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Seite 10 L ■ B ■ B No. 3 Der „Kladderadatsch" und der Kino. Eine hübsche Skizze finden wir in der Nummer vom 25. Dezember: Der Kino im Dienste des Patriotismus! - Eine wundervolle Weihnachtsfreude ist den Schulkindern im Fürstentum X. Y. - es liegt irgend¬ wo zwischen Husterloh und Haderpfütz von ihrem gütigen Landesvater be- scheert worden. Serenissismus hat durch seinen Leibphotographen mit vieler Mühe eine kinematographische Aufnahme der letzten Hof-Saujagd anfertigen lassen, um sie den schulpflichtigen Untertanen vorzuiühren. Der hohe Herr erscheint in dieser Bilderfolge im geschmackvollen Jagdgewande, hetzt das schwarze Borsten¬ tier eine Viertelstunde lang durch dick und dünn, über Sturzäcker, Hecken und Sumpfgräben. Endlich wird das Vieh von der Meute gedeckt, Kindermann „hebt aus“, -- das heißt er kriegt es bei den Hinterbeinen zu fassen — wo¬ rauf Serenissimus der Sau den soge¬ nannten Fang gibt. Wunderbar er¬ hebend und unvergeßlich ist besonders der letzterwähnte Moment. Sobald der Landesherr die „Saufeder“ hervorholt, erhebt sich im Zuschauerraum des „Kientopps“ alles von den Bänken, ein Weihnachtsglockenspiel ertönt, und die Augen der Menge sind ehrfurchtsvoll auf Serenissimus gerichtet, der mit prächtiger, unnachahmlicher und wahr¬ haft hoheitsvoller Grandezza das wilde Schwein ins Jenseits befördert. In tiefster Ergriffenheit verläßt dann das Publikum unter dem Gesang der fürstlich X. Y.schen Nationalhymne den Saal Dfe Aufnahme dieser Nummer in das Programm aller Festlichkeiten, die einer wahren und sittlichen Volkserziehung gewidmet sind, kann nicht dringend genug befürwortet werden. Kinematographirdie Vorführung Deutfch- Südweftafrikas. Die vor einiger Zeit gegründete „Propaganda-Gefellfchaft für die deutfchen Kolonien" veranftaltet Donnerstag, den 15. Dezember, im Etablilfement „Hofjäger" in Deffau eine kinematographifche Vorführung einer Reife von Hamburg nach der deutfchen Kolonie Südweftafrika uud Durchquerung diefer Kolonie. Die „Propaganda-Gefell¬ fchaft“ hat es fleh zur Aufgabe gemadit, dem deutfchen Volke alles Sehenswerte aus unferer Kolonie durch lebende Bilder, mit entfprechenden Erklärungen und Vorträgen begleitet, vorführen zu lalfen, damit jeder Befudier fleh ein Bild davon machen kann, wie unfere Kolonien ausfehen und was deutfeher Fleiß und deutfehe Unternehmungskraft bereits dort an wirtfchaftlichen Werten gefchaffen haben. Die gezeigten Bilder find, wie uns gefihrieben wird, außer¬ ordentlich intereffant und laffen nicht die, großen Sdiwierigkeiten erkennen, die fich bei ihrer Aufnahme einftellten. Man möge bedenken, daß teilweife, um z. B. die Bilder der Diamantfelder auf¬ zunehmen, ein mehrtägiger Ritt durch die wafferlofe Wüfte notwendig war. Außerdem war es mit riefigen Schwierig¬ keiten verbunden, die io iehrempfinlichen Films vor der großen Hitje zu fchütjen. Es ift lehr eifreulidi, daß die „Propa¬ ganda-Gefellfchaft“, deren Entftehung dem kaufmännifchen Gebiete entfprungen ift, dem Volke Gelegenheit gibt, fleh felbft ein Urteil über unfere Kolonie zu bilden. Sie gehört keiner Partei an, fondern fleht über ihnen und will fich die wirtfchaftlidie Weiterentwicklung unferer Kolonie zur Aufgabe machen. Die Leiter der „Propaganda-Gefellfchaft“ find Hei rei , die felbft Jahre lang i.n den Kolonien aniaffig waren. Kinematographirdie Steckbriefe. Der Kinematograph, den man fchon mehrfach in den Dienft der Wiffenfchaft g< ftidlt hat, foll nun auch zu polizeilichen Krmitllungs- zwecken verwendet werd n. ln Prag ift jüngft die Polizei auf die originelle