Licthbild-Bühne (November 1912)

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No. 46 L • B - B Seite 39 Eine und selbst einige Stufen höher! Der Arbeiter erhält den Wochenlohn, der Verkäufer kommt von der Tages¬ arbeit, der kleine Beamte, der abends frei ist, geht zu seiner Erholung aus. Früher gingen sie in die Wirtschaft, in die Stammkneipe, in eine Restauration. In rauchgeschwängerter Luft wurde po¬ litisiert, Geschichten und Witze erzählte man, spielte Billard, trudelte oder „kloppte Skat“. Stunde um Stunde ver¬ rann, die Frau wartete mit dem Abend¬ brot, brachte endlich mit schwerer Mühe die Kinder zu Bett, dann setzte sie sich an die Arbeit oder erwartete sonstwie die Heimkehr ihres Mannes. Es waren dies zumeist Familienleben, wie jenes aus dem Witzblatt. Die Kin¬ der sahen den Vater nur Sonntags, und das kleinste fragte einmal: „Mutti, is det der Herr, der alle Sonntage kommen tut?“ — Heute gehen dieselben Leute mit der Frau und wenn Kinder über 6 Jahre da sind, mit diesen in das Kino. Gemeinschaftlich verschaffen sie sich diese einzige, ihnen erschwingliche Zer¬ streuung und Unterhaltung, die nicht mehr, sondern weniger kostet, als der Mann früher allein verbrauchte. Welche Freude der Eltern, sich an der Unter¬ haltung der Kinder zu beteiligen, ihr herzerquickendes Lachen zu verfolgen, und dann daheim, tagelang wird über das Gesehene gesprochen und — sollte wirklich ein böser Keim in dem Kindes¬ gemüt entdeckt werden, — mit Um¬ gehung desselben die angenehme Seite der Sache um so mehr unterstrichen, um so kräftiger betont. Das .ist die Kulturmission der Kinos! Sie geben uns statt Trank für den Magen Sättigung des Wissendurstes, sie bieten uns statt Spiel und Kannengießerei auf der einen, statt Krakehl und Rohheit auf der anderen Seite Zerstreuung und Un¬ terhaltung, sie sind ein volkswirtschaft¬ licher Faktor mit unbedingt ökonomi¬ scher Wirkung, sie bilden einen (und wäre es selbst der kleinste) Kitt für das Familienleben, sie bringen Eltern und Kinder näher aneinander, sie lassen uns das Leben trotz Sensationsfilms von der angenehmen und oft heiteren Seite kennen lernen, sie tragen zur Wohl¬ fahrt, zum Wohlbefinden bei, sie ge¬ wöhnen an Umgang, an Formen, an Si¬ tuationen, an Lebensschicksale und zwar heute schon, wo das Kino noch re¬ formbedürftig ist, was wir sehr gut wissen und fühlen und selber anstreben, aber nicht in jenem Sinne, daß die Zen¬ sur uns knebeln, der Pädagoge uns be¬ vormunden, die Steuer uns erdrosseln soll! Nicht die Kinos allein, sondern auch die Gesellschaft, die Behörden und Institutionen, der Staat sind reformbe¬ dürftig. Solange man konstruierte Ge¬ fahren beim Kino in den Vordergrund schiebt und seine eminenten, hier nur kurz angedeuteten Vorzüge außer Acht läßt, so lange nicht alle Welt, statt Schlagworten zu huldigen, für die un¬ leugbare, herrlich erwiesene, von der großen Majorität des Volkes stets emp¬ fundene Kulturmission der Kinos eine Lanze bricht, so lange nicht Staat und Gemeinde es für ihre dringende und not¬ wendige Aufgabe halten, durch Erleich¬ terungen jeder Art diese Kulturmission zu unterstützen und zu fördern, so lange sollte nach Mitteln und selbst eben¬ solchen Gewaltsmitteln, wie man sie ge¬ gen die Kinos anwendet, gesucht wer¬ den, um endlich eine Wandlung herbei¬ zuführen. Im heutigen Jahrhundert müßte man den Kinematographen, wäre er bei uns nicht schon 15 Jahre alt, er¬ finden, denn Fortschritt und Kultur ist beider Losung, und diese lassen sich wohl aufhalten, eindämmen, beschrän¬ ken, aber nicht endgültig vernichten. Und je älter und aus sich selbst heraus reifer das Kino wird, desto mehr muß und wird es sich bewähren als Kultur¬ träger. Wohlgemerkt, nicht der Kine- matograph allein, auch das Kino! Der eingefangene Krieg. as sich zurzeit auf dem Balkan abspielende gewaltige Kriegs- drama, welches dortselbst eine völlige Verschiebung der politischen Machtverhältnisse hinsichtlich des Län¬ dergebietes zeitigen wird, gibt als gutes Beispiel Gelegenheit zu der nachfolgen¬ den Betrachtung, inwieweit sich die „Bewegung“ eines Krieges durch den Kinematographen auf die Leinwand zeichnen läßt. Hierbei ist jedoch durchaus nicht an die direkte Wiedergabe einzelner Kampfepisoden und -Szenen gedacht, wie sie ja in der Darstellung etwa des Herganges eines Reitergefechtes, des persönlichen mutigen Vordrängens einer Gruppe von Fußsoldaten, des Bedienens Von Willy Langner, von Geschützen und dergleichen häufig im Kino zu Sehen sind. Meiner Ausführung liegt vielmehr die Idee zugrunde, daß die Leinwand, auf welche der Apparat sonst buntbe¬ wegte Bilder aus dem Leben wirft, hier einmal als Landkarte in riesigen Ab¬ messungen einen Kriegsschauplatz er¬ kennen lassen soll, und wir jetzt quasi aus der Vogelperspektive alle im Ver¬ lauf des Krieges in den von ihm heim¬ gesuchten Gegenden vor sich gehenden Geschehnisse und Veränderungen mit¬ erleben können. Es würden sich da mit lebendiger Deutlichkeit die wech¬ selnde Lage der feindlichen Parteien, die Bewegungen ihrer Truppenkörper, das durch ständig siegreiches Vordrin¬ gen der Einen bedingte allmählich An¬ wachsen eroberter Landesteile uns ge¬ nauestem offenbaren. — Nach ge¬ wissenhafter Aufstellung also aller Kriegsdaten und -Nachrichten und deren präzisen Umsetzen in ent¬ sprechende Zeichen und Farbenabstu¬ fungen wird eine Originalkarte mit diesen für gedachte Illustrationen not¬ wendigen Marken versehen. Sie wer¬ den dann im Verhältnis zu den tatsäch¬ lichen Vorgängen der Kriegszeit in einer Unzahl von Aufnahmen um ein jeweili¬ ges Minimum verschoben, so daß auf diese Weise bei der späteren Wieder¬ gabe durch den Projektionsapparat die lebende Kriegskarte geschaffen ist. Der so auf Umwegen in den Rahmen der