Der Kinematograph (November 1910)

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No. 202 Der Kinematograpta — Düsseldorf. Die Besucher der Kinematographen- Theater. Nicht mit Unrecht könnte man das Kineinatographen- theater als ausschliessliehes Volkseigentum betrachten, und dies zeigt sieh ani deutlichsten darin, wie wenig diesen Theatern von kritischer Seite Aufm« ksamkeit zugewendet wird — fast unkontrollierbar schiessen sie wie Pilze aus «ler Krd«\ um dann el>en so plötzlich wieder zu verschwinden, wenn ihr Besitzer nicht durch Aufgebot aller ihm zur Verfügung stehenden Mittel da» Interesse der Besucher wach zu halten versteht. Und welcnes sind diese Mittel? Hi«»r tritt an erster Stelle das Programm ein Konglomerat von Süssem und Bitterem, von Sauerem und Salzigem, und der Tluaterbesitzer glaubt dann im Sinne Goethes das best möglichsteigetan zu haben, und ül>er seiner Tür hängen g«-wiss di«* Worte: ..Wer vieles bringt, bringt j«*dem etwas und jetier sucht sieh selbst das »einige aus." Wer aber länger vor der Tür eines solchen Theaters gestanden unu beobachtet hat. der weis» auch dass dem nicht so ist. Man sicht «lft Leute, tlie das Programm überflog«*n. ihre Un- schlüssigkeit, hineinzugehen, nicht einmal verbergen. Wenn doch «*in Theaterbesitzer all diese Leute beobachten wollte, er würde bald zu der Erkenntnis kommen: „Wer vieles bringt, dem bleibt das Beste unbeseh«*n liegen.“ Diese Worte sollten den Theaterbesitzem einleuchten, sofern sie „jedem“ etwas bringen wollen. Ich möchte dies an einem unpersönlichen Beispie’ illustrieren. Vor kurzer Z«*it gab «*in Geigenvirtuose ein Konzert im Löwenkäfig. Es zeigte sich, dass ein Löwe mit vorgestrecktem Halse den Tönen mit Interesse zu folgen schien, ein zweiter bt'gann feindlich mit den Zähn«n zu knirschen — während all tli«* andern Löwen es waren ihrer zwölf im Käfig, die Musik überhaupt nicht merkten. Wäre es hier nun nicht liesser, bei öfteren Wiederholungen die Böcke von den Schafen zu tiennen ? Aber was schert einen Kinemato- graph«*nb«*sitzer die Psychologie seiner Klienten — und was wissen diese von der Psychologie. So kann «*» denn nur willkommen s«*in. wenn die Kritik hier vom Halse bleibt. 1*1» kann doch für die Zukunft nur günstig sein, die Lage <lert*r zu beleuchten, die es anwidert, inmitten einer Schar verständnislos I>reins<*hauender die Bilder zu ge- niessen, mit den«*n sie sozusagen schon in den Kinderschuhen umhertappten. Und wer sind diese Leute, fragt sich er¬ staunt der Kinobesitzer? Das sind die „Gebildeten“, <li«> es sich et>en nicht erlaulx-n können, die Vorstellung klassischer, historischer, prehistorischer Dramen anzu- s«*hen. die sich nicht aufschwingen können, «*inen wissen¬ schaftlichen Vortrag und dergleichen zu besuchen. Und all di«*se schönen Sachen könnten sie für billig Gield ge- messen. Und es ist wahrhaftig ein Genus», wenn man mit «lern Stoff des Vorgeführten vertraut, sich in das „rollende Bild" vertiefen kann. „Warum gehen Sie sich den Othello nicht ansehen ? Der Film ist wirklich gut" fragte ich eine Studentin. Die Antwort lautete: „Ich mag nicht «la hinein, «ler Genuss wird mir durch die Verständnislosigkeit des Publikums verleidet.“ Und wie vi«l hundert Andere würden in diesem Sinne geantwortet halten. L T nd fragt man dann dieses Publikum: „Nun. wie war der Othello?“ Da kommt’» von aller Mund: „O, herrlich, herrlich, er... mordet“. B«*i allen dasselbe Gefühl, bei allen derselbe Genuss! O gönnt Ihr Theaterdirektoren diesen Genuss doch auch den „armen Gebildeten!“ Setzt einen Tag in der Woche f«*st und bringt uns den Tasso. d«*n Othello den Hamlet. und wenn Ihrs euch billiger machen wollt, bringt uns quer durch Afrika! führt uns über die gigantischen Gletscher «l**r Alpen und zeigt uns in einer Reihe Florenz, Neapel. Capri, Mailand! Dieser Tag würde in Erinnerung bleiben. «l«*nn wir waren mit Menschen zusammen, die das gleiche schauten und das gleiche empfanden. Dieser Tag würde zu einem Tag der Kritik werdenJund würde euch ehrgeizig machen, euch Kinematographentheaterdirektoren! Eugen Styx. Aus der Praxis Hamberg. Herr Eduard Triidinger hat den hiesigen Kino-Salon, im C'af«» Wittelsbaoh. Promenade 12. von Herrn Nikolaus S«*llner käuflich