Der Kinematograph (June 1910)

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Der Klnematograph — Düsseldorf. No. 183. Aus dem Reidie der Töne Oie Beschaffenheit des Aufnahmeraumes. Von Victor A. Reko. Wien. Hei <I‘T allgemeinen, freilieh reeht überflüssigen Ge- : nnniskräinerei. die angeblieh »il*t*r Wunsch des Erfin- ders Emile Berliner — heute noch in allen, die Aufnahme Ix t reffenden Angelegenheiten geübt wird, darf es uns sieht \un «lerne h men, wenn wir einer ausserordentlich tingleieh .fiisgebildeten Technik in der Sehallplattenindustrie be¬ gegnen. Wahrend die eine Fabrik wahrhaft künstlerische und den verwöhntesten (iesehmaek befriedigende Resul¬ tate zeitigt, gelingt der anderen trotz höchster Regiekosten kaum .Mittelmassiges. Neue Fabriken lialien trotz der .dlerprobten und heute fast ausschliesslich von einer ein¬ zigen Maschinenfabrik gebauten Apparate stets an soge- ii.mnten Kinderkrankheiten zu leiden, und trotz der horrililen Kosten, die ein guter Aufnuhmctechniker verursacht. ist das Budget für Experimente iilx rall ein recht hohes. Das kommt hauptsiiehlieh daher, weil man in der >■ liallplattenindustrie meist rein empirisch vorgeht. Das I ' isst : Wahllos wird dies und jenes probiert, dies und jenes ausgeführt. Ist die Sache gut. so handelt cs sieh um eine üi-waltige Neuheit", ist sie nichts wert, so schweigt man • i iriiber. I)m* Aufnahmeteehniker von heute bilden iibnlieh " '«• die ersten Buchdrucker zu Zeiten (-Ittenbergs «x.cr wie du* Flugpiloten eine geschlossene Gesellschaft, deren Kunst li durch Tradition und persönliche Unterweisung fort¬ erbt. Meist liandelt es sieh um ehemalige Mechaniker, seltener um verbummelte, nicht ansstudierte technische Studenten, ganz selten alter um wissenschaftlich und liand- t ksniitssig gleich gilt ausgehihlete Amateure. dk* dann natürlich die I testen Resultate zu zeitigen wissen. Das Handwerkszeug dieser Aufnahmetei-hniker. ihr ganzes Um nnd Auf und heiligstes (Geheimnis ist ihn* Aufm hmesehall- «l"'i . deren es heute bereits eine ganze Menge gibt. Wie "••nig die Theorie derselben noch erforscht ist und wie un¬ geheuer viel hier noch vom Zufall oder liesser gesagt, '"ti unbekannten Faktoren abhiingt. geht schon daraus Hervor, dass kein Techniker imstande ist. die vielleicht von ihm xellist konstruierte und von ihm sellist uuseinander- getiommene Sehalldose wieder so zusammen zu sitzen. ‘• ‘'s sie di,, gleichen Resultate ergibt, wie vor der Zerlegung. Obwohl man in den Kreisen der Aufnahmeteehniker immer mit einem gewissen überlegenen Lächeln auf dk* .. herabsieht und (meist infolge mangelnder wissen- s< !<aftlicher Kenntnisse*) nur auf die empirisch gewonnene ..Praxis“ schwört, lässt es sieh nicht leugnen, dass dieser "“stand der unsicheren Kenntnisse von Ursache und *' •' kung der Hauptgrund des ganz ungleiehmässigen Standes der Technik in dieser Industrie ist. Nicht die registrierende Sehalldose allein ist es. von Welcher die Güte der Aufnahmen abhängt, nicht die „Kunst" j Technikers oder die richtige Besetzung. Stellung und Instrumenten wähl der Musiker, sondern vor allein — die “eschaffenheit der zur Registrierung kommenden Ton- (?ehi!