preisgelten, die mit diesen Massnahmen einen Zustand erzeugen, der nicht als Kinematographenrecht bezeichnet werden kann, sondern der auf die Erdrosselung dieses blühenden und im besten Aufschwünge begriffenen Gewerbes hinzielt. Denn heute nehmen die Kinematographen noch eine Aus¬ nahmestelle ein. und wie viele Stadtverwaltungen glauiten. sie können die Kinematographentheater als milchgebende Kuh für den Stadtsäckel auspressen wie eine Zitrone. Immerhin ist der Vortrag des Herrn l>r. Cohn interessant genug, um auch von mir für meine Ausführungen benutzt zu werden, und in vielen Punkten kann ich mit dem Ver¬ fasser vollkommen übereinstimmen Es liegt klar auf der Hand, dass es gesetzlicher Bestimmungen oder der An¬ wendung bestehender Gesetze auf die Vorführung lebender Photographien nicht l>edurfte, solange es sich lediglich um Spielzeug handelte, das vor nunmehr l>ald fünfund¬ siebzig Jahren unter den verschiedensten Namen auf- tauclit". Anders wurde jedoch die ganze Sachlage, als das Prinzip des l>r. Paris'schen Thaumatrops verallgemeinert und der grossen Masse zugänglich gemacht wurde, nachdem schon 1853 der österreichische Feldmarschall-Leutnant Vchatius Bewegungsbilder an die Wand projiziert hatte. Die lebenden Photographien errangen sich trotz der Un¬ vollkommenheiten, die sie, wie jede neue Erfindung, natur- gemäss zeigten, schnell die Gunst des Publikums, und an allen Orten schossen Theater lebender Photographien aus der Erde. Ausserdem bildete sich eine glänzende, jetzt blühende Industrie. Filmfabriken entstanden, die es sich zur Aufgabe machten, nicht kurze, in der ersten Zeit meist humoristische Szenen von höchst fragwürdige! Harle- kinerci herauszugeben, sondern die allmählich dazu über¬ gingen. grössere dramatische Szenen durch hervorragende Fachschauspieler darstellen zu Lassen Es war daher kein Wunder, dass mit der hohen gewerblichen Fortentwicklung sich auch Konflikte zwischen den einzelnen Interessenten¬ gruppen einstellten, zwischen den Filmfabrikanten und den Theaterbesitzem, den Dichtem und Schauspielern und endlich den Film Verleihern, dieser erst in den letzten Jahren entstandenen neuen Gruppe der Kinematographeninter- essenfcen, die ihr Entstehen der Notwendigkeit verdankte, dem Publikum möglichst oft neue Bilder zu zeigen, deren Kauf an den verhältnismässig hohen Filmpreisen scheiterte. Alle diese Konflikte forderten natürlich eine gerichtliche Entscheidung heraus, und bereits heute liegt eine grosse Anzahl solcher Entscheidungen nicht nur der unteren Justizorgane, sondern auch des Reichsgerichtes,des KanuVr- gerichtes und des Preussischen Oberverwaltungsge¬ richtes vor. Aber mit diesen Entscheidungen haben wir es bei meinem heutigen Referat nicht zu tun, sie berühren die Praxis der Kinematographentheater nur wenig, weil sie herausgefordert wurden durch die gegensätzliche Auf¬ fassung einzelner Interessentengruppen über die Rechts¬ lage bezüglich einzelner Punkte. Aber es stellten sich viele Fragen zur Lösung, die mit Notwendigkeit darauf hindrangen, die Gesetzgebung in Bewegung zu setzen. Unsere deutschen Gesetze, sowohl das Strafgesetz, als auch die Mehrzahl der Zivilgesetze, entstammen einer Zeit, als man dort das Wort „Kinematograph“ noch nicht einmal kannte, geschweige denn den grossen Einfluss ahnen konnte, den sich diese neue Erfindung dereinst erringen würde. Und gerade dahin, dass die bestehenden Gesetze nicht aut den Betrieb der Kinematographen mit zugeschnitten