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No. 193. Der Kinematograph — Disseldort. liehen Chaos, aber alle einzelnen Teile dieser Welt ent¬ stammen unserem geistigen Vorrat von Bildern. Stätten, Menschen und Erinnerungen und Wünschen. Und es ist zweifellos, dass im Schlafe die Erinnerung spielend diese Taten vollbringt, die sie im Wachen nicht mehr zu voll¬ bringen vermöchte. Alte Geschehnisse kehren wieder, die man selbst nicht mehr wiedererkennt, und zu denen manch¬ mal erst ein einstiger Gefährte den Schlüssel, das fehlende Bindeglied, liefert. Selbst vom -tbglanz des nächtlichen Spukes weiss das erwachende Bewusstsein oft nicht mehr einen Zipfel zu erwischen, die meisten Träume sind mit dem Erwachen vergessen. Andere ab«-:- grulien sich tief in die Erinnerung, ihr Eindruck ist so stark, dass sie die Grenze zum Bewusstsein überschreiten lind oft jahrelang nicht mehr vergessen werden." Diese treffliche und sehr cha¬ rakteristische Definition des Traumlebens enthält vielleicht auch die beste Erklärung dafür, dass die kinematographi- sehen Darbietungen je länger je mehr ..lieb Kind" beim Publikum werden. Das bewegliche Bild, das der Pro¬ jektor auf die weisse Wand zaubert, hat in der Tat viel Aehnliehkeit mit den Erscheinungen unserer Traumwelt. Der verdunkelte Saal schliesst den Zuschauer von der Nach¬ barschaft ab, so dass er allein zu sein vermeint, und die schattenhaft vorüberhuschenden Gestalten und Ereignisse, die sich in einer Programmstunde vor ihm abwickeln, haben viel Aehnliehkeit mit den Erlebnissen, die ihm ein deut¬ licher Traum vorgaukelt. Und sie sind meist ebenso rasch vergessen und verschwunden, wie die lieblichsten Traum¬ bilder, wenn die Stunde des Erwachens da ist. Schlaf und Traum sind unzertrennliche Gesellen und wir wissen auch, dass die Leidenschaft des Opiumg-musses deswegen einen so grossen Reiz auf manche Personen ausübt. weil wenige Züge des zerrüttenden Giftes genügen, den Opiumraucher in einen betäubenden Schlaf voll der schönsten und an¬ mutigsten Traumbilder verfallen zu lassen. Hundert - tausendc frönen diesem^ Leib und Seele vernichtenden Laster einzig und allein, um für wenige Stunden aus dem irdischen .Jammertal in eine Welt entrückt zu werden, die ihnen alle Freuden des Paradieses vorspiegelt. Umgekehrt scheint der Kinematcgraph wieder von besonderer An¬ ziehungskraft auf Personen zu sein, die ihrer Geburt oder Stellung nach auf den Höhen der Menschheit zu wandeln ausersehen sind. Ihnen wird der Kinematograph vielleicht als Apparat der Aufrichtigkeit, der Wahrheit scheinen, der ihnen die Welt ur.d ihr Treiben frei von aller höfischen Beschönigung und Beschattung zeigt. So ist es von König Friedrich August von Sachsen bekannt, dass er ein grosser Freund und Verehrer kinematograph i- scher Vorstellungen ist. Wiederholt l>esuehte der König, angemeldet und unangemeldet, die besseren Kinotheater Dresdens mit seinen Kindern, und der König liess es sich auch nicht nehmen, gelegentlich der l)reidener Vogelwiese neben .inderen Schaustellungen auch du- bedeutenderen Lichtbildtheater auf diesem Volksfeste zu betreten. Im königlichen Residenzschlosse befindet sich eine komplette Projektionseinrichtung, die beim Unterricht der Prinzen und Prinzessinnen stets angewendet wird, wenn es der augen¬ blickliche Lehrstoff irgendwie zulässt. Auch zu den Vor¬ stellungen des Ausstellungstheaters auf der Internationalen Photographischen Ausstellung hat sich der König mit seinen Kindern wiederholt ansagen lassen und vielfach seiner Befriedigung Ausdruck gegeben. Die genannten Theater hatten auch die Ehre, Don Fernando, Infant von Spanien, und den Prinzen von Bayern in Begleitung des gesamten Ehrendienstes in ihren Räumen zu sehen. Zu den prinzlichen Herrschaften, die gern einmal einer öffentlichen Kinovorstellung in irgend einem Theater bei¬ wohnen, gehören auch die Kgl. Hoheiten von Cumber- 1 a n d und Prinzessin von Hannover. Auch Herzog Johann Albrecht, der Regent des Herzogtums Braunschweig, hat sich wiederholt die Bilder