Licthbild-Bühne (September 1912)

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Seite 38 L ■ B • B No. 37 men) beginnen jetzt aufzutauchen, ob sie sich aber behaupten werden, muß die Zukunft lehren. Sie haben einen schwe¬ ren Stand, denn auch englische Films finden den Beifall der Spanier nicht. Einst unter der Ueberproduktion lei¬ dend, hat sich der Markt in Barcelona erholt, auf dem jetzt auch lange Films goutiert werden. Was die Kinotheater betrifft, ist es gefehlt, den Spanier beim Stierkampf richtig kennen lernen zu wollen. Es ist eine Eigenheit der Kinematographentheater in Spanien wie in aller Welt, daß sie den Fremden am besten dazu dienen, die Einheimischen, deren Sitten und Ge¬ bräuche zu lehren. Wer die Sprache des Landes versteht, wird im Kino das Herz und die Seele des Volkes am sichersten kennen lernen. Wer sie nicht versteht, findet außer an den Bil¬ dern auch an den Beschauern Zer¬ streuung. Bei der Konfirmation. In schwarzem, dem ersten langen Rocke, schreiten die Mägdelein und Knäblein, vielleicht erst jetzt die Schul¬ bank verlassend, zur Konfirmation nach der Kirche hin. Man hat ihnen die Be¬ deutung der Feier klar gemacht, es ist ein seltener Tag, an den sie jeden Mo¬ ment durch das Festgewand, Geschenke und das eigenartige Zeremoniell, mit dem man sie behandelt, gemahnt wer¬ den. Und in ganzen Scharen ziehen sie, gehobenen, erregten Gefühls, begleitet von ihren Angehörigen, auch in jene Kirche, die sich in Berlin-Moabit an der Ecke der Beussel- und WiclefLStraße befindet. Im Gotteshaus soll ihnen die Weihe werden, hier wird der Konfir¬ mationsakt vollzogen und dann steigt der geistliche Herr auf die Kanzel und hält eine Predigt, die den Glanzpunkt der Konfirmation, einen Markstein für das ganze künftige Leben der jungen Schar bilden soll. Und da hören sie und staunen, denn vom Kino spricht der edle Herr, erst mit Pathos und Getragenheit, dann aber immer lebhafter und lauter und heftiger werdend und dröhnend klingt es in das Gotteshaus: ,»Bewahret Eure Seele vor dem Kino“. Und um den Eltern es recht ans Herz zu legen, die Kinder vor dieser Gefahr für das Seelenheil zu bewahren, schildert der Festredner in seiner Predigt in Worten, die alle Nerven erregen, alle Sinne kitzeln, die unschuldige Kinderphantasie fieberhaft aufpeitschen, alle jene Sün¬ dentaten, die man im Kino auf der Lein¬ wand zu sehen bekommt. Nichts an¬ deres weiß der Prediger der Jugend auf den Lebensweg mitzugeben, und die Kin¬ der, die bisher im Kino nur Unterhal¬ tung fanden, fühlen auf einmal den Stachel in ihrem Innern, die Sucht nach diesem Laster. Und darum hat beim Verlassen der Kirche nach dieser Pre¬ digt so mancher Konfirmand, der vor¬ her feierlich gestimmt worden war, als erste Worte hören lassen: „Vati, heut aber jehn wer zur Feier des Tages mir zuliebe alle Mann ins Kino, nich?“ Der moderne Kino-Regisseur. Auch ein Wettkampf mit dem Thea¬ ter, von dem wir den Regisseur ent¬ liehen haben! Warum hat noch keine Filmfabrik Max Reinhardt engagiert, der gerade auf diesem Gebiete Großartiges leisten müßte! Denn offen heraus ge¬ sagt: die besten und packendsten Films sind jene mit Massenwirkungen. Man denke zurück an den alten Film: „Die Jungfrau von Orleans“, und an das Bild kurzen Datums „Trojas Fall“. Mutet das erstere heute nicht an wie die Repro¬ duktion der Tätigkeit einer Theater¬ schmiere? Gibt es etwas Grandioseres, wie die Kolossalwirkung des zuletzt ge¬ nannten Bildes? Kein Einsichtsvoller wird leugnen, daß der Regisseur kine- matographischer Aufnahmen bereits auf der Höhe seiner Aufgabe steht und den¬ noch: eigentlich sind wir alle vom Wege abgeirrt. Der erste deutsche Regisseur war Oskar Meßter, und Schreiber dieser Zeilen half ihm s. Zt. die Aufnahmen zu „stellen“. Damals suchte man vor allem einen guten Hintergrund für den ein Strauch, ein