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Seite 30 L • B • B No. 27 Vorlesung über die Auffindung des lange Zeit unbekannten Werkes und über die Wahrscheinlichkeit ihrer Zurückführung auf Beethoven einleitete. Der beste Beweis für diese Autor¬ schaft liegt aber wohl in diesem prächtigen Werke selbst, das von echt Beethovenschem Geiste erfüllt ist und neben manchen technischen Unvoll¬ kommenheiten von wunderbarer melo¬ discher Schönheit und Überwältigender instrumentaler Wirkung ist. Die ein¬ zelnen Sätze wurden überaus flott ge¬ spielt und zeigten die Leistungsfähig¬ keit des Orchesterkörpers von seiner besten Seite. Dasselbe gilt auch vom Vortrage der wenig bekannten und selten gespielten Ouvertüre zu Berliez Oper „Die Vehmrichter“, deren über¬ wältigende Wucht und instrumentale Eigenart plastisch zum Ausdruck kamen. Das Orchester hat in diesem ersten Konzerte ganz hervorragende Aufgaben gelöst und darf mit seinem künstlerischen Erfolge vollauf zufrieden sein!“ Ueber die musikalisch - technische Leistungsfähigkeit des Kapellmeisters Otto Lehmann vom Saalbautheater äußert sich der bekannte Musikforscher und Musikschriftsteller Arthur Blaß folgender¬ maßen : „Das ausführende Orchester war ein zu diesem Symphoniekonzert be¬ sonders zusammengesetztes; man hatte das Saalbauorchester durch Zuziehung von Musikern der Grenadierkapelle auf eine Präsenzstärke von 50 Aus- fünrenden gebracht. Mit diesem nicht eingespielten, nicht zusammen¬ gewöhnten Orchester ein solches Kon¬ zert herauszubringen, war gewiß eine schwierige Sache. Bedenken wir, daß diesen Musikern die Bruchstücke aus Parsifal fremd sein müssen, bedenken wir die vielen, dem Laien verborgenen Schwierigkeiten, die dem Leiter einer solchen Aufführung erwachsen, so müssen wir Herrn Kapellmeister Otto Lehmann öffentlich die gerechte An¬ erkennung aussprechen. Ein sicherer Führer seiner Truppen, ohne jede dem Modepublikum schmeichelnde Diri¬ gentengymnastik, dazu ein echter Musiker! Wer trotz aller Frohnarbeit des Tages so frei geblieben ist von allen Mätzchen der Routine — es gibt auch eine gute — der verdient unsere Achtung. Und die Symphonie gab eine vollgültige Probe!“ Auch wir freuen uns, hier öffentlich konstatieren zu können, daß durch dieses künstlerische Arrangement das Saalbau- Theater als Lichtspiel-Unternehmen weiter in der Gunst des Publikums steigen wird und die Zahl der Feinde vermindert, wir erinnern gleichzeitig daran, daß wir vor mehr als Jahresfrist leider gezwungen waren, in bautechnischer Hinsicht das Saalbau-Theater tadeln zu müssen, denn ein Vorführer starb den Verbrennungs¬ tod. Wir haben zwar den notwendigen Tadel nicht vergessen, werden aber auch das heutige ehrliche Lob in der Er¬ innerung behalten. Vorfrag über den Kulturwert des Kinematographen. Die außerordentlich rasche Entwick¬ lung, die der Kinematograph genommen hat, und seine vielfältigen neuen und ungeahnten Anwendungsmöglichkeiten haben nicht nur eine weite Perspektive für dessen Zukunft eröffnet, sondern auch eine ganze Reihe von Problemen und Fragen entstehen lassen, die noch der Lösung bedürfen. Der Schriftsteller Alfred Deutsch - German stellte dieser Tage in einem Vortrag in der Wiener Urania fest, daß das heutige Kinemato- graphenwesen durchaus nicht den End¬ punkt seiner Entwicklung erreicht habe, sondern daß man eher geneigt sei, das ganze noch als eine Spielerei zu be¬ trachten und zu vergessen, daß das lebende Bild imstande ist, manches Ver¬ gängliche zum Unvergänglichen zu er¬ heben. Der Kinematograph hat seinen Weg über die ganze Erde genommen. Ein Forschungsreisender, der jüngst aus Uganda zurückkehrte, erzählte, daß er nach einem