Licthbild-Bühne (October 1912)

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No. 41 L ■ B ■ B Seite 29 gegen den inneren Feind begannen, nahm weder Tagespresse noch Behörde Notiz davon. Ich kenne eine Fachzeit¬ schrift, die seit ihrer Gründung gegen die häßlichen Plakate polemisierte. Als aber aus z. B. 30 Kinos in Berlin 300 geworden waren, wurde man auf- mersam. Fritz Engel, welcher, wie ich zugebe, seit neuerer Zeit sich befleißigt, den Kinematographen objektiver zu beur¬ teilen, hat anfänglich nicht so ge¬ schrieben, aber er irrt, wenn er an¬ nimmt, daß es keinen Fanatiker gäbe, der den K. als solchen bekämpft. Ich behaupte das Gegenteil auf die Gefahr hin, von ihm zur Gattung der Kinozeros gezählt zu werden (siehe „Thalia im Freien“ Berliner Tageblatt v. 6. 8. 12. No. 397.) Obwohl er den hohen Kultur¬ wert des K. anerkennt, will er ihm den¬ noch das „Hinübergreifen in den Bezirk der dramatischen Kunst“ wehren. Würde er sich darauf beschränken, die Vervielfältigung von Segmenten klassi¬ scher Werke zu tadeln, so könnte ich ihm die Hand reichen; denn Schillers Räuber oder Shakespeares Hamlet wir¬ ken in der für die Leinewand bearbei¬ teten Art wie ein Operntextbuch, in welchem etwa jedes vierte Blatt heraus¬ gerissen ist. Eine eigens für den Film zugeschnittene dramatische Technik und aus ihr hervorgegangene Erzeug¬ nisse brauchen wir, um auch der großen Masse eine gesunde dramatische Kost vervielfältigt und darum verbilligt zu¬ gänglich machen zu können. Man ur¬ teile doch nicht so subjektiv vom Stand¬ punkte des Großstädters und vergesse nicht die Millionen auf dem flachen Lande, deren Heranbildung und Vor¬ wärtsentwickelung bitter not tut. Man bedenke, daß man durch die Art det bisher geführten Kampfes nur reaktio¬ näre Bestrebungen unterstützt. Ein anderer Kino-Gegner, Max Ep¬ stein, welcher in einer Zuschrift an den zuständigen Dezernenten des Berliner Polizeipräsidiums vor einiger Zeit das Schauspielerelend in den grellsten Far¬ ben schilderte, hat zwar Anschauungen die ich nicht teile, aber er vertritt, wie ich zugebe, die Interessen betroffener Schauspieler, die man vom mensch¬ lichen Standpunkte aus betrachtet, be¬ greifen kann/ ohne ihnen zuzustimmen. Weniger harmlos als Engel und Ep¬ stein gebärdet sich indessen ein dritter Kino-Gegner, weshalb ich mich mit ihm etwas eingehender beschäftigen muß: Fritz Mauthner leistet sich im Berliner Tageblatt vom 31. März c. einen Artikel über den „Kienschund und seine Dra¬ maturgie“, für welchen ich die Redak¬ tion nicht verantwortlich mache, der aber zur Kritik herausfordert. Nach seinen eigenen Worten wollte Herr M „eine zehnjährige Lücke in seiner Bil¬ dung ausfüllen“ und hat sich „einige Kientöppe in der Provinz und ihre Dar bietungen angesehen.“ Er hat also di Entwickelung, die Mauserung und den Aufstieg des Kinemas in diesen zehn Jahren weder miterlebt, noch beobach¬ tet, spricht daher wie der Blinde von der Farbe und zum Ueberfluß in wenig vor¬ nehmer Art. Er räsonniert, haut aber überall daneben. Argumentiert mit Tradition wie ein Reaktionär, und legt eine grenzenlose Unkenntnis des Tech¬ nischen beim Kino an den Tag. Wenn man die technische Seite nicht kennen kann, sollte man darüber schweigen. In einem Atemzuge glaubt er „Neigung zu besitzen, das Neue gegen das Alte zu verteidigen“, und „fürchtet, keine Lanze brechen zu können für den Kinemato¬ graphen.“ Daß die Dichter der „Kien¬ töppe“ durchaus nicht so gottverlassen sind, hoffe ich später noch beweisen zu können, wie ich glaube, ihn davon zu überführen, daß das kinobesuchende Publikum den Schund (der übrigens in jeder Literatur vorkommt) nicht „for dert“, denn sonst wäre es nicht vor der Operette, welche M. Denk bereits un¬ term 23. August 1910 in No. 425 des Berliner Tageblatt als „nichtssagende Erbärmlichkeit“ bezeichnet, geflohen, Ein lapsus linguae (beim Kinema wird nicht geknipst, sondern gekurbelt) sei nur nebenbei erwähnt. Aehnliches scheint ihm aber öfter zu passieren, Bei Bestellungen bitten wir freundl. unsere Inserenten zu berücksichtigen und sich auf unsere Zeitung zu beziehen, o o o o o o o denn in einem späteren Artikel über Buddhismus vom 31. März 1912 in der¬ selben Zeitung hätte es wohl richtiger heißen müssen, daß es mehr Buddhisten auf der Erde gibt, als Gläubige der ge¬ samten christlichen Kirche, oder, was dasselbe ist, aller christlichen Konfes¬ sionen zusammengenommen, nicht aber „irgend einer christlichen Kirche“. Doch zurück zum Kinematographen selbst: Bis vor kurzer Zeit gehörte zu seinen äußeren Feinden ein ganzer Stand. Man verurteilte gerade von pädagogischer Seite sans fa£on alles, was sich ge¬ werbsmäßig mit Lichtbildprojektion be¬ faßte, ohne sich der Mühe zu unter¬ ziehen, ob es unter den kleineren Kine¬ mas nicht auch versteckte Kunststätten geben könne. Ein Pädagoge von der Bedeutung eines Otto Ernst protegiert aber das Kino, und es ist hocherfreulich, daß auch Rektor Lemke in Storkow es verstanden hat, in der „Gesellschaft für Volksbildung“ eine Instanz zu finden und mit seiner Zeitschrift unter der De¬ vise „Schule und Kinematographie Hand in Hand“ ein Organ ins Leben zu rufen, mit welchem sich jeder einsichts¬ volle Kino-Fachmann einverstanden er¬ klären kann. Wenn zwar nicht mehr die Mehrzahl, so gibt es doch noch ge¬ nügend „Flachsmänner“, die den Kine¬ matographen ausrotten möchten mit Stumpf und Stiel, wie die Kämpfe iir Schöneberger Stadtparlament zur Ge¬ nüge bewiesen haben. Bringt es der Weltenlauf mit sich, daß irgend ein Stand durch irgend etwas Neues ganz oder teilweise verdrängt werden muß, wie z. B. der handwerks mäßige Betrieb durch die Maschine, Umwälzungen, die sich indes stets lang¬ sam vollziehen und den dort Beschäf¬ tigten Zeit lassen, in andere Betriebe überzugehen, um Brot zu verdienen, so müssen wir uns solchen Evolutionen unterwerfen. Gibt sich jedoch jemand dazu her, eine Errungenschaft, die noch nicht alle Kinderkrankheiten überstan¬ den hat, durch Scharfmacherei und be¬ hördlichen Zwang zu unterdrücken und dadurch Existenzen mit einem Schlage zu vernichten, so ist solches Gebahren grober Mißbrauch von Machtbefug¬ nissen und auf das Allerentschiedenste und Schärfste zu verurteilen.