Der Kinematograph (July 1910)

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No. 184 Der KInematograph — Düsseldorf. Wenn inan trotzdem der Ansieht ist, dass es sieh hierbei nicht um eine Verbreitung von Bildern im Sinne des Prcss- gesetzes handele, so muss man von einem anderen (Jesiehts- piinkte ausgehen. Welche Gesichtspunkte hierliei rnassgelieml sind, wird man erkennen, wenn man den Vorgang l>ei einer kinemato- graphischen Vorführung mit Vorführi ngen des Kineto*- skops, der lattema Magien und ähnlichen Veranstaltungen vergleicht. Ihnen allen ist gemeinsam, dass der Gedanken¬ inhalt einer Photographie, also das Wesentliche des Bildes, einer unbeschränkten Mehrheit von Personen 'zugänglich gemacht wird. Es lies teilen aller auch technische Ver¬ schiedenheiten. Ablelinen muss man es allerdings, wie w ir sahen, mit dem Olierverwaltungsgericht und Colm in der Vorführung eines starren oder eines belebten Bildes das l'nterscheidungsnierkmal zu sehen und demgemäss das Aus¬ stellen von Photographien, die Vorführungen mit der lattema Magien als die eine Gruppe und die Vorführungen des Kinetosknps sowie des Kinematographen als di«* andere Gruppe anzusehen. Vom technischen Standpunkte macht es flagegen einen Unterschied, ob ich, wie Ihm der Aus¬ stellung von Photfigraphien und In-i dei Vorführung des Kinetoskops. dem Zuschauer auch das Bild in seiner Körper¬ lichkeit zugänglich mache, den Zuschauern Gelegenheit gebe, den Gedankeninlialt unmittelbar aus dem Original¬ bild zu entnehmen, oder ob dem Zuschauer, wie dies Ihm der I-aterns Magien sowie dem Kinematographen der Fall ist. das Bild sellist gar nicht sichtbar ist. vielmehr nur die unköqierliehen Projektionen der Bilder. Ob dieser zweifel¬ los bestehende technische Unterschied auch juristisch von Bedeutung ist. ist allerdings eine andere Frage. Wenn wir bei der Verbreitung von Druckschriften im üblichen Sinne des Wortes für eine Analogie zu diesen Vorgängen suchen, m> werden wir finden, dass mit dem Kinematographen das Vorlesen ans einer Druckschrift verglichen werden kann, während dein Kinetoskop das Ausstellen oder Verkaufen einer Druckschrift entspricht. Es kommt mit andern Worten darauf an. ob es zur Verbreitung von Druckschriften im Sinne des Pressgesetzes genügt, dass der Gedanken¬ inhalt der Druckschrift weitergegeben wird dann fällt auch das Vorlesen und die Vorführung iin Kinematographen theater darunter — oder ob es ausserdem erforderlich ist, dass die Druckschrift, deren Gcdankeninhalt dem Publikum zugänglich gemacht wird, auch körperlich dem Publikum zugänglich ist, so dass sie die Gedanken der Druckschrift unmittelliar aus ihr »Mit nehmen können. Ucber diese Frage herrscht unter den Kommenta¬ toren,des Ih’essgesetzes kiineswegs Uebereinstimmung, viel¬ mehr ist kaum eine andere pressreehtliehe Frage bis in die neueste Zeit von berufener .Seite so verschieden ^«ant¬ wortet worden. Da fliese Streitfrage meines Erachtens von ausschlaggebender Bedeutung für die Zulässigkeit der Kinematographcnzensur ist, und die Gründe, soweit mir bekannt, noch nirgends im Zusammenhänge dargestellt und gewürdigt sind, halte ich es für angebracht, dies Problem etwas eingehender zu erörtern, wenngleich natürlich auch mit derjenigen Zurückhaltung und Beschränkung, die der Leserkreis, der sieh fast nur aus juristischen Laien zusammen¬ setzt, erforderlich macht. Unmittelbar aus dem Gesetze lässt sich eine Ent¬ scheidung dieser Kontroverse nicht entnehmen. Der Qe- s> tzgeber hat sich, wie in den Motiven bemerkt wird, mit Absicht einer Definition des Begriffes „Verbreitung" ent¬ halten. einmal, weil eine erschöpfende Begriffsbestimmung doch nicht zu geben sei und dann, um nicht mit der an andere Gesetze, insliesondcrc das Strafgesetzbuch und das Gesetz Über das Urhelierrecht an Schriftwerken — in denen derselbe Begriff verkommt — anknüpfenden Spniehpraxis in Widerspruch zu treten. Diese Besorgnis ist nun allerdings unbegründet, da es ein feststehender Grundsatz ist, dass ein jedes Gesetz aus sich selbst heraus erklärt werden