Licthbild-Bühne (March 1911)

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Seite 6 L ■ B ■ B No. l: andere derartige Vergnügungssports haben keinen kolossalen Aufschwung nehmen können, auch die etwaige Sucht, die Lokale des Kinos aufzusuchen, werde nachlassen. Demgegenüber wird immer wieder auf die Konkurrenz hingewiesen, die der Kinematograph den Theatern be¬ reiten soll, ohne daß man sich darin mit dem zukünftigen Nachlassen im Be¬ suche des Kinos vertröstete. Die Bild¬ theater sind unstreitig Qebilde der modernen Zivilisation, denn ohne elek¬ trisches Licht, ohne Telephon vermag man sich einen modernen Menschen nicht vorzustellen, der aber zu gleicher Zeit sehen will, was sich in anderen Teilen der Welt ereignet, illustrierte Blätter nicht meiden kann und die lebende Photographie der toten vorziehen muß. Das Theater leidet angeblich unter dem Kinematographen. Die Statistik beweist es ziffernmäßig. Durch minderen Besuch können die Theater den früheren Etat nicht mehr einhalten, noch nie waren so viel Schauspieler ohne Engagement, wie jetzt. Wie viele Schauspieler aber jetzt durch den Kinematographen einen Verdienst haben und wie hoch sich dieser einzeln und insgesamt summiert, darüber gibt es noch keine Statistik. Daneben wird aber der Geschmack der großen Menge nicht erwogen, der einzig und allein die Schuld daran trägt, daß heute kürzere Stücke auf der Bühne, kleine Geschichten in der Literatur, Vartefenummern und Sketchs in den Vergnttgungsetablissements in Flor sind. Das heutige Publikum verlangt Extrakte, in nervöser Hast hat es zu nichts viel Zeit und will alles kondensiert genießen und kluge Bühnenleiter lassen nicht nur den Zensor seines Amtes walten, sondern streichen 'manches noch selbst aus den aufzuführenden Werken, selbst der Klassiker. Daher kamen auch Film¬ fabrikanten auf die Idee, zusammen- S ene, gekürzte, gestrichene Theater- 5 aufzunehmen, die gewiß es mit der Zeit zu Wege bringen werden, daß bei den Theatern in diesem Sinne noch mehr reformiert wird. Denn der Kampf zwischen Bühne und Leinewand tobt inzwischen und wer am Theater interessiert ist, nimmt gegen den Kinematographen Partei. Barders Filmfabrik in England hatte mit „Heinrich VIII* hergestellt, von der Gesellschaft Sir Herbert Trees, einen solchen Erfolg, daß sie sich jetzt entschloß, Mr. Jeving und dessen Gattin in deren neuestem Erfolge, in „Prinzessin Clementine“, kinemato- graphisch zu verewigen. Die Autoren dieses Stückes aber beugen sich nicht vor der Kunst des Jeving’schen Ehepaares, sondern wollen ein Verbot der Vor¬ führung dieses Films erwirken und verlangen vom Gericht die Vernichtung des Negativs. (Nebenbei bemerkt, hat Jeving sich das alleinige Aufführungs¬ recht dieses Stückes für die ganze Welt auf 5 Jahre gesichert, ob das Recht der kinematographischen Aufführung mitein¬ begriffen ist, muß das englische Gericht entscheiden.) Ein anderer Kampf geht auf den Bildern selbst vor sich, der Kampf der Mimik-(Theater) mit dem Geberdenspiel (Kino.) Engländer, Amerikaner wirken auf der Leinwand, wie auf ihren Bühnen zumeist nur durch den Gesichtsausdruck, deutsche und französische Schauspieler müssen auch mit den Händen, mit dem Körper hier wie dort, mitspielen. Und da ergibt es sich von selbst, daß die Gesichtszüge allein im Theater nicht so wirken können, wie im Kino. Der Zu¬ schauer lernt daher im Lichtbildtheater die Mimik zu verstehen und zu deuten, er lernt aber auch die Geberden, wie der Taubstumme sie lernt und sich durch sie verständlich macht. Der Kampf zwischen Bühne und Leinwand greift aber auch auf andere