Busch genügte. „Bismarck in Friedrichsruh“: ein gut maskierter Spaziergänger, ein Laubengang in West¬ end und ein Hund, den man für Tyras halten konnte. Oder: „Bei guter und schlechter Laune“: ein fein pikantes Bild, die schöne van Roy und Arnold Rieck als Ehepaar in der allerintimsten Häuslichkeit je nach dem Stand des Ehe¬ barometers. Ein routinierter Regisseur war dazumal auch Gustav Schönwald, der vom Phonographen zum Kinemato- graphen überging. Ehrlich gesprochen: anno dazumal war man eigentlich nur Arrangeur, heute muß man Regisseur sein mit den gleichen Fähigkeiten wie bei der Bühne. Bei den ersten Aufnahmen wurden den handelnden Personen der Inhalt, die Handlung erklärt, dann wurde „ge¬ probt“ und es stellte sich immer heraus, daß sich die Mitwirkenden in die Sache hineingelebt haben, keiner hervortreten, die Aufmerksamkeit nur auf sich lenken wollte. Es war selbstverständlich, daß man hierbei sofort nach Komödianten, nach Schauspielern, Theaterleuten griff, ohne zu ahnen, welche Konse¬ quenzen dies haben wird. Die Konkur¬ renz der Fabrikanten paarte sich mit der Konkurrenz der Mimen, die beim Kino oft mehr verdienten, als im Haupt¬ berufe. Dann — nichts lag mehr auf der Hand — wollte jeder die Mitwirkung bekannter, beliebter, populärer Kräfte haben, man überbot sich in den Hono¬ raren, engagierte diese Mitwirkenden fest, mußte die Mehrkosten durch zahl¬ reiche Aufnahmen wettmachen, deren Güte natürlich darunter litt. Es kam aber ein weiterer, ganz eigenartiger Umstand hinzu. Immer wieder begegnen wir auf den Films den¬ selben handelnden Personen; ist nun z. B. ein Gesicht aus einem unerklär¬ lichen Grunde dem Beschauer unsym¬ pathisch, so wird dieser voreingenom¬ men für das beste Bild sein, weil der ihm Unbeliebte auf demselben agiert. Was nützt die Abwechslung im Pro¬ gramm, wenn man immer wieder die gleichen Gestalten verfolgen soll. Doch der Regisseur kann sie nicht entbehren an das Publikum denkt er bei seiner Tätigkeit nicht. Die Schauspieler sind auf die Arbeit eingedrillt, vor allem ist ihre Mimik be¬ redt. Und da kommen wir zu einem großen Regiefehler fast aller Bilder. Weil das Filmbild auf des Beschauers Auge, nicht auf sein Ohr wirkt, soll ihm eine „stumme Pantomime“ geboten wer¬ den. Man kann ein vorzüglicher Schau¬ spieler mit brillantem Mienenspiel und doch nur ein mittelmäßiger Mimiker sein. Der Regisseur hat einzig und allein die Schuld daran, wenn die Akteure bei den Aufnahmen ihre Rollen nur spielen und nicht sprechen. Das Gesprochene geht zwar verloren, aber jeder Laie, noch mehr aber der Künstler, wird das Gesprochene in Bewegung, Geberde und Gesichtsausdruck harmonich zum Ausdruck bringen und begleiten. Es mag ja im ersten Moment eigentümlich wirken, jemand sprechen zu sehen und ihn nicht zu hören, aber unwillkürlich wird der unhörbar Sprechende in allem besseres Verständnis und größere Wir¬ kung finden, wie der nur Markierende. Und wenn man sich sagt, daß bisher nicht ein einziger Regisseur dahin wirkte, sprechende Kräfte kinemato- graphisch aufnehmen zu lassen, so ist es ein schlechter Beweggrund, daß der deutsche Beschauer z. B. durch die Pho¬ tographie eines während der Aufnahme englisch sprechenden Akteurs vor einem Rätsel stehen und das Bild gar nicht ver¬ stehen würde. Denn wir haben bei „großen“ Künstlern beobachten können, wie sie bei kinematographischen Bildern in Affektmomenten doch einzelnes sprechen, weil der Ausdruck ohne Wort kaum mehr genügen würde, das fremde Idiom bleibt zwar unverständlich, aber die erhöhte Wirkung fehlt doch nicht. Wenn es aber Regisseure gibt, die bei zwei Stelldicheins an verschiedenen Tagen an demselben Orte dieselben zu¬ fällig und unbeteiligt anwesenden Per¬ sonen verwenden, so darf man von die¬ sen auch keine derartig durchgreifende Reform der kinematographischen Auf¬ nahmen erwarten.