der weissen Wand angesehen. l>er regierende Hering Karl Eduard von Sachsen-Koburg und (Jot ha ist gleichfalls ein grosser Freund der lebenden Photographien und seine Kinoliebhaberei geht soweit, «la-- er den prächtigen Thronsaal des Residenzschlosses sein i wiederholt in ein Bioskoptheatcr umwandeln liess, um sich eine Reihe interessanter Neuheiten, Aufnahmen von Wint« sportfestlichkeiten, von militärischen Paraden und Natu aufnahmen vorführen zu lassen. Im vorigen Jahre wurde einem Hamburger Kinematographenbesitzer der ehrenvoll. Auftrag zuteil, Ix-i einer Kasinofestlichkeit mit sein« tu Apparat Vorführung«-!) zu geben. Dieser militärisch, u Feier wohnten u. a. «1er Gescliwaderch«-f Prinz Hein¬ rich. der Grossherzog von Mecklenburg. d«*r Stationschef Admiral von Bcnde m a n n und noch verschiedene andere hohe ()ffizi«-rc aus dem Marin< stab um! dem Sebataillon bei. Sehr lebhaftes Inter«— bringt «lern lebend«-n Bilde auch tler Grossherz oa von Baden und Prinz Max von Baden ent¬ gegen. Eine kinematograph ische Vorstellung am Anfang dieses Jahres erregte Ix-i den beiden Herren ein derart grosses Interesse, dass der Grossherzog um Wiederholung der Vorstellung bat. damit auch die G r o s s h e r z o g i u sich an den schönen Bildern erfreuen könne. Diesem Wunsci •• wurde natürlich in bereitwilligster Weise entsprochen. I> r hier uufgezählt«-!) Reih«- «b-r Kincmatographenfreund«- aus d«-n Kreisen «1er hohen und höchsten Herrschaften liess« n sich selbstverständlich noch viele andere Namen anfügen, indess möge diese kleine Auslese genügen, um den Theat> i direktoren Ix-i ihren Kämpfen gegen «las Muckertum «-in« u Hinweis auf «las Interesse zu gestatten, «las allerhöt-li • Kreis«- dem Kinematographen entgegenbringen. Dass unter den Freunden des Kinematographen l«'i s«-iner ausgesprochenen Vorliebe für alle neuzeitlichen I r- rungenschafttn au«-h tl«-r Deutsche Kaiser ni< -l>t fehlt, ist nicht weiter verwunderlich. Schon vor «I«<-i Jahren hat «1er Kaiser seiner Ansicht iilx-r tli<* Nützlichk it der ..lebenden Bilder" dadurch besonderen Nachdruck verliehen, dass <-r den Befehl gab. man möge von gros- n militärischen Uebungen, von den Manövern zu Wasser mul zu Lande kinematographiselx- Aufnahmen herstellen lass- n. Der Kaiser hoffte durch die Vorführung dieser Films schätzbares lnformationsmat«-rial zu schaffen und den Armeeleitungen Geleg«*nh«-it zu nachträglichen eingeh«*n«l<-n Kritiken zu bieten, aus «lenen schliesslich die wünsch« n— werten Verbesserungen erstehen. Der Kais<-r hat zur sei E n Zeit auch erstmalig die Erlaubnis zur Aufnahme d«-r Früh¬ jahrs- und H«-rl»stparad«‘n auf dem Tempelhoferfelde und zum Vertriebe dieser Films g«getx>n. Der Kronprinz des Deutschen Reiches hat d«‘W Kinematographen noch weit grössere Konzessionen gemacht Auf die Bitte einer Berliner Kinematographenfirma hatte <-r darein gewilligt, ihn lx-im Exerzieren «i>-r Leibbatterie de* 1. Garde-Feltlartillerie-Regimcnts kinematograph isch auf¬ nehmen zu diirf«-n. Dabei richtete der Kronprinz heim Exerzieren der Batterie auf dem Tempelhoferfelde alle lk- wegungen so ein, dass der Photograph kt-int- Schwierigkeiten hatte, eien verschiedenen Stadien zu folgen. Die Aufnahme war deshalb auch ausserordentlich gut gelungen. I* r Kronprinz wünscht«- nun. di«- Szenen seiner Familie vot/.a- fiihren und er erteilte der Firma den Auftrag, die Films im Marmoqialais zu projizieren. Das meiste Interesse erregt«- namentlich Ix-i den geladenen Gästen ein Film, zu «lern der Kronprinz ..selbst M«xlell gestanden“ hat und «1er unt«-r dem Titel: ,,D**r Kronprinz exerziert die Leibbatterie des 1. Garde- Feldartillerie-Regiments“ in den Handel gekommen >**• Der mit der Aufnahme beauftragte Photograph hatte dx- seit.-ne Geleg«-nheit. ständig neben dem Thronfolger stehen zu dürf«-n. so «lass ein Film von bisher unerreichter Deutliem keit und Schärfe entstehen konnte. Die gesamte Bilderreihe lx steht aus drei verschiedenen Aufnahmeserien, die an ver¬ schiedenen Orten aufgenommen wurden. Ihr Inhalt t*