Idee gekommen, in Zukunft fogenannte kinematographifche Steckbriefe zu er¬ laffen. Es follen fortan an die Kinowand neben den fonftigen Vorführungen auch die Bildei von Verbrechern mit genauer Befthreibung gezeigt werden, damit fie (ich den breiten Mafien im Gedächtnis einprägen. Diefes Verfahren foll natürlich in verfchiedenen Theatern einer Stadt von hatten gehen. Auf diefe Art und Weife hofft die Polizei einen Fortfchritt im Ermittlungsverfahren zu erreichen. Natürlich werden die Herren „Theater¬ direktoren“ für die freundlich geliehene Kinowand von der Behörde jedes Mal honoriert werden, und es ift nidit aus- gefctiloffen, daß durch diefe Art ein freundfchaftliches Verhältnis im Verkehre zwifchen Polizei und Unternehmer ge¬ fchaffen wird. Die Prager Polizei verfpricht fich von ihrem neuen Unternehmen lehr viel, und wie man hört, jedenfalls weit mehr als von den Abbildungen in den Zeitfehriften, die vielfach dem großen Publikum nicht zu Geflehte kommen. Nicht nur Veibrecher, auch andere von den Behörden gefuchte Perfonen follen durch den Kinematographen, foweit dies möglich, dargeftellt werden. Messter’s Projektion erfreut zum 4. Februar das Kino-Publikum mit einer Burleske, die sich „Die Nachtwandler“ betitelt. Bei der angenehmen Länge von 184 Meter ist dieser Film des Kaufens wert. Der Termin drängt aber zur Bestellung. Am 11. Februar wird „Der Wein¬ reisende“ das Licht der .Öffentlichkeit er¬ blicken; ebenfalls eine bizarre Idee, die in übertriebener Manier die Aufdringlichkeit der Weinreisenden glossiert. Die Länge des Films ist 130 Meter. □ Geschäftliches. □ Hamburg. Die Firma Henry Adolf Müller hat Berlin, Friedrichstr. 10, II. Etage ein eigenes Filialbüro eröffnet, und finden dort täglich Vorführungen von Bilder¬ neuheiten statt. Korrespondenzen und Zahlungen sind nach wie vor an das Stammhaus zu leisten. Mustergültige Fabrikanlage. Die Ludwig Hupfeid A.-G. in Leipzig, die bekannte Fabrik selbstspielender Pianos, Violinen und Orchestrions und der Klavierspiel- ImJrumente Phonola und Dea, errichtet im Vorort Böhlilz-Ehrenberg neue Fabrik¬ anlagen, die ihrer Vollendung entgegen gehen. Auf dem von drei Straßenzügen begrenzten Areal erheben sich 2 fünf¬ stöckige Hauptgebäude von annähernd 200 m Länge, wovon das eine an der Hupfeidstraße gelegen ist. Hieran schließen sich mehrere Anbauten in gleicher Höhe, sowie verschiedene ein- | zelne Gebäude, enthaltend Lagerräume i für Instrumente und Noten, Versandräume, Kesselhaus, sowie ein 65 m hoher Fabrik¬ schornstein. Bei der lnnen-Einrichtung ; der Gebäude sind alle Erfahrungen auf i diesem Gebiete berücksichtigt worden. ; Obwohl die breiten, für die üblichen ; Fabrikbauten typischen Fenster vermieden ; wurden, ist für Licht und Luft in aus- i giebigem Maße gesorgt, auch sind durch j Einführung der indirekten Deckenbeleuch- I tung neue Pfade beschriften worden. Alle Räume weisen glatte Decken auf, an denen nur die Hauptträger sichtbar sind. Dem Verkehr dienen drei große Treppen¬ häuser, breite helle Korridore und zum Transport der Instrumente sind drei umfangreiche Fahrstuhlanlagen geschaffen. Der praktischen lnnen-Einrichtung ent¬ spricht die Architektur der Gebäude, für deren Fassade ein neuer, grau getönter Verblendstein Verwendung gefunden hat. Mit ihrer feinen Gliederung und den bis zu dem vorspringenden Hauptgesims auf¬ strebenden Pfeilern ist die Fassade ein schöner Beweis deutscher Baukunst, wie sie bei Fabrikanlagen noch nicht zu beob¬ achten gewesen ist. Der vornehme Ein¬ druck wird durch die edlen Linien des Mansard-Daches noch verstärkt. Ein besonderes Gepräge wird die Anlage