Der Kinematograph (April 1910)

Record Details:

Something wrong or inaccurate about this page? Let us Know!

Thanks for helping us continually improve the quality of the Lantern search engine for all of our users! We have millions of scanned pages, so user reports are incredibly helpful for us to identify places where we can improve and update the metadata.

Please describe the issue below, and click "Submit" to send your comments to our team! If you'd prefer, you can also send us an email to mhdl@commarts.wisc.edu with your comments.




We use Optical Character Recognition (OCR) during our scanning and processing workflow to make the content of each page searchable. You can view the automatically generated text below as well as copy and paste individual pieces of text to quote in your own work.

Text recognition is never 100% accurate. Many parts of the scanned page may not be reflected in the OCR text output, including: images, page layout, certain fonts or handwriting.

No. 173. Der Kinematograph — Düsseldorf. sogenannten Patents, das nur an unbescholtene Personen abgegeben wird. Dabe» ist es in der Schweiz, speziell im Kanton Zürich, der wohl massgebend sein wird, gleich¬ gültig, ob der Betrieb ein stehender »»der ambulanter ist isler t*l» die Vorführungen in eigenen Raunen oder auf öffentlichen Plätzen stattfinden. Andersdie deutsche Praxis. Sie unterscheidet zwischen „Darbietung von haus zu Haus «xler auf öffentlichen Wegen und Plätzen" und „im eigenen festen Lokal" und verlangt für jene die polizeiliche Ge¬ nehmigung, während diese nach einer Entscheidung des pr»*ussischen (Hierverwalt ungsgerichtes vom 11. Mai 19o3 für frei erklärt worden ist, denn diese Darbie'ung sei eine Schaustellung, eine Lustbarkeit im Sinne des § 33b der Reichsgewerbeordnung, sie falle unter keine tler Kateg«>rien, di«- im § 33a der Reichsgewerbeordnung als konzessions- pflichtig genannt sei. Aber diese Entscheidung des Ober¬ verwalt ungsg«>richtes ist lx*i den Juristen nicht ohne An¬ fechtung geblieben. So hat z. B. der Liegnitzer Stadtrat I »r. Reichert, den ich gern als Autorität auf dem Gebiet «ler KineinatographenliteraUtr anerkenne, das Verlangen gestellt, di«* Konzession?,pflicht für Kinematographen ein- zuführen. mit antlervn Worten, die Kin«*matograph«‘ntheater unter «len § 33a der Gewerbeordnung zu stellen und diesen Paragraphen d«'n neuen Verhältnissen durch Einfügung der W«»rte „bildliche Darstellungen" anzupassen, auch in K«*gierungskreisen ist man der Erört«Timg tlieser Frag« 1 näher getreten. Wer von Ihnen die Facliz«*it ungen des letzten Jahres verfolgt hat, wird wissen, dass auch ich zu den Befürwortern der Konzessitmspflieht gehörte, es mag sein, dass die im Gespräch mit dem erwännten Stadt¬ rat Ih*. Reichert gefallen«*!» Aeusserungen mich suggestiv lx*einflusst haben, aber heutigen Tages bin ich v«»n meiner damaligen Ansicht zurückgekommen, ich steht* auf dem Standpunkt jener, die di«* Meinung vertreten, «lass nach § 33b die Vorführung lebentler Phot«»graphien einer Kon- z«ssion nicht unterliegt, natürlich nur soweit es sich um Vorführung in geschlossenen, d. h. eigenen liezw. gemieteten Räumt n handelt. I>r. Cohn, der Redner auf der juristischen G«*sellschaft, ist Anhängt*r der Konz»*ssii>nspflicht. er will nur jene Fälle ausscheiden. in welchen es sich um „ein höheres Interesse der Kunst oder Wissenschaft“ handelt. l>r. Cohn gibt zu, dass der Kinematograph berufen sei. «len höchsten Interessen der Kunst und Wissenschaft und insl»esontlere d«*n Zwt*ck«*n des Schul- und Universitäts¬ unterrichts zu «lienen. W«*shalb will er denn solche Be¬ schränkungen, solche Unterschiede machen ? Die Kinemato¬ graphie deren Entwicklung einen stetigen erfreulichen Fortschritt macht, wird sich ihren Weg schon bahnen trotz «ler gegenwärtig m»ch entg«*genstehen«len Hindernisse, trotz «ler vielen Steine, die beson«l«*rs „fürsorgliche" weise Magi¬ strate ihr in den Weg legen wollen, ich erinnere nur an «las jüngst«* B«*ispiel von Spandau, ich erinnere an d«n Halle- schen Bürgermeister Holly, «ler erklärte, «*s wert!