primitiven Mittagessen in die Hütte eines Häuptlings geladen wurde, wo er zu seinem größten Erstaunen einer kinematographischen Vorführung beiwohnte. Jeder reiche Japaner hat seinen eigenen Kinematographen, und man gesteht in Japan offen ein, daß man sehr viel aus den Films und be¬ sonders aus einem militärischen Film lerne. Edison selbst aber erklärte, daß das wichtigste kulturelle Moment in der Erziehnng des Kindes liege, für das er sich kein besseres Mittel denken könne. In Kopenhagen bestehen bereits Schul- Kinos, die die Vorführung naturwissen¬ schaftlicher Films zur Hauptaufgabe haben. Nach kaum zwei Jahrzehnten steht der Kinematograph im Dienste der Meeresforschung, der Ethnographie, der Ballistik und auch der Flugkunst durch Aufnahmen des Vogelfluges, kurz er hat eine Fülle von praktischen Anwendungs¬ gebieten gefunden. Der Vortragende verwies darauf, daß in den Alpenländern noch eine große Zahl alter Gebräuche, Volksspiele und Festlichkeiten der Ueberlieferung bewahrt werden könnten, wenn man rechtzeitig Aufnahmen machen würde. Zu höheren Lehrzwecken wird das Filmbild neuer¬ dings durch die Wiedergabe von Ope¬ rationen herangezogen, auch ist es bereits gelungen, kinematographische Röntgen- Aufnahmen, zum Beispiel des Magens, zu erhalten, denen die größte wissen¬ schaftliche Bedeutung zukommt. In Berlin wird der Kinematograph in Fach¬ ausstellungen verwendet, um technische Produktionsverfahren vorzuführen. Der Kunstfilm steht allerdings heute noch nicht auf der Höhe. Es wird aber dahin kommen, daß auch er als Kultur¬ träger gelten wird. Ebenso wie die kaiserliche Akademie der Wissenschaften in Wien bereits ein Grammophon-Archiv besitzt, möge auch ein kinemato- graphisches Archiv angegliedert werden, wie dies in Brüssel bereits besteht. Kino-Vorstellungen für das Militär, Die Direktion der Rheinischen Licht¬ spiele in Düsseldorf hatte am 21. Juni eine Separat - Vorstellung für das Militär veranstaltet. Jetzt ist ihr von dem ‘Kommando folgendes Anerkennungs¬ schreiben eingegangen: Die am 21. Juni 1912 für die Unter¬ offiziere und Mannschaften des 1. und II. Batls. unseres Regts. veranstaltete Sondervorstellung hat alle Besucher in jeder Weise sehr befriedigt. Das Programm war reichhaltig, die Stücke waren dezent gehalten und wirkten belehrend. Das Bataillon möchte daher nicht verfehlen, dem Leiter der Lichtspiele für die guten Darbietungen den besten Dank auszusprechen. gez.: S t r u b e n Major und Bataillons-Kommandeur. Der Kinematograph als Verführer: (?) Der „Reichsbote“ bringt folgende Schauermär: „Der wiederholte leiden¬ schaftliche Besuch des Kinematographen- Theaters hat nach seinem eigenen Ge¬ ständnis den jugendlichen Dienstknecht Wilhelm Fleck aus Göttingen zum Straßenraub verleitet. Der 17 jährige Bursche stand unter der Anklage des vierfachen schweren Straßenraubes vor den Geschworenen in Kassel. In später Abendstunde pflegte er alleingehenden Damen mitten in der Stadt die Hand¬ taschen zu rauben. Fleck war auf der Domäne Wilhelmshöhe in Stellung und führte sich dort tadellos. Bei seiner Vernehmung gab der Angeklagte nur an, er habe einmal in einem Kinemato- graphentheater gesehen, wie ein Räuber einer Dame die Handtasche fortriß, da¬ rauf flüchtete, ein Schutzmann hinter ihm hersprang, den Räuber auch ein¬ holte, ihn aber nicht verhaftete, sondern sich mit dem Räuber verständigte und beide sich in die Beute teilten usw. Dieses Bild habe ihn dazu verführt, einen gleichartigen Straßenraub auszu¬ führen. Tatsache ist, daß Fleck die Straßenraube stets nach Besuch des Kinematographen auf dem Heimwege ausgeführt hat. Er wurde zu einer Ge¬ samtstrafe von drei Jahren Gefängnis verurteilt.