Licthbild-Bühne (February 1911)

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No. 5 L - B - B Seite 3 „Die ganze Richtung paßt uns nicht!“ Es läßt sich eben die maßvolle Reser¬ viertheit und vornehm-bescheidene Zu¬ rückhaltung, die wir bisher in unserer reservierten Art beobachteten, nicht mehr zurückdrängen, weil daß Maß voll ist und zwar gerüttelt voll. Von allen Seiten laufen gerade in letzter Zeit in unserer Redaktion so viel erbitterte Klagen über brutalste polizei¬ liche Beschränkungen und Drangsalierun¬ gen ein, daß sich diese alle in dem Aus¬ spruch zusammenfassen lassen: „Die ganze Richtung paßt uns nicht!“ Wir haben nicht mehr die Kraft, um begütigend auf Besserung der Lage hin¬ zuweisen, sondern müssen offen und ehrlich eingestehen, daß die Kinemato- graphen-Interessenten, besonders aber die Theater-Inhaber, auf der ganzen Linie in höchstem Maße unzufrieden sind. Diese Unzufriedenheit beginnt sich bald in Haß zu verwandeln, wenn sich behörd¬ licherseits nicht bald eine Wendung zum Besseren bemerkbar macht. Wir müssen es offen und frei be¬ kennen, daß unsere feste Ueberzeugung, in der wir nicht wankend gemacht werden können, die ist, daß man nicht uns treffen will, sondern den Kinematograph selbst. Den Kinematograph der durch sein Produkt, lebende, wahrhaftige Photo¬ graphien aus aller Welt, aus allen Ge¬ sellschaftsschichten, aus allen Gesichts¬ winkeln heraus, eine gewaltige volksauf- klärende Kraft in sich hat. Diese Volks¬ aufklärung ist es, die man verhindern will, weil sie zum Denken, zum Nach¬ denken, zur Unzufriedenheit anregt. Dieses Erwachen der breiten Volksmassen aus seiner Lethargie ist es, was man fürchtet. Da sie aber wohltätig ist, so wollen wir mit verdoppelter Zähigkeit an unserem Berufe festhalten, denn er ist längst aus dem nüchternen Stadium der einfachen Existenz herausgewachsen, weil er sozial kulturell und ideal fördernd •st. Wir sind nicht mehr die einfachen Ladeninhaber von früher, sondern mitten im öffentlichen Leben stehend, praktische Menschenverbesserer geworden, und aus dem Grunde, weil darum doppelt fühlbar das strenge Drangsalierungssystem der Behörden auf uns lastet, rufen wir: „Die ganze Richtung paßt uns nicht!“ Es sollte diese unsere Unzufriedenheit den Behörden zu denken geben, sonst bricht die, bis jetzt noch geübte ver¬ borgene Mißstimmung in offene Em¬ pörung aus. Wir haben es -satt, als Spielball der Augenblicks-Ideen Einzelner ständig auf dem Pulverfaß zu sitzen und jeden Augenblick, verursacht durch irgend einen j unüberlegten neuen Polizei - Ukas, mit | samt unserem Geschäft in die Luft zu fliegen. Wir haben es satt, als Versuchs- Karinickel zu dienen, damit wir durch I ständige Vivisektion langsam zugrunde gehen. Trotz aller wuchtigen, para- j graphenreichen Aderlassungen, trotz aller | Pfaffen und Volksverdummer, trotz aller SpezialsRohlenstiüe für Kinematographen. Racpkannt beit Qualität. :: Sehr billiger Preis.:: Heid I Co., Eleklrizitäts - Gesellsehafl Nentaöt a. Haart! B. *2. Volksverböserer und bureaukratischer Halbmenschen wird der Kinematograph doch rein und edel, eben durch den idealen Vollwert seines Produkts, als un¬ umstrittener Sieger hervorgehen. Er wird kraft seiner ehrlichen Macht, die er in sich selbst hat, seinen Weg bahnen und überall da das Licht und das Wissen ! bringen, wo Aberglaube und tierische ; Unterwürfigkeit vorherrschten. Auf Grund dieser ihm innewohnenden Kraft haben wir als Förderer für Volksbelehrung, wozu wir uns rückhaltslos bekennen, die Pflicht dazu, auszurufen: „Die ganze Richtung paßt uns nicht!“ Man ahnt wohl oben die Kräfte, die I im Kinematographen schlummern, man kennt aber noch nicht seine gigantische 1 Macht, die er besitzt. Diese Macht, mit I der wir bei der Wahl der Kino-Sujets ; spielen können, kann sehr leicht einen | katastrophalen Charakter annehmen. Wir haben es gelernt, den Film Tausende von Menschen in bestimmte Gedanken¬ richtungen zu zwingen. Wir können die ! Menschen zum Lachen und Weinen 1 zwingen; wir können Mitleid erregen und Paradiesesglück vorgaukeln. Wir können die Phantasie des Menschen entfachen und sie unserem Willen beugen. Wir können, wenn wir es wollen, eine ma߬ lose Wut, einen Berserkerhaß erzeugen, der, bei Tausenden gleichzeitig zu Tage tretend, die Erde erbeben läßt. Hat man sich oben schon mal besonnen, daß im Kinematographen mehr Agitationskraft steckt, als wie hundert noch so geist¬ volle und überzeund sprechende Volks- Redner entfalten können? Weis man es oben, daß ein Bild tausendmal lebendiger, überzeugender und impulsiver wirkt, wie das Wort und die Schrift? — Nein! Denn sonst würde man nicht so spielen mit den gigantischen Kräften, die in unserer Erfindung, die wir zu vertreten die Ehre haben, enthalten sind, und die ihrer Erlösung harren. — Weil wir aber dies wissen, darum haben wir das Recht, es satt zu haben mit den ketzerischen Verfolgungen, denen der Kinematograph ausgesetzt ist; darum warnen wir und sagen: „Die ganze Richtung paßt uns nicht!“ Es mutet lächerlich und beschämend an, wie man schon in den ersten Jahren der Kinematographie in blamabler und laienhafter Dummheit die ersten behörd¬ lichen Meisterwerke der Paragraphen¬ literatur auf den Kinematographen losließ, als er seinen Siegeszug so deutlich und gewaltig begann. Man ahnte noch nicht mal seine ideale Kraft, die er besaß, sondern sah nur das feuergefährliche dieses Teufels¬ rades. Die alten von uns werden sich noch der Zeiten erinnern, wo sich die ersten Feuerschutzbestimmungen in die Oeffentlichkeit hinauswagten. Da kamen die Neunmalweisen und ließen sich von den Operateuren das Dings erklären, und je nach dem, „wie’s trefft“, war die Feuerschutztrommel z. B. notwendig oder vom Uebel. Dann wurde die Filmzensur erfunden, ohne daß man die Tragweite des Entschlusses kannte. Dann kam der Schutz des Publikums im Theaterraume: In Klein-Mottenburg mußten die Stühle feststehen, damit eine Panik nicht folgen¬ schwer wird, während in Pietzkutenlake lose Stühle vorgeschrieben wurden, da¬ mit bei einer Panik Jeder freie Bahn hat. So hat man überall herumexperi¬ mentiert. Wir als geduldige Schafe haben das alles erdulden müssen, weil der