Licthbild-Bühne (January 1911)

Record Details:

Something wrong or inaccurate about this page? Let us Know!

Thanks for helping us continually improve the quality of the Lantern search engine for all of our users! We have millions of scanned pages, so user reports are incredibly helpful for us to identify places where we can improve and update the metadata.

Please describe the issue below, and click "Submit" to send your comments to our team! If you'd prefer, you can also send us an email to mhdl@commarts.wisc.edu with your comments.




We use Optical Character Recognition (OCR) during our scanning and processing workflow to make the content of each page searchable. You can view the automatically generated text below as well as copy and paste individual pieces of text to quote in your own work.

Text recognition is never 100% accurate. Many parts of the scanned page may not be reflected in the OCR text output, including: images, page layout, certain fonts or handwriting.

Seite 6 L • B • B Nr. 4 Schule und Kinematograph. mmer mehr nehmen die Bestrebun¬ gen, den Kino in den Dienst der anschaulicheiiBelehrung und Schule zu stellen, greifbare Formen an. Von Regierungsseite aus, gleich¬ falls aber auch aus privaten Kreisen hat man bisher dem Kino nur sehr wenig Vertrauen, im Gegenteil, das größte Mi߬ trauen, entgegengebracht. Der Kinematograph konnte sich aber trotz aller Anfeindungen, die ihn ver¬ nichten sollten, nicht nur behaupten, sondern hat sich nur noch unentbehr¬ licher gemacht. Aus den rohesten Uran¬ fängen heraus hat er sich durch seine bekannten Film-Sensationen, die das In¬ teresse der breitesten Masse erwecken sollten, emporgemausert bis zu seiner jetzigen idealen Höhe. Das Volk, der große Miilionenhauten. jene gewaltige, darbende Masse, der nicht nur der Brot¬ korb allein hoch hängt, sondern der auch der Sehnsuchtshunger nach Kunst und Freude, nach Wissen, Aufklärung und Belehrung durch die heutigen Zustände, die wir moderne Kultur fälschlich nennen, systematisch erhalten wurde, es hat sich den Kino teuer, nämlich groschenweise, erkaufen müssen. Von Regierungsseite aus sah man mit verwunderlichem Kopf¬ schütteln, wie gewaltig jene Bewegung ist, die das 59 Millionenvolk in den auf¬ klärenden Kino zieht. Hier bot sich ihnen der Wahrheitsblick, um zu Er¬ schauen, wie die Welt wirklich ist, mit all’ ihrem Schmerz und Leid, mit all’ ihrerFreud’ undLust. Mit photographischer Treue zeichnete der Kino dem allmählich immer mehr Sehenden das Leben. Die Landplage „Kino“ ist die Verkörperung des Satzes „Dem Licht, der Wahrheit entgegen“. Aus den armseligen Groschen der kleinen Leute wurde das Großkapital für intelligente Unternehmer, die den gewal¬ tigen kulturellen Wert des Kinos erkannt haben. Sie interessierten die Gelehrten, die Wahrheitstucher, es entstanden die wissenschaftlichen und anschaulichen Films, und nun ist inzwischen ein solch’ mächtiges Arsenal von geistigen Waffen im Filmlager für Lehrzwecke entstanden, daß wir beim Zeigen unserer Schätze am grünen Tisch oben, wenn auch wider¬ strebend, wohlwollendes Kopfnicken ein¬ heimsen. Man kann das füglich nicht mehr unterdrücken, denn wir beweisen durch unsere Films mit Tatsachen, daß man nicht mit dem Bakel lehrt, sondern dem Lernenden nur sagen brauchen: „Sieh’ hin und freue dich!