werden konnten, weil elfen die Materie fehlte, haben sich die vielen Misstände ergeben, die Ihnen allen zur Genüge bekannt geworden sind. Ministerialerlasse, Polizeiver¬ ordnungen versuchten das nachzuholen, was die Gesetz¬ gebung mangels eines vorliegenden Stoffes nicht erfüllen konnte, und so entstand in den Verordnungei: eine Runt- scheckigkeit ähnlich der Karte des Deutschen Reiches nach dem Wiener Kongress 1815. Es ist dahin gekommen, dass heute tatsächlich schon eine ungemeine Kenntnis aller Verhältnisse dazu gehört, um zu wissen, was in den einzelnen Gegenden unseres Vaterlandes gestattet, was ver¬ luden ist. Nur ein Gesetz ist bisher auf die Kinematographen zugeschnitten worden, es ist die wohl nur einigen von Ihnen bekannte ..Berner Konvention“, die besonders für die Filmfabriken von besonderem Wert ist, den Theaterbesitzer aller wenig berührt. Diese ..revidierte" Konvention wird am 1. Juli d. J. auch vom Deutschen Reich ratifiziert werden und damit für alle Länder (es sind nur noch wenige Ausnahmen vorhanden, nachdem als letzte der sogenannten Kulturländer Russland und Dänemark der Konvention bei¬ getreten sind) Rechtskraft erlangen. Doch betrachten wir das sogenannte „Kinematographen- recht". wie es zur Zeit besteht. Hier müssen wir das „öffent¬ liche" Recht und das „private" Recht unterscheiden. Das private Kinematographenrecht scheidet für die Theater¬ besitzer wieder fast vollkommen aus. denn hier handelt es sich zum grossen Teil um jene Bestimmungen, die in das deutsche Urheberrecht unter dem Passus ..Recht am eigenen Bilde" Aufnahme gefunden hal«en. Diese Bestim¬ mungen kommen fast nur für die Filtr.fabrikanten bei der Herstellung ihrer Aufnahmen in Betracht. Auch wird beim privaten Kinematographenrecht die Stellung berück¬ sichtigt. die den Schriftsteller und Autoren gegenüber den Filmfabrikanten einnehmen. Bisher (ich möchte dies hier erwähnen, um mir nicht den Vorwurf zuzuziehen, ich hätte einen anscheinend wichtigen Teil meines Referates mit Stillschweigen übergangen) fanden es viele Filmfabrikanteil ökonomischer, die Werke zeitgenössischer Autoren, die nach den bestehenden Urhebergesetzen noch nicht der freien Benutzung zustanden, durch Arrangeure „plündern“ zu lassen. Verzeihen Sie den etwas harten Ausdruck, mein« Ht'rren Filmfabrikanten, alier er ist der einzige, den man in diesem Falle anwenden kann. Einzelne Fabriken freilich hatten sich schon früher an namhafte Schriftsteller ge¬ wandt und sie gebeten, die Benutzung von Szenen aus den Werken zu gestatten und einzelne Schriftsteller waren diesem Ersuchen nachgekommen, wenn auch nicht immer unentgeltlich, wie z. B. Gabriele d'Annunzio, der von einer Mailänder Filmfabrik für die Benutzung seiner Werk« 12 000 Franken und 10 lhozent der Einnahmen verlangt und auch erhalten hat. Heute haben die meisten Film fabriken. auch die deutschen, «Schriftsteller engagiert, die entweder eigene Ideen zur Darstellung bringen oder jene Ideen anderer «Schriftsteller verarbeiten, die nicht mehr dem Urheberrecht unterliegen: ich nenne von diesen Schrift ¬ stellern die Herren Bolten-Bäckers und «Schätzler-Perasini Wir müssen uns einen Augenblick mit dem öffentlichen Kinematographenrecht beschäftigen. Hier wäre zunächst die Frage zu prüfen, ob es für kinematographische Vor¬ führungen einer Erlaubnis bedarf oder nicht. Das ist in manchen Ländern, z. B. in Oesterreich der Fall, in Frank reich dagegen nicht. Im Kanton Zürich bedarf es eines