muss. Wir müssen uns daher an den Sprachgebrauch sowie an den Wort-laut und den Sinn des Pmssgesctzcs halten, wenn wir uns dariilM-r klar werden wollen, in welchem Sinne der Gesetzgeber in diesem Gesetz von einer Verbreitung von Druckschriften spricht. Schon der Sprachgebrauch als-r scheint mir zu eigelien. flass man die Mitteilung des Gedankeninhalts einer Druck¬ schrift füglieh nicht als „Verbreitung einer Druckschrift" mischen kann, denn zur Verbreitung einer Druckschrift gehört, wenn man den Wortsinn zugrunde legt, eben nicht nur Verbreitung ihrer Gedanken, sondern auch Verbreitung des körperlichen Substrat-?*, an welche diese Gedanken gc hunden sind. Der Wortsinn kann freilicJi nicht- massgclMMid sein, wenn sich aus dem Zusammenhänge des Gesetzes insliesondere auch dem Zweck, den cs verfolgt, ergibt, dass der Sinn des Ausdruckes ein von dem Sprachgebrauch des Lebens abweichender sein muss. Dies liehaupten als»r nicht wenige Juristen, darunter Autoritäten in der p ress recht liehen Literatur. Iks-h sind Um* Gründe meines Erachtens nicht überzeugend. Reichsgerichterat Steiiglein liemerkt in seinem Koni mentar zu den strafrechtlichen Nebengesetzon des Deutschen Reichs (S. öü7) ganz richtig, man müsse davon ausgehen dass das Pressgesetz die Verbreitung der Gedanken durel die Presse regeln solle. Sonderbarerweise zieht er aber g« riule daraus tlen Schluss, dass zum Begriff der Verbreit unf¬ eine körperliche Hingalic der Druckschrift oder auch nie ihr Zugänglichmaehen nicht erforderlich sei. .. I ler Gesotz gelier würde sich einer Inkonsequenz schuldig machen, wenn er das „Anschlägen. Ausstellen oder Auslegen“, ohgloid dabei derjenige, für welchen die Verbreitung wirksam wir»! mit der Substanz der Druckschrift in keine Berührun; kommt, zur Verbreitung rechnen, sonst aber zum Begriti der Verbreitung eine körperliche Hingalic der Druckschrift fordern wollte.“ Am ausführlichsten treten für die ge¬ nerische Ansicht Schwarze und Appelius in ihrem Is-kannt» > Kommentar über das Pressgesetz ••in. denen daher hier atn ■- noch das Wort g«*gelsui werden soll. Sie machen gegen di» jenigen, welche in dem blossen Vorlesen einer Druckschrift keine Verbreitung »ler Druckschrift im Sinne des Prc-~ gesetzes erblicken wollen, folgendes geltend : „Wenn dagcg» u gelttuid gemacht wird, dass dabei die Itruckschrift nicht selbst, sondern nur der Inhalt verbreitet werde und du Verbreitung einer Druckschrift liegrifflich voraussetze, das* die Mitteilung an mehrere Personen zu eigenem unmittel¬ barem Lt*sen erfolge, dass «las gedruckt«' Wort einen unv» i änderliehen, immer zur Verteilung an ander« 1 vorhandenen und geeigneten gefährlicheren Gegenstand bilde, als das flüchtige, verhallende, gesprochene Wort und dass man endlich konsequent di<‘ frei«» Rezitation aus der Druck¬ schrift auch als Verbreitung ansehen müsst so ist doch zu erwägt*n, dass der Inhalt «ler Druckschrift das Moment i-t in welchem die Verbreitung ihren Ausdruck findet, dass *Ii« Druckschrift unwesentlich ist, wenn man sie von dein Inhalt, ohne den sie nicht existiert, liegrifflich sondern will, dass das Vorlesen «lern Nelbstlesen ch*s andern völlig gleich steht, und dass <*s inkonsequent wäre, in der Weitergabe der Druckschrift, ohne dass sie gelesen wird, ein Verbreiten, in dem wörtlichen Mitteilen des Inhaltes aller kein Vcr- breiten zu finden; dass es auch inkonsequent vom Gesetz wäre, das Anschlägen Aufstellen od<*r Auslegen, wegen der Kundgabe d«»s Inhalts, ohne die Uebergabe der Schrift sellist, als Verbreitung anzusehen, tlas Vorlesen als-r aus* zuschliessen. Uebrigens kann auch in dem wörtlichen Re* 1 * tieren des Inhalts einer Druckschrift vor andern unbedenk¬ lich ein Verbreiten gefunden werden, wenn t«s nur seitcii- des Rezitators erkennbar als die Wiedergab«» dt»s Wortlaut® der Druckschrift g«»schieht und von den Hörem s<». und nicht als die Darlegung der eigenen («©danken des Sprechet*" den aufgefasst wird." Auf dem entgegengesetzten, meines Erachtens richtigen* Standpunkt steht die herrschende Meinung, ohne freilich