Licthbild-Bühne (January 1911)

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Seite 2 L • B ■ B No. 1 Kino-Theater-Konzession! — Ja oder nein? Die Beleuchtung einer akuten Frage. ■ ■ ■ "| m Wandel der Zeit wandelt auch I die Ansicht. In den wilden Gründerjahren _ der Kinematographie etablierte ■ ■ ■ »I man frisch darauf los. Ge¬ setzlos. - Denn das paragraphenreiche Reglement, innerhalb dessen der deutsche Staatsbürger zu atmen und zu sterben hat ist von den weisen Magistern ge¬ schaffen worden, noch ehe der neu¬ erfundene Kinematograph zu flimmern begann. Man etablierte sich eben schrankenlos darauf los, und als man an den zahlreichen Kinobränden oben merkte, daß unser Rollfilm feuergefährlich ist, da runzelte man bedächtig die Stirn und schuf die ersten Feuerschutz¬ maßregeln. Das Hauptaugenmerk wurde auf die Feuerschutztrommel geworfen. Sie mußte dicht schließen und von irgend einem Feuerfachmann eine schrift¬ liche Belobigung haben, dann bewährte sie sich glänzend, wenn kein Feuer vor kam. Inzwischen brannte es flott' weiter. Man dokterte herum an der Feuerschutz¬ klappe, am Eimer mit Scheuerlappen, am „Rauchverbot 1 * und an den selbsttätigen Klappen von innen und außen bei den Projektions- und Beobachtungslöchern in der Mauerwand. Dann feierte Asbest in allen Verordnungen Triumpfe, die Prüfungspilicht der Vorführer kam, dann kam Blech an die Reihe, der gesicherte Rückzug, und wenn nicht bald der un¬ verbrennbare Film auf der ganzen Linie kommt, dann kommt noch die Vorschrift: „Die Projektionslampe darf nicht ein¬ geschaltet werden.“ i Dieses Dilettanten - Herumexperimen- ■ tieren mit des Feuers Macht erhielt ein i Gegengewicht durch _ die gesetzlichen . Wandlungen, die der Theatersaal durch- ! zumachen hatte. i ln den ersten Kino-Jahren pendelte ! man zwischen losen und festen Stühlen i hin und her. In der einen Provinz hieß es: „Die Stühle müssen fest stehen, damit bei einer Panik keiner stolpert,“ während im Nachbarländchen verordnet wurde: „die Stühle müssen lose stehen, damit bei ! einer Panik leicht freie Bahn geschaffen werden kann.“ Jetzt hat man sich für die festen Stühle entschieden, für drei Meter Abstand von der Leinwand aus, für Raum am Haupteingang, für Not¬ ausgänge und Raum dazu, für eine Stuhlbreite von 50 cm, Reihenabstand von 1,60 m (bei Klappsitzen 80 cm) und für verschiedene Notlampen - Systeme je nach der Logik des betreffenden Distriks. Man sieht also, daß die Gesetze sich den wandelnden Zeitläufen anpassen, aber immer noch pendeln, da man noch nicht auf die Radikal-Verordnung ge¬ kommen ist: „Der Kino ist ganz zu verbieten!“ Aber nicht nur vor körperlichen Schäden wird der Kino-Besucher, sondern auch vor seelischen geschützt. Da kommt vor allen Dingen der Zensurbeamte mit seiner differenzierenden Provinz-Auf¬ fassung. Er ist im Laufe der Jahre so ängstlich geworden, daß er beinahe alles streicht. In Berlin ist sogar der streng wissen¬ schaftliche und höchst lehrreiche Film: „Der Wasserkäfer und seine Larve“ (Patin*) vorige Woche für die Kinder SpeziahKohlenstifte für Kinematographen. flnerhannt beste Qualität. :: Sehr billiger Preis. :: Heid & Co., Eleklrizitäts-Gesellscliail HeutaOt a. Haardt B. 42. verboten worden, während zum Beispiel in Hannover fast immer das erlaubt wird, was in Berlin gestrichen wird. Man sieht also, daß der Geschmack vej- schieden ist, und daß man