Übernommen. Bischofswerda. Heer Hermann Starke Imt das Kinemato- graphcn-Theatcr im Hotel König Albert von Ottilie Weber über¬ nommen. Fridolin Hascher, der in Plauen i. V. und in Eger i. Böhmen bereits gross** Kinotheater besitzt, ••röffnet«* am 27. August d. J. in Marktredwit7 i. Bayern ein ilritt«*« Unternehmen mit 370 Sitzplätzen, und am 29. Oktober in Komotau i. Böhmen ein elegantes Theater mit 450 Sitzplätzen. Z. Zt. befindet sich als fünftes und grösstes Kinotheater ein Unternehmet» in Karlsbad i. Böhmen im Bau. I>as Theater wird mit 580 Sitzplätzen versehen sein und ein Muster tlmater feinsten Stils werden, das dem berühmten Badeorte zur Zier gereichen wird. Sämtliche Unternehmen führen den Namen „Ccntral-TheaUT". I.irhtspiele in Düsseldorf. In Ergänzung des in voriger Nummer veröffentlichten ausführlichen Bericht<■« sei noch nachgetragen, dass die Spreeh-Apparate-Einrichtung sowie die C'aruso-Platten von d«*r Firma lenzen A Co. geliefert worden sind, ebenso der Krnemann-Kino. Das Int«*resse des Publikums für dieses neue Unternehmen i-i andauernd .-in gru — -. Neues aus dem sittenstrengen Chemnitz. Die Besitzer des Biograph. Werner A Creutz. hatten bei der Kreisliauptmannsehaft eine Beschwerde über das Verbot des Bildes „Bewegte Tage in Lissabon“ eingereicht, darauf ist folgende Antwort eingegangen: Abschrift! Chemnitz, den 26. Oktober 1910. Nr. 2298 a. LV. zu Nr. C. 16795. „Die Königliche Kreishauptmannschaft hat in kollegialer Zusammensetzung den Rekurs d« r Kinematographen-Besitzer Werner A Creutl in Chemnitz, vom 17. ds. Mts., gegen die kinematographisehe Vorführung eines Films in Kindervor¬ stellungen untersagende Verfügung des Polizeiamtes vom 18. ds. Mts. verworfen. Der beanstandete Film führt die Bezeichnung „Bewegte Tage in Lissabon“ und stellt Szenen aus der jüngsten porto- eiesischen Revolution dhr. Ob er erst drei Tage nach den Ereig¬ nissen aufgenommen worden ist, wie die Rekurrenten beliaupten. kann daliin gestellt bleiben. Denn einzelne Teile d«»s Bildes, wir vor allem die Darstellung von Barrikaden, hinter denen Soldaten und Zivil-Personen mit Geweliren auf der Wacht liegen, die der Fertigstellung einer Barrikade auf offener Strass»-, die von Ver wundeten, di»* zusammengekauert hinter einer Barrikade liegen, emporgehoben und weggetragen werden, die einer V< rsammluug von Zivil-Personen, di»* auf eing»*gang«*ne Meldung die Gewehr*- über die Schult«* nehmen, um in den Straseenkampf zu ziehen, sollen zweifellos den Eindruck hervorrufen. «lass sie wirklich» Szenen aus den Revnlutionskämpf»-n w-i«*<iergeb«-n. Dieser Zwe»-k wird auch bei Zuscliauem von geringer Urteilsfähigkeit, wie dies Kinder sind, erreicht werden. Die Darstellung solcher Revolution- Szenen im lebenden Bilde vor Kindern ist aber g»*eignet. da- kindli he Gemüt und die Phantasie unvorteilhaft zu err«*g«*n. I nsb«*sondere b»*st«*ht die Gefahr, dass die Vorführung von Bildert» aus einer Revolution bei unreifen Personen tl**n Eindruck einer Verherrlichung der Revolution hervorruft, selbst wenn di«*s nicht beabsichtigt sein sollte. Infolge»li*sseii ist damit zu rechnen, «fas¬ eine solche Vorführung falsche Vorstellungen über das Erlaubt- und Unerlaubte derartiger Gewaltet reich»- im kindlichen Geist» « we ck t und zu Anscliauungen verleit»»t. die zu einem mit der allgemeinen «Grundlagen unsrer staatlichen Ordnung unverein hären Verhalten führen könnten. Ist aber von der Vorführung des b«<anKtandeten Film» eine derartige nacht«*ilige Wirkung erwarten, so verstösst di«*se Vorführung gegen die guten Sitt n. Damit ist aber die nach der Bekanntrnaeliung des Stadtrat» - und d**s Polizei-Amtes zu Chemnitz vom 2. .lull 1908 erford»»«- liehe Voraussetzung für den Ausschluss d«>s Bildes v«m Kind»-r- vnrstellungen gegeben. Ob d«*r b«»anstandete Film in anderen Städten vorg«»fülirt werden darf und ob den Rekurrenten ans dem angefoehten» " Verbot Scliaden erwäclist. kann für die Beurteilung der Zu¬ lässigkeit dieses Verbots nicht in Betracht kommen. Hiernach rechtfertigt sieh «iie angefochtene Verfügung. Bei der Erfolglosigkeit des Rechtsmittels treffen Kosten die Rekurrenten Die Königliche Kreisliauptmannsehaft. gez.: Nitz c.“ Gegen diesen Bescheid ist wi**dcrum Berufung eingelegt worö