Licthbild-Bühne (April 1912)

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Seite 8 L ■ B ■ B No. 15 Die Bühnenwelt gegen die Kino Interessantes vom Variete. III. ■ ' " ■ * urch die Zeitströmung gezwungen, D beschäftigen wir uns jetzt schon ! seit Wochen mit den Kampfmitteln, • •••] die von der Bühnenwelt ange¬ wandt werden, um unsere immer stärker fühlbare Popularität beim Publikum ein¬ zudämmen. Wir haben Gelegenheit ge¬ nommen, die einzelnen Phasen dieses nicht immer einwandfreien Kampfes unter die Lupe zu nehmen und dabei wahr¬ nehmen müssen, daß das fast sprich¬ wörtlich gewordene Intrigantentum, das hinter den Kulissen heimisch ist und den Leuten der Schminke Lebensbedürfnis zu sein scheint, auch bei den Kampfes¬ methoden gegen die Kino - Konkurrenz deutlich in die Erscheinung tritt. Man scheut sich nicht, vertrauensvolle Ver¬ bindungen, die man mit Behörden oder sonstigen einflubreichen Instanzen besitzt, zu mißbrauchen und uns dort jedwede individuelle Kunstberechtigung abzu¬ sprechen. Man wagt es, ein Verbot zu empfehlen, wonach uns das gesamte dramatische Betätigungsgebiet im Film verschlossen bleiben soll und will uns gnädigst Naturaufnahmen, wissenschaft¬ liche, ethnographische und ähnliche Sujets gestatten. Mit welchem Recht die Schauspieler es wagen, uns be¬ stimmte geistige Richtlinien vorzu¬ schreiben, möge dahingestellt bleiben. Bewundernswert bleibt nur die Größe der Naivität, mit der überhitzte, viel¬ leicht auch unterernährte Schauspieler¬ kadaver derartige Gehirnseitensprünge produzieren. Wir würden es nie wagen, hätten auch nie ein Recht dazu, etwa dem Schauspiel das Repertoir vorzu¬ schreiben. Dieses stellt sich die Direk¬ torenwelt zusammen. Daß sie es nicht richtig macht, beweisen die schlafenden Kassierer mit ihrem allabendlichen schwindsüchtigen Kassensturz. Wir wissen, daß die Schauspiel- kunst in sich selbst so morsch, ver¬ staubt und veraltet ist, daß nur ihre Abwehrmaßregeln gegen uns, gerade weil sie jeder logischen Wucht ent¬ behren, wie verzweifeltes Todesröcheln anmuten. Das abendfüllende Schau¬ spiel, auch wenn es sollte durch Zufall geistvoll sein, vielleicht auch gerade deshalb, paßt nicht in unsere heutige Zeit, wo die Minute Trumpf ist, und ein ganzer Theaterabend ein Vermögen an Zeit in sich birgt. Der Mensch von heute braucht kleine Dosen, Bijouterien, Kleinkunst, Sächelchen, Kosthäppchen, Minutenkurzweil, so ungefähr, wie es der Kino oder auch das Variete bietet, und sonderbar mutet es an, daß auch jetzt sogar diese Bühnenkunst sich in ihren Vertreterkreisen regt, um gegen uns mobil zu machen. Da wir das Variete mit seinem Darbietungssystem als zu gesund halten und darum als eine ewige Kunst bezeichnen, nimmt uns diese Mobilmachung doppelt wunder, denn der moderne, fdinell fallende und klug dis¬ ponierende Geilt, der Tradition und verftaubte Dogmen verachtet, der ift, der dem Variete das ftete Kraftvolle, Jugendliche, Nimmermüde verleiht. Ehe aber nun die erften Anzeichen einer eventuellen Mobilmachung in Variete- i kreilen auftauchte, entftand ihr i ichon in eigenen Kreilen ein Unter- j drücker in der wachlamen Perlönlichkeit des Präfidenten der Internationalen Ar- tiften-Loge, Herrn Max Berol-Konorah, der in den offiziellen Mitteilungen der Loge, die als beigeheftete Blätter des artiftifchen Fachblattes „Das Programm“ erlcheinen, ein richtiges Bild entwirft, j wie die Lage tatlächlich ift. Konorah Ichreibt lehr richtig, daß es fallch wäre, ; wenn Varietedirektoren und Artiften- Ichaft lieh dem allgemeinen Kesseltreiben gegen den Kinematograph anlchließen, denn dazu ift die lebende Bilderkunft infolge ihrer universellen, unerschöpf¬ lichen Betätigung und Anwendung viel zu stark ins Volk eingedrungen und paßt auch viel zu gut in unsere schnell¬ lebige Zeit. Wir schließen uns der Ansicht des Verfassers an, wenn er sagt, daß Variete und Kinematograph sehr gut zu einander passen und fast wesensverwandte Begriffe sind, und dann erschallt sein Ruf: Nicht gegen den Kinematograph, sondern Kino und Variete zusammen; dieses Gemisch gibt als Resultat das, was jedem einzelnen fehlt, was man jetzt schon als schäd¬ lich beim Variete spürt, aber auch über kurz oder lang beim Kinowesen merken Konkurrenz. wird. Das Theater - Problem „Kino- Variete“ oder „Variete-Kino“ ist in Ru߬ land schon seit langem gelöst und hat sich in der Praxis selfr gut bewährt. Dem reinen Kino-Programm ist eine gewisse Einförmigkeit der Darbietungen trotz der verschiedenartigen Sujets nicht abzusprechen; es fehlt die Macht der Persönlichkeit, die den Kontakt zwischen Bühne und Parquet herstellt und dem Ganzen das warm pulsierende Leben einhaucht. Ein Variete - Kino muß abwechselnd nach jedem Kinobilc: eine artistische Nummer auf der Bühne auf weisen, und diese Darbietung rekru tiert sich aus der in Überfülle Vorhände nen sogenannten „Mittel-Nummer“, die mit ihrem Ueberangebot schon jetzt die soziale Lage der Artistenschaft stark verschlechtert hat. Genau so, wie das Variete infolge einer gewissen künst lerischen Stagnation, in die es durch die Kinokonkurrenz speziell hineingeraten ist, über schlechten Geschäftsgang klagt, genau so wird auch für den Kinematograph der Zeitpunkt kommen, wo wir in der Filmkunst die höchste Stufe erreicht haben, still stehen und beim Publikum an Sympathie verlieren. Wer aus unseren Reihen heraus in weiser Voraussicht damit rechnet, sollte als moderner Theaterleiter sobald wie möglich praktisch sein Augenmerk auf das Variete richten und dieses als will¬ kommenen Bundesgenossen im Kampf gegen die kommende Blasiertheit des Publikums betrachten. Speziell in der Metropole Berlin würde die großzügige Etablierung eines modernen Kino-Varietes als ein direktes Bedürfnis anzusprechen sein, denn hier klagt man im allgemeinen über eine gewisse Variete-Armut, weil im Publi¬ kum immer noch die große Vorliebe für die bunte Brettlkunst vorhanden ist, ihr aber tatsächlich eine zu geringe Anzahl von Betätigungsfeldern zur Ver¬ fügung steht. Ein geschickt zusarnmengestelltes Variete-Programm bietet die universelle Vielgestaltigkeit, die das Publikum von heute liebt, genau so wie der Kine¬ matograph. Diese beiden Kunst¬ gattungen mit einander vereinigt, werden