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No. 28 L • B - B Seite 27 □ Allerlei □ Gegen die Filmzensur. Die Zensur der Kinobilder im Ber¬ liner Polizeipräsidium ist in letzter Zeit so wenig einheitlich gehandhabt wor¬ den, daß sich das Agitations-Komite der kinematographischen Fachpresse veran¬ laßt gesehen hat, eine besondere Rechtsschutzstelle gegen die zensur¬ polizeilichen Maßnahmen einzurichten. Es sollen durch eine Kommission, in die unter anderem die Herren Rechtsanwalt Dr. jur. Georg Wolff- sohn, Berlin, Gerichtsassessor Dr. jur. Bruno May, Berlin-Wilmersdorf, Oberlehrer Dr. Wolthers, Steglitz und Oberlehrer Dr. Hilgers, Steglitz, ge¬ wählt worden sind, die verbotenen Films einer Nachprüfung unterzogen und eventuell gegen die Verbote der Zensurbehörde im Verwaltungsstreit¬ verfahren klagbar vorgegangen werden. In einigen Fällen hat bereits der Be¬ zirksausschuß die Zensurverbote des Polizeipräsidiums aufgehoben. Das Ko- mite hofft auf diese Weise in der Zen¬ surfrage eine Judikatur zu schaffen, die der Behörde in Zukunft als Richtschnur dienen soll. Das Bureau der Zensur¬ kommission befindet sich Friedrich¬ straße 235. Eine Wiener Zeitungsstimme läßt sich folgendermaßen vernehmen : „Die Entwicklung des Kinowesens be¬ ginnt nach Jahren buntester Unordnung die Konturen einer Organisation zu zeigen, die voraussichtlich heilsam auf die Ausnützung der im Kino schlum¬ mernden Kulturwerke wirken wird. Der Amu- ementsfaktor braucht dadurch, daß auf eine Ausmerzung der Hinter¬ treppenromantik zielbewußt hingear¬ beitet wird, nicht geringer zu werden, sondern im Sinn des ästhetischer? und geistigen Genießens nur intensiver und geklärter. Die letzten Jahre haben ja vereinzelt schon Bestrebungen erkennen lassen, von denen man sich noch un¬ gleich mehr versprechen darf als von dem künstlerischen und wissenschaft¬ lichen Aufschwung der Photographie seit etlichen zehn Jahren. Wenn Wien bisher nicht führend auf diesem Ge¬ biete ist - Kopenhagen hat schon seit einiger Zeit ein Schulkino in Betrieb — so scheint doch eine nunmehr ein¬ geleitete Aktion einen kräftigen und hoffentlich erfolgreichen Vorstoß auf diesem Gebiete zu wagen. Die von uns bereits angekündigte Gründung eines Vereines, der sich nach dem Quell griechischer Weisheit, vielleicht ein wenig weit hergeholt, „Kastalia“ nennt, mit dem Untertitel „Oester- reichische Gesellschaft für wissenschaft¬ liche und Unterrichtskinematographie in Wien“, ist nun perfekt; der Verein *hat bereits seine Statuten heraus¬ gegeben und wird hoffentlich bald vor die Oeffentlichkeit treten. Allerdings wird, wie es scheint, vorläufig das Hauptgewicht auf die Ausnützung für die Schule gelegt, aber man braucht nur zu erwägen, daß die ungefähr 300,000 SchülerWiens einen bedeutenden Bruchteil der Stadtbevölkerung reprä¬ sentieren und wohl den bildungsfähigsten, um in alldiesen Heranwachsenden Wissens¬ jüngern einmal eine kategorische Forde¬ rung nach guter, Geist und Herz be¬ schäftigender Kinodarstellung zu erkennen. Die Satzungen des Vereins weisen dem Kino eine überaus große Rolle zu und es ist ernstlich zu wünschen, daß er Ver¬ bindung mit allen ähnlichen Bestrebungen der Welt sucht. — Es ist interessant, einen Blick auf den Studienplan des Vereines zu werfen, der sich vornimmt, seine Darbietungen aus den Gebieten der Geschichte, Geographie, Naturwissen¬ schaft, Literarhistorik, Aesthetik und aus Aktuellem belehrenden Charakters nimmt. Noch frappierender mutet der moderne Schulbetrieb aus der künftigen Kino- Aegide an; Rudolf der Stifter als ge¬ schichtlich-geographisches Thema könnte sich z. B. in folgende Darstellungsgruppen auflösen: 1. Bild: Stiftskirche, Universi¬ tät. 2. Bild: Erwerbung Tirols; es wird ein Uebergang über die Tiroler Alpen gezeigt, Gründungen Rudolfs, das Schloß der Margarete Maultasch etc. Oder beim Thema Hygiene: die gesundheitliche Ein¬ richtung einer Wohnung im Gegensatz zur unhygienischen Einrichtung, Bade¬ anstalten, Sport, Reinigung der Städte, Rettungsversuche bei Unglücksfällen etc. Botanische, zoologische, sogar minera¬ logische und biologische Themen in buntem Wechsel, aber methodisch ge¬ bracht, müßten dem gesamten Schul¬ betrieb ein völlig verändertes Gepräge geben. Die Anschaulichkeit könnte ins Un¬ geahnte gesteigert werden, übernehme ja doch das Auge als vornehmster und klar vermittelndster Sinn die Bildungs¬ aufnahme. Edison ist davon überzeugt, daß in nicht ferner Zeit jede Schule ihr Kino haben wird und glaubt an die Er¬ setzung der Lehrbücher niederer Kate¬ gorie durch den Film. Warum nicht? Die Wünsche können und sollen sogar weiter fliegen. Es wäre an eine öffent¬ liche Erziehung engerer und weiterer Volksschichten zu denken auf den Ge¬ bieten von Sitten und Gebräuchen, Moden, Manieren, so daß künftighin die Welt mit Lebenskultur en masse über¬ schwemmt werden kann. Es wäre freilich sehr lobenswert, den Menschen immer vor Augen zu halten, wie sie sich kleiden, wie sie essen und — ein drohendes Kapitel für die Wiener - wie sie auf der Straße gehen sollen. Die Bühne soll vom Kino lernen. In dem Vorspiel zu „Erdgeist“ hat bei der Wiederaufnahme dieses Stückes im Deutschen Theater zu Berlin der Dichter Frank Wedekind einen Ausfall auf die Kinematographentheater gemacht. Damit gesellt er sich zu den vielen, die auf die Schäden der Kinos hinweisen. Daß besonders Theaterleute, Direktoren und Dramatiker, diese mächtig empor¬ gewachsene Konkurrenz ungern sehen, ist begreiflich. Natürlich glauben sie wirklich an Schädigung der Kunst, nicht nur ihres Geldbeutels. Sie befürchten f HEPPtlEFt & WEINBERG # . ft % beruh ■ n -37 • W * II l/l ^ SCHÖNHAUSER ALLEE 8 M 1 Eft fTPf* # £J t IT1 Q # TELEFOn MOP DEM • 3/63 •