Gebiete über. Auf der Bühne ist Alles Kulisse und Dekoration, auf der Lein¬ wand sieht man immer seltener Kulissen, die Freilichtaufnahmen nehmen über Hand und Naturhintergründe bilden die beste Szenerie. Namentlich Handlungen, die auf dem Wasser spielen, sind im Theater schwer zu bringen und unsere Königliche Oper griff erst kürzlich nach dem Kinoapparat, um einen Wasserfall auf ihre Bühne zu zaubern. Welche Tagesspesen und Gesamtkosten hat das eleganteste Kinematographen - Theater gegenüber den Bühnenhäusern 1 Schon am Orchester wird viel gespart, da gibt es keine langen Pausen auszufüllen, in den kurzen Intervallen vermag eine kleine Kapelle auch künstlerisches zu bieten. Beim Kinotheater muß man nicht stunden¬ lang warten (oft in Sturm und Regen vor den Bühnenhäusern) um Ein¬ laß zu finden, da gibt es nicht die Hast und Eile aus Furcht, man könnte zu spät zum Beginn der Vorstellung er¬ scheinen, alle diese Vorteile sind dem Kinematographen gegenüber den The¬ atern eigen. Zudem liegen die Theater oft weit ab, eine Liditbildbühne ist bald zu er¬ reichen, ist ein bedeutend billigerer Zeitvertreib, daher die Konkurrenz¬ fähigkeit, die immer nodi gesteigert werden wird. Allerdings, die herr- licfae Sprache wirklicher Dichtungen, die Perlen musikalischer Kunstleistungen bie¬ tet der „Kieno* nicht, aber die sind audi in manchen teueren Theatern sehr proble¬ matischer Natur. Darum wird der Kinematograph sich immer mehr uns neue Freunde erringen, das Theater der großen Massen sein, noch viel mehr, wenn die Bilder plastisch und in natürlichen Farben auf der Leinwand erscheinen werden und diese Zeit ist nicht mehr ferne. Oskar Meßter hat jetzt Versuche beendigt, die stereos¬ kopisch als gelungen bezeichnet werden müssen, und die Farbenphotographie kann heute schon Naturaufnahmen fast Original wieder geben. Also: die Zu¬ kunft gehört dem Kinematographen. Interessantes aus London. ■■■■[ er Berliner Protest gegen die Lust- D barkeitssteuer hat hier in Fach¬ kreisen ganz besonderen Widerhall _ gefunden. Nicht etwa, weil man Ulä befürchtet, eine solche Steuer könnte in ganz Deutschland eingefühlt und dann — böse Beispiele verderben gute Sitten — auch hier nachgeahmt werden, sondern aus zwei anderen Ge¬ sichtspunkten: dem geschäftlichen und dem kollegialen. Tatsächlich wird am englischen Filmmarkt schon jetzt die Eventualität in Erwägung gezogen, daß die FÜmfabrikanten ihren beträchtlichen Absatz an deutsche Abnehmer einbüßen könnten. Noch mehr im Vordergründe steht aber die Frage: wie werden die Berliner in dem Kampfe abschneiden, den sie gleichzeitig mit London und Eng¬ land auszufechten haben? Hier heißt der Feind nicht Lustbar¬ keitssteuer, sondern Sonntagsruhe. Wird die Geschichte der Gegenwart ge¬ schrieben, so wird ohne Zweifel eine der wichtigsten Seiten dem Anwachsen und Fortschritt der alles bezwingenden Kine¬ matographie gewidmet werden müssen. Sie wird auch den Sieg über Steuer und Sonntagsruhe erzwingen, denn heutzu¬ tage hat keine Art von Unterhaltung und Zerstreuung sich so schnell die Gunst der Völker errungen, wie sie. Vor wenige" Jahren war es noch ein (nicht nu finanzielles) Wagnis, eine Lichtbildbühn zu errichten, heute hat in Berlin de „Kieno* die bekannte Zigarrenfirma Loeser & Wolf überflügelt und dort solle Liebespaare sich als Treffpunkt j en 1 Straßenecke bezeichnen, an welcher ke> Kinematograph sich niedergelassen na. So arg ist es allerdings hier nicht, in jeder Größe und Aufmachung f!, [ man diese „Nickeltheater“ in al , Straßen Londons, in jeder Stadt, 1 jedem Dorfe des vereinigten Königreicn