“ Spielend sollen wir lernen, es soll uns Freude machen; das ist das grosse Ge¬ heimnis, das der trockene Magister nie begreifen wird. — Wir aber fühlten es schon von Anfang an, wußten wir doch, daß der Kinematograph berufen ist, uns ein neuesZeitalter. ein Paradies zu schaffen. Der Kino wird nicht nur das gesamte Theaterwesen i.mwälzen, er wird nicht nur das ganze Denken und .Empfinden des Volkes in andere Bahnen lenken, er wird nicht nur die Jahrtausende lang¬ gesuchte Wahrheit uns finden helfen, er wird Unglauben verscheuchen, uns sehend machen und uns das Weltenglück bringen. Systematisch, Stück für Stück, schrei¬ ten wir vorwärts. — Jetzt fürchtet man uns bereits so stark, weil die Macht wächst, daß man aus der Not eine 'rügend macht und mit uns einen Pack schließt. Allerorten liest man zwar immer noch von Anfeindungen,Beschränkungen Kinder¬ verbotsgesetzen, Steuerbedrückungen usw., aber die allgemeine große öffentliche Tagespresse ist wie umgevvandelt. Sie repräsentiert im großen Deutschland immer¬ hin die denkende Materie. Man erkennt deutlich, was wir sind, nämlich mehr als wie nur eine Schaustellung, mehr als wie ein Zeitvertreib, sondern ein Erzieher, ein Freund, ein Lehrer. • Im eigenen Interesse • • werden Besitzer von • ; Theophile Pathe- : ; Apparaten ; • sofort um ihre Adresse gebeten. • • Projections Act.-Ges. „Union“ • • Frankfurt a. TTI., Kaiserstr. 68. • Das ist’s was die freie Hansastadt Hamburg erstmalig im ganzen dunklen Deutschland erkannt hat; wohlgemerkt, zu derselben Zeit wo überall die Kinderver¬ botserlasse erlassen werden, und damit die Kino-Bilder zum Gift gestempelt werden, das die Kinderseele tötet. Das Unglaubliche ist geschehen: in Hamburg ist der Kinematograph offiziell als Schul- und Lehrmittel anerkannt. Wir erhalten folgendes Schreiben: Dresden, am 19. Januar 1911. Herrn Chefredakteur Arthur Mellini Berlin S016, Michaeikirchstraße 17. Ich erlaube mir, Sie mit dem Um¬ stande bekannt zu machen, daß es mir nach längeren Verhandlungen gelungen ist, mit der Oberschulbehörde in Ham¬ burg ein Abkommen dahin zu treffen, I daß in einer Reihe von Schüler-Sonder- 1 Vorstellungen sämtliche Bezirksschulen Hamburgs von jetzt ab regelmäßig während der Unterrichtszeit von lO'/s —12 Uhr klassenweise unter Führung der Lehrer mein Theater, Reform-Kino, Wexstr. 5, besuchen. Bereits seit Montag, den 16 Januar sind die Vor¬ stellungen im Gange. Es besucht jedesmal pro Tag eine ganze Schule mit zirka 10 Klassen, jedoch nicht mehr als je 600 Kinder pro Tag die Vorführungen. Sie gelten als Versuch, ob und wie weit es möglich ist, den Kinemato¬ graph a I s a m 11 i c h e s U n t e r r i c h t s- mittel praktisch dem Schulunterricht dauernd anzugliedern. Das Programm ist natürlich rein instruktiver, belehrenderNatur und weist nur geographische Motive auf; es be¬ titelt sich Schauspiele der Erde. Nach Absolvierung des Programms durch sämtliche Schulen sollen weitere Kom¬ positionen aus der Völkerkunde, dem Tierreich usw. folgen. Den Herren der Oberschulbehörde und den von dieser geladenen Gästen und Vertreter von Behörden, Senats¬ mitgliedern usw. wurde dieses erste Programm bereits am 20. November zur Prüfung vorgeführt, die ein sehr günstiges und durchschlagendes Resultat ergab, wie die gegenwärtigen Durch¬ führungen beweisen. Ich glaube damit einen schönen moralischen Erfolg errungen zu haben zu einer Zeit, in welcher die meisten Behörden den Kindern den Zutritt zum Kinematograph verbieten. Vielleicht benutzen Sie, als alleiniger Adressat dieser Mitteilungen, vorliegen¬ den Anlaß zu einem breiteren schrift¬ stellerischen Artikel in Ihrem Blatte, wozu ich Ihnen auf Wunsch gern mit weiterem Material zur Verfügung stehe. Es empfiehlt sich Ihnen Hochachtungsvoll Paul Griinert, „Reform-Kino“, Hamburg, Wexstr. 5. Damit hat der Kinematograph Bresche geschlagen, einen idealen und praktischen Erfolg errungen, wie es eben in der jetzigen Zeit der alltäglichen Anfeindun¬ gen gar nicht zu träumen war. Wir gratulieren dazu nicht nur Herrn Paul Grünert als Pionier und zielbewußten Förderer des Ausbaues der Kinemato¬ graphie, sondern auch der sich so oft be¬ währten Stadt Hamburg, die sich hier nicht das erste Mal bewährt hat, wo es galt, veraltete Vorurteile über den Haufen zu werfen. Wir lassen diese Siegesnachricht durch die deutschen Tageszeitungen laufen,