bald zur Ver¬ meidung von Zweifeln an der Logik einfach alle Films verbieten wird. Man arrangiere mal studienhalber eine praktische Kino - Tournee durch Deutschland mit täglichem Platzwechsel. Wer diese Saalgeschäfte macht, wird mir dies bestätigen. Wie da täglich die Feuerschutzmaßregeln wechseln, wie da täglich der Zensurgeschmack sich ändert, davon kann man sich gar keinen Begriff machen. Und wenn man sich voll¬ ständig in Asbest wickelt, und wenn der geprüfte Vorführer den Kurzschluß selber erfunden hat, und wenn 300 m im Um¬ kreis kein Mensch sitzt, und wenn die Widerstände nicht mal geschlossen sind, sie könnten warm werden, sie könnten rot werden, sie könnten heiß werden, sie könnten glühen, sie könnten alles in Flammen setzen, die ganze Stadt könnte brennen. In keiner Stadt könnte man arbeiten, wenn man in passiver Resistenz sich bemühen wollte, alles zu erfüllen, was Magistrat, Polizei, Zensor, Elektrizi¬ tätswerk, Saalbesitzer usw. alles für hoch¬ notpeinliche Lokal - Spezial -Vorschriften haben. Jeder drückt eben ein Auge zu, und dadurch werden Körper und Geist der Zuschauer am besten geschützt. Mitten in dem Dilettanten-Wirrwar der Notbehelfs-Kino-Verordnungen steht nun außerdem noch das sogenannte Kinderverbotsgesetz wie ein wahrer Wechselbalg. In manchen Orten reicht es bis zum achtzehnten Lebensjahr. O selig, o selig, ein Kind noch zu sein, kann mancher jetzt bald singen, selbst wenn er schon beim Militär Griffe kloppt. Daß die Kinderseele eines achtzehn¬ jährigen in Begleitung Erwachsener im Kino speziell geschützt werden muß, können wir absolut nicht einsehen, aber am grünen Tisch sieht man doch nun mal so schwarz. — - —- Halten wir nun so Rückschau über das Herumtappen und Herumdoktorn der provinzialen und städtischen Verordnungs¬ beamten mit all ihren sich wider¬ sprechenden Absichten, so könnte man eigentlich wünschen, daß recht bald dem Reichstag ein Kino - Gesetz vorgelegt werden möge. Dann wissen wir wenigstens, unter welchen Paragraphen wir bestimmt verfehlen, dann brauchen wir bei Tourneen nicht mehr von einem Extrem ins andere zu verfallen, wenn . wir uns bemühen, die Lokal-Verordnungen innezuhalten. Jetzt, wo wir noch nicht mal die Annerkennung als Theater haben, da sollte man endlich aufhören, uns un¬ nütz zu quälen, denn die bestehenden Verordnungen haben bisher nur einen unsicheren Rechtszustand geschaffen und Zutrauen zu den Behörden erschüttert, Sonderbarer Weise scheint man aber durch Schaden noch nicht klug genug geworden zu sein, denn in letzter Zeit tauchen immer mehr die Gedanken der ' Sehnsucht nach einer Konzessionspflicht der Kinematographen-Theater auf. i Auch die Ausschußmitglieder des Vereins der Kino-Besitzer des Königreichs Sachsen haben zu ihrem nächsten Ver¬ bandstage, der am 16. Januar in Dresden stattfindet, folgenden Punkt auf die Tagesordnung gesetzt: Eingabe an das Königl. Sächs. Minis¬ terium des Innern, um die Kinemato- graphentheater konzessionspflichtig zu machen, und um in Zukunft die Er¬ öffnung weiterer Geschäfte von der Be¬ dürfnisfrage abhängig zu machen und die alten Geschäfte zu schützen. Dieser Schritt erfordert eine sehr reifliche Ueberlegung. Die Beurteilung der Bedürfnisfrage ist dehnbarer wie Kautschuk. Da wird ein zweischneidiges Schwert geschaffen. Vielleicht sogar, daß dadurch die ganze Weiterentwicklung und Ausdehnung der Erfindung der