«* die Er¬ drosselung «ler Kinematographentheatcr bezw«*ckt. Das wollen sich die w«*ltfremden, jeder Neuerung abholden Herren in«*rken, den Si«*geszug der Kinematographie können sie nicht hemmen, er wird ohne Unterbrechung fortgesetzt, wenn auch tli«* Filmfabrikanten tien bt*reehtigten Forderungen nicht hindernd g«*genüberstellen, wenn sie «*s verstehen, mit tler Zeit fortzuschreiten, die Zeit zu erfassen und solche Biltler herauszugeben, die nicht mehr, wie in den ersten Zeiten, von Mord und Ti*tschlag starren, sondern die tat¬ sächlich für die grosse Masse eine Belehrung, eine Erbauung, aber auch Erheiterung bieten. Mit diesen meinen Ausführungen bin ich bei d£m wichtigsten Punkt angelangt, der di«* Theaterl»esitzer interessiert, bei der Zensur. Auch sie gehört zum öffent¬ lichen Recht. Es ist eine falsche Ansicht, wenn man an¬ nimmt, dass in Preussen eine allgemeine Zensur besteht, es soll vielmehr nach einem Ministerialerlass vom 13. Januar 1908 von der Häufigkeit und Ausgestaltung der Vor¬ stellungen in den einzelnen Bezirken abhängen, ob eine Präventivzensur (d. i. eine Vorbeugungszensur) im Polizei- v«*rt>rdnungsw«*ge einzuführen sei «der ob es ausreichend erscheine, «len Inhalt «ler Bilder wälyend tler Vorführung tlurch geeignete Beamte kontrollieren zu lassen und gt*g«*n anstössige Bilder eventu«*ll regressiv im W«*ge der polizei¬ lichen Verfügung vorzug«*hen. Es hat nicht an Versuchen gefehlt, ein«* Präventivzensur als g«*gen das Pressgesetz v«*rst«»ssend zu bekämpfen, indem man ausführte, der Film s«*i als eine I>ruekschrift im Sinne des Passgesetzes vom 7 Mai 1874 aufzufassen. Diese Auffassung bedeutet eine Unterschätzung der Prt»jekti«»n, und man ist auch bald davon zurückgekommen. Icl glaube, wohl jeder von Ihnen ist damit einverstanden, dass eine Zensur besteht, denn es ist nicht zu leugnen, (.aas der suggestive Einfluss «l«*r zur Vorführung gelangten Bilder sehr gross ist; man hat beispielsweise im Staate Ohio in der Stadt Youngs- town die Vorführung aller Films verboten, auf welchen Kindesentführungen «larg«*stellt werden, weil Neger dadurch zur Entführung von Kindern verleitet worden sein sollen. Wenn als«» die Theaterbesitzer auch Anhänger der Präventiv¬ zensur sind, so verlangen sie doch, dass diese Zensur ein¬ heitlich für «las ganze Deutsche Reich gehandhabt wird, dass nicht ein Film, der in einer Stadt zur Aufführung gestattet wurde, in «ler nahegelegenen Nachbarstadt ver¬ löten wird, weil diese Stadt entweder in einem anderen R«*gi«*rungsbezirk liegt, xler weil die Polizei Verwaltung «ler zweiten Stadt in den Entschliessungen über „gut untl böse“ etwas mehr den Anschauungen huldigt, die alte •Jungfern haben, wenn sit- das kanonische Alter erreichen und die Aussicht auf Erlangung eines Mannes in der gleichen Weise abnimmt, wie die Moralanschauungen zunehmen. Ich stelle also di«* Forderung auf: Man schaffe eine R«*ichs- zensurbehörde für kinematographische Films und ziehe zur Beurteilung der Frag«*, ob ein Film zuzulassen ist oder nicht, anerkannte Fachleute hinzu, denn gerade die Mit¬ wirkung von Fachkennern halte ich aus dem einfachen Grunde für «*rforderlich. weil auch bei den jetzt schon vorhandenen Zensurbehönlen in Berlin oft eine Auffassung Platz greift, tlie sich wesentlich von der Auffassung der Kreise unterscheidet, die nicht von einem pedantischen Bureaukratismus angekränkelt sind. Die Kosten für diesen fachmännischen Beirat werden, wenn sie nicht auf die Staatskasse übernommen werden können, gern die Fabri¬ kanten tragen, die damit tlie Gewähr einer unparteiischen Zensierung erhalten. Eine andere wichtige Frage für die Theaterbesitzer, tlie «lern öffentlichen Kineinatographenr«H*ht angehört, ist die Frage der Zulassung der Kinder ohne Begleitung Er¬ wachsener. Im Kanton Zürich wird jeder Kinematograplien- lx*sitzer mit Konzessionsentziehung und einer Geldbusse liestraft, wenn er Kintler unbeaufsichtigt in sein Theater lässt, und auch bei uns in Deutschland ist es in dieser Be¬ ziehung schon herrlich weit gekommen, die meisten von den Anwesemlen können aus eigener Erfahrung ein Liedlein von di«*sen Beseliränkungen des freien Gewerbebetriebes singen. Als ob der Beschränkungen, denen die Kinemato- graphentheater unterliegen, nicht schon genügend wären, muss ich zum Schluss meiner Ausführungen nt»ch einer Verfügung gedenken, die vor einigen Tagen berechtigtes Aufsehen erregte. Der W«>rtlaut wird wohl jedem von Ihnen lx*kaimt geworden sein, es ist ein Erlass der Polizei- direktion Osnabrück, der besagt, an den tlrei letzten Tagen der Karw«»che (Donnerstag. Freitag und Sonnabend) sowie am Ostersonntag sei «iie Vorführung kinemat«>graphisch« i Vorführungen verboten. Wenn man diese Verfügung liest, so fragt man sich unwillkürlich: Leben wir denn n«»ch in einem Rechtsstaat «xler in einem solchen, in dem die Bürger und Gewerbetreibenden der Willkür irgend eines Beamten preisg«*geben sind, dem es gerade einmal einfällt, eine Ver¬ fügung nach seiner eigenen Auffassungsgabe auszulegen .' Ich hoffe, dass sämtliche Kinobesitzer in Osnabrück und