>ie. der auf die Membrane auftreffenden Tonwellen. Aha — wird man jetzt sagen: Nun kommt die Triehter- rage daran. Nein, auch diese sehen wir trotz aller taumeln- e»t Erkenntnis vorläufig als erledigt an. Man wird mir '*‘"l< r zuvorkommen und behaupten, dann könnte es sieh "f uni die Umarbeitung der Partitur für Aufnahmezwecke «uideln, ein barbarisches Verfahren, das z. B. aus den zar- * ! *ten Violinstellen liei Hiehartl Wagner einen Bläserchor ‘acht, und go zwar musikunkundiges Publikum befrk*digt. n Kenner aber voll Entsetzen fliehen lässt. Wenn es sieh alter weder um die Schal Vit ung zur Membrane, noch uni die Schallcrrcger handelt, von der Membrane seihst ganz zu schweigen — was dann 7 Ich muss hier zum näheren Verständnisse einen Ver gleich gebrauchen, der allerdings etwas hinkt, wie jeder Vergleich. Nehmen wir das Billardspiel her. Hiezu gehören der geschickte Spieler (für uns gleiehltedeutend mit Auf iiahmetechniker). das Billardbrctt (Aufnahmeraum), dk* Kugel (der Schall) und der Stosstock (die Musikanten. Sänger oder Sprecher). Funktioniert alles ordentlich, so muss der geschickte Billardspieler seine Erfolge haben. Wie alter, wenn trotz ulleru keine Erfolge zu erzielen sind 7 Wenn die Kugel trotz des fein berechneten, fast durch das Gefühl diktierten Stusses zti schwach geht oder gar zuriickläuft 7 Dann steht eben das Billard schief oder es ist seine Fläche nicht eiten. Vielleicht handelt es sieh auch um eine jener wahnsinnigen russischen Konstruktionen, die dem mitteleuropäischen Spieler jeden Erfolg von vorn¬ herein ebenso unmöglic h machen, als es das Wassertreten für einen Droschkengaul ist. So auch bei uns. Das B Uardhrett wurde mit dem Aiifnuhineraumc verglichen. Und tatsächlich gibt es Aiifnahmeräumlichkeiten. die jeder Theorie Hohn sprechen, dk* jeden Ton. der von den Mjsikanten zur Membrane geschickt wird, auffressen wie ein Sarkophag das inodcmdc Fleisch der Toten und die nur sozusagen das tJerippc eines Tones dk* ausgelaugte. schwächliche Charakteristik eines >Schallet> registrierbar machen, und so jene Plattenmarken schaffen helfen, von denen sieh jeder Freund der Sprech¬ maschine mit Furcht und Mithin abwendet. Man Itekommt derlei Aufnahmen leider oft genug zu hören, namentlich an schönen Sommerahenden. wenn die freundlichen Sprcchmaschinenliesitzer ihre Maschinen gleich dräuenden Sehiffskanonen ans Fenster bringen, um so das Gefühl der Nachharen für Kurst und Musik zu erregen oder masslosen Neid zu entfachen. Sellist gute Aufnahmen klingen dadurch, dass man den Schall durch den konischen Trichter verteilt und auf lange Strecken leitet, dünn und unnatürlich, was man jüngst in einigen unwahrscheinlichen Zusammenhang mit dem Dopplersehen I*rinzipe zu bringen versuchte. Und alle Fachseitun gen warnen vor derlei, die Sprechmaschine in Misskredit bringenden Usancen. Mutatis mutandis aber verfallen sie bei den Aufnahmen in genau denselben Fehler, wenngleich, durch die Verhältnisse diktiert, in umgekehrter Weise. Was dieses „umgekehrt" heisst, soll gleich erläutert werden Es gibt wohl kein scheusslicheres Instrument zur mechanischen Reproduktion von Sprache und Musik, als einen kleinen, alten Puckphonographen. Und doch steckt man in das Trichterende desselben einen dünnen Gummisehlauch und führt man dessen anderes Ende dem Ohre zu, so muss man staunen, welche Fülle und Klang Schönheit die in der Walze liegenden Töne haben, sobald man eilen die Schalleitung geändert liat. Bekanntlich hatten die ersten Edisonsohen Phonographen als Sehalleiter ebenfalls Guramischläuche. allerdings aus einem anderen Grunde, nämlich wegen ihrer mangelnden Tonstärke, die eine Leitung durch die Luft nicht vertrug. Derartige, zu schwache oder schlecht geleitete Klanggebilde hören sieh an wie Töne in schlecht gebauten Theatern und damit haben wir auch den Kernpunkt des ganzen Problemes bloss gelegt. Die Akustik des Aufnahmerauines ist es, von der mindestens ebensoviel abhängt als von guter Schalld«*se und guten Klangerregern (Künstlern).