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5. Jahrgang 1912 Heft No. 29, Der stillstehende Fortschritt. ir wollen doch einmal recht offen und ehrlich sein und bekennen, j daß wir eigentlich schon seit 1 ■ ■ ■ » I Jahresfrist alle Anwartschaft haben, mit unserer Filmkunst langweilig zu werden. Derjenige kann dies am besten bestätigen, der aus beruflichen Gründen verpflichtet ist, jahraus jahrein von früh bis spät tagtäglich Kinobilder als Novitäten kritisch betrachten zu müssen, wie z. B. der Filmeinkäufer, der bis zu 150 Films pro Woche über sich ergehen lassen muß. Diese wenig beneidenswerte Auf¬ gabe, die im übrigen ganz gewaltige An¬ forderungen an die Sehnerven, aber auch sehr oft an den guten Geschmack stellt, muß den damit Betrauten allmäh¬ lich ein Gefühl des Oeden aufzwingen, zumal, wenn er die Fähigkeit besitzt und sich dem wenig angenehmen Luxus hingibt, streng kritisch und objektiv die Erzeugnisse der kinematographischen Filmkunst auf ihre technische und lite¬ rarische Qualifikation zu prüfen. Wir kennen die alte Wahrheit, daß Stillstand Rückschritt bedeutet. Gerade der¬ jenige, der mit einem gewissen Idealis¬ mus die ständige Höherentwickelung der Kinematographie aus innerem Her¬ zen heraus protegiert und ebenso auch der kühl denkende Kaufmann und Ge¬ schäftsleiter, der da weiß, daß im Kunst- und Theaterleben eine gewisse Stag¬ nation gleichbedeutend mit dem Anfang vom Ende der Existenzberechtigung ist, kann sich der Tatsache nicht mehr ver¬ schließen, daß wir Stillstehen. Mit einem gewissen selbstverständ¬ lichen jugendlichen Draufgängertum haben wir am Anfang der Kinemato¬ graphie, als sie im Jahre 18% in das öffentliche Leben trat, sowohl im tech¬ nischen Laboratorium, im Atelier, in der Apparate-Bauanstalt und im Theater selbst all unsere Freistunden dazu ver¬ wandt, um technische und künstlerische Vervollkommnungen zu erzielen. Wir liefen ständig von der Drehbank zum Patentamt, schielten nach Frankreich hinüber, sahen dort vieles ab, ahmten nach, verbesserten, erzeugten neue Ideen und verbesserten so das Grund¬ wesen der Kinematographie von Monat zu Monat. In dem ständigen Wider¬ streit der Meinungen über Systemfragen am Projektionsapparat lag ein gewisser frischer Zug, der uns zwar keine welt¬ umwälzende neue Theorien für die Praxis brachte, aber doch die augen¬ fälligsten Fortschritte und auch still¬ schweigenden Anerkennungen des öf¬ fentlichen Laienpublikums mit sich brachte. Dieses Laienpublikum dankte es uns als zahlende Verbraucher für unsere intensiven Versuche und Ver¬ besserungen durch praktische Sympa¬ thie. Die kinematographische Theater¬ praxis hat sich alle Gesellschaftskreise für dauernd erworben; aus den ehemali¬ gen Feinden, die unsere flimmernden, zitternden und tanzenden Bilderfrag¬ mente mit zu verstehender Antipathie quittierten, sind ehrliche Freunde ge¬ worden, die allwöchentlich aufs neue die Wunder unserer technischen und idealen Kunst auf sich einwirken lassen. Früher hatten wir den Kopf voll von Problemen und Ideen; in sachlichen und erbitterten Streitschriften und techni¬ schen Fachartikeln wurde das Für und Wider von Maltheserkreuz-, Schläger-, Nocken-, Greifersystem bekämpft oder in den Himmel gehoben; man belächelte die Versuche der Prismenanwendung, stritt sich über die Vorzüge und Nach¬ teile der Stand- und Rahmen- oder Trommelentwickelung beim Film, jeder hatte eine andere Prüfungsmethode für korrekte Perforierung, und dann kam